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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.06.2005 06:00

Eindrücke aus dem Einstein-Symposium an der ETH
Vom Allerhellsten zum Ultrakalten

Wirrer Haarschopf, spasseshalber ausgestreckte Zunge und schwer vorstellbare Genialität: So weit kennt jedes Kind den wichtigsten Physiker des vergangenen Jahrhunderts. Wer sich von der Physik mehr als nur den Schulpflichtstoff zu Gemüte geführt hat, verbindet den Namen Einstein in erster Linie mit der Relativitätstheorie. Dass er auch in anderen Gebieten der Physik Grosses geleistet hat, gerät gerne in Vergessenheit. Nicht so am Einstein-Symposium vergangene Woche: In 18 Vorträgen wurde seinem vielfältigen Erbe Rechnung getragen.

Von Christian Thalmann

Gravity strikes back! Der Titel und die bunte einführende Weltraum-Animation von Reinhard Genzels Paulivorlesung muten wie eine "Star Wars"-Episode an. Auch die Tatsache, dass das Auditorium Maximum schon früh bis auf den letzten Platz besetzt ist und die Videoübertragung in die beiden ebenfalls gut gefüllten Hilfssäle mindestens so blechern klingt wie Darth Vaders Stimme, wecken Erinnerungen an das Kinospektakel. Nicht ohne Grund will der Münchner Astrophysiker denn auch gleich zu Beginn klarstellen, dass es sich hier um echte Physik und nicht etwa Unterhaltung handle. Seine Forschungsgruppe hat nämlich 2002 zum ersten Mal die Existenz eines Schwarzen Lochs nachgewiesen und somit diese exotischen Gebilde endgültig von der Science Fiction in die Wissenschaft befördert.

Monster im Herzen der Milchstrasse

Schon seit Jahrzehnten vermutete man in den Zentren von Galaxien supermassive Schwarze Löcher. Hinweise dazu gab es bereits: Zum einen liessen die Geschwindigkeiten, mit denen die Sterne einer Galaxie um ihre Mitte kreisten, oft auf eine höhere zentrale Masse schliessen, als man in Form von Sternen beobachtete. Zum anderen lieferten Schwarze Löcher eine plausible Erklärung für die Existenz von Quasaren: Objekte mit der Leuchtkraft von hundert Billionen Sonnen, aber einer räumlichen Ausdehnung von weniger als einem Lichtjahr. Sterne sind schlichtweg zu blass für derartige Kraftakte; wenn jedoch Materie in ein (an sich völlig dunkles) Schwarzes Loch stürzt, wird sie zu derart ultraheissen Strudeln gewrungen, dass sie hundertmal effizienter als bei der Kernfusion in Sternen Energie freigibt.

Der endgültige Existenzbeweis gelang Genzel anhand unserer eigenen Milchstrasse. Mit dem Europäischen Very Large Telescope in Chile und modernster adaptiver Optik entdeckte er Sterne im Innersten der Milchstrasse, die mit irrwitzigen Geschwindigkeiten um ein fixes Zentrum kreisen. Daraus lässt sich direkt auf eine dort versteckte riesige Masse schliessen. Des weiteren weiss man durch Beobachtungen im Radiospektrum, dass die räumliche Ausdehnung des Objekts nicht mehr als zehn Lichtminuten betragen kann. Die daraus errechnete Massendichte passt zu einem Schwarzen Loch, übersteigt jedoch diejenige aller anderen plausiblen Kandidaten um Grössenordnungen.

Die tiefsten Temperaturen im Universum

Über ganz andere Phänomene, die aber gleichwohl mit Einstein in Verbindung gebracht werden, spricht Experimentalphysiker Wolfgang Ketterle vom MIT: das Verhalten von Gasen bei Ultratieftemperaturen. Selbst im endlosen Vakuum zwischen den Galaxien sinkt die Temperatur dank der kosmischen Hintergrundstrahlung nicht unter 2.7 Grad Kelvin. Kühlt man jedoch Rubidium-Atome bis auf ein Milliardstel Grad an den absoluten Nullpunkt heran, taucht man in die fremde Welt der Quantenmechanik ein, und die vertrauten Naturgesetze scheinen nicht mehr zu gelten. Die Atome vereinigen sich zu einem Bose-Einstein-Kondensat.

Wirbelsturm im Wasserglas

Eine gleichermassen interessante wie exotische Eigenschaft solcher Kondensate ist ihre Suprafluidität. Sie können also ohne jede innere Reibung fliessen. Ketterle ist es gelungen, diese Eigenschaft sichtbar zu machen, indem er mit zwei Laserstrahlen Kondensate in Drehung versetzt hat. Das Kondensat bildet nicht etwa einen einzigen Wirbel, wie man erwarten würde, sondern spaltet sich in eine regelmässige Anordnung kleiner "Elementarwirbel" auf, die einander dank der Absenz jeglicher Reibung in keiner Weise gegenseitig stören.


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Langzeitaufnahme der Radioquelle Sagittarius A durch den Satelliten Chandra (heller Fleck). Astronomen vermuten schon länger, dass es sich bei diesem Objekt um ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum unsere Milchstrasse handelt. (Bild Nasa) gross

Ketterles neuste Errungenschaft ist die Bose-Einstein-Kondensation von zweiatomigen Molekülen. Mit einem Magnetfeld kann er diese nahtlos in schwach gebundene Atom-Paare übergehen lassen, ohne die Suprafluidität zu zerstören. Davon erhofft er sich Erkenntnisse über Supraleiter, in denen die Elektronen ähnlich gebundene Paare bilden.

Theory of Everything?

Einstein war an den beiden grössten physikalischen Revolutionen der Neuzeit beteiligt: Der Relativität und der Quantenmechanik. Bis heute sträuben sich diese beiden Theorien jedoch hartnäckig gegen die Vereinigung zu einer einzigen, gesamtheitlichen Theorie der Physik. Eine solche "Theory of Everything" wäre der heilige Gral der theoretischen Physik. Auch Einstein war überzeugt, dass sich die freien Parameter und scheinbaren Willkürlichkeiten der heutigen Physik letztlich als logische Folge von einigen wenigen universellen Elementargesetze und Symmetrien erklären lassen würden.

Nobelpreisträger David Gross schildert eindrücklich, wie Einstein lange Zeit mit Wolfgang Pauli zusammen die Kaluza-Klein-Theorie verfolgte, die den Elektromagnetismus als Folge der Gravitation in einer höher-dimensionalen Raumzeit darzustellen suchte. Dabei vernachlässigte er leider die Quantenmechanik, mit der er sich nie hatte anfreunden können, obwohl sie spektakuläre Erfolge erbrachte – sie schien mit seiner geliebten Relativität nichts zu tun zu haben.

Strange New World

Abschliessend gab Gross einen Ausblick auf den vielversprechendsten modernen Ansatz für eine Theory of Everything: Mit der String-Theorie, einer Tochter der Kaluza-Klein-Theorie, komme die Vereinigung der Naturgesetze in greifbare Nähe. Allerdings prophezeit er auch, dass sie unser Bild der Realität mindestens so nachhaltig auf den Kopf stellen wird, wie es die Quantenmechanik und die Relativität getan haben. Das heutige Konzept der Raumzeit sei vielleicht bald antiquiert, denn die String-Theorie gehe nicht gerade zimperlich damit um. Spannende Aussichten also für die jungen Einsteins von heute und morgen.




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