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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.02.2004 06:00

Neue Einsichten zur Entstehung der Erde
Kern zu Kern

Die Erde entstand durch eine Vielzahl von Kollisionen mit kleineren und grösseren Objekten. Berechnungen des ETH-Forschers Alexander Halliday zeigen nun, dass diese Kollisionen offenbar nicht so abliefen, wie man bisher dachte.

Von Felix Würsten

Wie die Erde genau entstand, das wird man mit direkten Messungen nie rekonstruieren können. Denn die ältesten Gesteine, die man heute findet, sind mindestens 500 Millionen Jahre jünger als die Erde selbst. Die Kosmologen müssen sich deshalb auf Modellrechnungen abstützen, wenn sie die Entstehung der Erde nachbilden wollen. Alexander Halliday, Professor am Institut für Isotopengeologie und Mineralische Rohstoffe der ETH Zürich (1), hat nun kürzlich in der Zeitschrift "Nature" (2) Überlegungen angestellt, die ein neues Licht auf die Frühzeit der Erde werfen. Die gängigen Modelle, so das Fazit von Halliday, müssen zumindest in gewissen Punkten, überdacht werden.

Spuren der Vergangenheit

Heute geht man allgemein davon aus, dass die inneren Planeten - Merkur, Venus, Erde und Mars - aus den Überresten der neu gebildeten Sonne entstanden. In einer sich drehenden Scheibe aus Staub und Gas bildeten sich grössere Brocken, die wiederum miteinander kollidierten und zu grösseren Körpern verschmolzen. Nach und nach entstanden so die einzelnen Planeten. Wie schnell dieser Prozess ablief, ist jedoch nicht ganz klar. Die meisten Modelle kommen zum Schluss, dass die Erde innerhalb von 10 bis 100 Millionen Jahren entstand.

Die Isotopendaten von Gesteinen ermöglichen nun, diesen Prozess genauer zu datieren. Kennt man den grundsätzlichen Mechanismus, kann man zum Beispiel anhand der Zusammensetzung der Bleiisotope in den Gesteinen berechnen, wie schnell sich die Erde gebildet hat. Denn die Bleizusammensetzung, die man heute misst, wurde durch die damaligen Vorgänge massgeblich beeinflusst. Auf ähnliche Weise kann man die Entstehung der Erde auch mit Hilfe der Wolframisotope datieren.

Keine homogene Mischung

Die "Blei-Uhr" und die "Wolfram-Uhr" zeigen nun aber unterschiedliche Alter für die Entstehung der Erde an. Offenbar, argumentiert Halliday, stimmt eine grundlegende Annahme in den Modellen nicht. Bisher ging man davon aus, dass sich die Objekte, die mit der Erde kollidierten, zuerst mit dem äusseren Erdmantel vereinigten. Erst in einem zweiten Schritt sonderte sich dann ein metallischer Erdkern ab. Die beiden "Uhren" wurden dabei auf Null gestellt und sollten aus diesem Grund heute identische Alter anzeigen.

Halliday postuliert nun, dass sich diese Zusammenstösse anders abspielten. Es gab gar keine vollständige Vermischung mit dem Erdmantel; vielmehr verschmolzen die metallischen Kerne der Objekte wegen ihrer höheren Dichte mehr oder weniger direkt mit dem Erdkern. Geht man von einem solchen Kollisions-Mechanismus aus, dann lassen sich die beiden "Uhren" wieder miteinander in Übereinstimmung bringen. Die Erde wäre demnach in rund 50 Millionen Jahren entstanden.


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Der Mond entstand, als der Planet Theia mit der Erde zusammenstiess. Isotopendaten zeigen nun, dass Theia eine ähnliche Zusammensetzung hatte wie der Mars. (Bild Nasa) gross

Verlustreicher Zusammenstoss

Halliday hat in seiner Arbeit aber noch zu einen zweiten Aspekt neue Resultate vorgelegt. Ganz am Schluss der Erdentstehung stiess unser Planet vermutlich mit einem grossen Objekt zusammen, Theia genannt. Heute ist allgemein anerkannt, dass aus dieser gewaltigen Kollision der Mond entstand. (3)Frühere Modellrechungen deuten darauf hin, dass der Mond hauptsächlich aus Material des Planeten Theia besteht. Die Frage ist nun: hatte Theia die gleiche Zusammensetzung wie der Mond?

Halliday ist überzeugt, dass dies nicht der Fall ist. Vergleicht man die Gesteine der Erde, des Mondes und des Mars, dann stellt man einige markante Unterschiede fest. Mondgesteine weisen viel weniger flüchtige Elemente - beispielsweise Rubidium und Kalium - auf als Erdgesteine. Umgekehrt kommen genau diese Elemente in den Gesteinen des Mars viel häufiger vor als auf der Erde.

Mars als Prototyp

Die Isotopendaten zeigen nun, dass Thea eine ähnliche Zusammensetzung hatte wie der Mars. Demnach wurden die Erde und der Mond durch die Kollision chemisch stark verändert; der Zusammenstoss war so energiereich, dass die beiden einen grossen Teil ihrer flüchtigen Elemente verloren haben.

Damit stellt sich allerdings eine andere Frage mit neuer Dringlichkeit: Warum hat es denn auf der Erde so viel Wasser? Eigentlich würde man erwarten, dass die Erde bei der gigantischen Kollision mit Theia nicht nur Rubidium und Kalium verlor, sondern auch Wasser. "Die wirklich spannende Frage ist nicht, ob es auf dem Mars Wasser gibt", meint Halliday, "sondern warum es auf der Erde so viel davon gibt." (4)


Fussnoten:
(1) Homepage des Departements Erdwissenschaften: www.erdw.ethz.ch/
(2) Nature, Vol 427, S. 505-509 (5. Februar 2004)
(3) Siehe dazu ETH-Life Artikel "Mond als Abfallprodukt": www.ethlife.ethz.ch/articles/MondHalliday.html
(4) Siehe dazu ETH-Life Artikel "Woher kommt das Wasser?": www.ethlife.ethz.ch/articles/LatsisNachlese.html



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