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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 11.10.2002 06:00

Chemie-Nobelpreis für ETH-Professor Kurt Wüthrich
"Passioniert, grundehrlich und hochbegabt"

Nobelpreisträger Richard Ernst über Kurt Wüthrich, den neuen Kollegen im Kreis der höchstdekorierten Forscher

Mit Richard Ernst sprach Richard Brogle

Was dachten Sie, als Sie hörten, dass Professor Wüthrich den Nobelpreis für Chemie erhalten wird?

Ich habe mich sehr gefreut, denn ich halte ihn für einen ausgezeichneten Wissenschaftler. Er hat den Preis auf jeden Fall verdient. Ich hätte mich ebenso gefreut, wenn ich den Preis vor elf Jahren mit ihm hätte teilen können.

In der gestrigen Pressekonferenz sagte er, dass nun doch alles gut gekommen ist. War er damals sehr niedergeschlagen?

Er war enttäuscht und ich konnte ihn gut verstehen. Auch ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ein Weggefährte den Nobelpreis erhalten hätte und ich nicht. Als ich damals im Flugzeug die Nachricht erhielt, dass ich Preisträger sein werde, so war meine erste Frage: Mit wem? Und ich war fast sicher, dass nun der Name Wüthrich genannt würde. Aber das war nicht so. Das war unangenehm für ihn und für mich. Ich konnte seine Reaktion besser verstehen als den Entscheid des Nobelpreiskomitees.

Wie erklären Sie sich die damalige Entscheidung?

Meiner Meinung nach wäre es bereits im Jahre 1991 gerechtfertigt gewesen, Herrn Wüthrich den Nobelpreis zu verleihen. Daraus, dass er ihn damals nicht erhalten hat, könnte man schliessen, dass das Komitee mich vor allem für Arbeiten auszeichnete, die ich ohne ihn gemacht habe, obwohl wir zusammen zahlreiche Publikationen veröffentlicht haben. Meine frühen Arbeiten betrafen vor allem die Grundlagenforschung in der Magnetresonanzspektroskopie. Darauf aufbauend hat er dann Methoden für die biomolekulare Strukturbestimmung entwickelt. Es hat sich nun gezeigt, dass diese revolutionären Methoden von enormer Bedeutung geworden sind - besonders bei biomedizinischen Vorgängen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Akademie damals noch zuwarten und sehen wollte, wie sich seine Forschungsresultate auswirken.

Welches ist die praktische Relevanz Ihrer und seiner Forschung?

Als Grundlagenforscher sind wir beide "Werkzeugmacher". Wir stellen anderen Werkzeuge zur Verfügung, mit denen sie anschliessend praxisorientierte Forschung betreiben können. Die von Kurt Wüthrich entwickelte Analysemethode ist heute für die medizinische und pharmazeutische Forschung von grosser Bedeutung. Wüthrich kann selber keine Menschen heilen, aber er stellt den Forschenden ein Verfahren zur Verfügung, mit dem sie neue Pharmazeutika entwickeln können.


Zur Person
Den Nobelpreis, den Richard Ernst 1991 für seine bahnbrechende Forschung im Bereich NMR-Spektroskopie bekam, nutzt er, um sich regelmässig als einer der profiliertesten Kommentatoren der Schweizer Bildungspolitik zu Wort zu melden. "Ich habe mich immer als Werkzeugmacher verstanden," bekennt der emeritierte ETH-Chemieprofessor, der lange in den USA in der Industrie tätig war. Seine Forschung sollte stets in eine sinnvolle Anwendung münden. Die Revolutionen in den exakten Wissenschaften gründeten, so Ernst, vor allem auf der Intuition und Kreativität der Forscher. Kein Wunder, hielten sich bei ihm die Begeisterung für die Chemie undjene für die Kunst seit seiner Jugend die Waage. Eines seiner Erfolgsrezepte: "Wenn ich etwas mache, dann nicht mit halbem Engagement, sondern richtig – alles andere ist Zeitverschwendung."



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Richard Ernst: "Wir beide sind 'Werkzeugmacher' " gross

Er selbst hat revolutionäre Resultate bei der Strukturbestimmung der Prionen erreicht, die für BSE und die Creutzfeldt-Jakob Krankheit von entscheidender Bedeutung sind.

Wie haben Sie Kurt Wüthrich bei der Zusammenarbeit erlebt?

Ich habe ihn als ausserordentlich passionierten, grundehrlichen und hochbegabten Forscher erlebt. Ihm sind höchst selten Fehler bei seiner Arbeit unterlaufen. Er konnte durch Hartnäckigkeit seine Gruppe zu Höchstleistungen anspornen.

Professor Wüthrich will weiterforschen. Da die Schweizer Gesetze eine obligatorische Pensionierung für Professoren mit 65 Jahren vorsehen, geht er in die USA. Sie haben mit 65 aufgehört. Warum?

Zwar war ich mit Begeisterung Wissenschaftler, aber ich kam zum Schluss, dass ich genug für die Forschung geleistet habe und diese nun gern den Jüngeren überlasse. Diese machen es sicher genau so gut oder gar noch besser als ich.

Halten Sie eine Zwangspensionierung für sinnvoll?

Eine generelle Pensionierung für Professoren mit 65 Jahren halte ich für richtig. Junge Forscherinnen und Forscher müssen die Chance erhalten nachzurücken. Aber es sollte die Möglichkeit bestehen, bei herausragenden Personen wie Herrn Wüthrich eine Ausnahme machen zu können. Es darf nicht sein, dass die ETH solche Kapazitäten nur wegen des Alters verliert. Herr Kübler und Frau Dreifuss sollten sich meiner Meinung nach für eine solche Lösung einsetzen.

Womit beschäftigen Sie sich heute, nach der Pensionierung?

Ich habe mich nun meinen anderen Interessen zugewandt, die früher zurückstehen mussten. Insbesondere möchte ich die Wissenschaft als Ganzes betrachten und in Wissenschaftsfragen Verantwortung übernehmen. Weiter interessieren mich Grenzgebiete. Jetzt gerade bin ich in München an einem Kongress mit dem Titel "Unity in duality" und habe heute Nachmittag an einer faszinierenden Gesprächsrunde mit seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama teilgenommen. Es wurden Fragen des interkulturellen Kontaktes und Fragen ethischer Werte, die unserer Gesellschaft langsam aber sicher abhanden kommen, erläutert. Weiter sprachen wir über die Bedeutung der Wissenschaft in Zusammenhang mit Geisteswissenschaften und über Fragen der physischen und psychischer Gesundheit.


Literaturhinweise:
"ETHLife"-Bericht Nobelpreis für ETH-Professor: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/nobelpreis2002.html
Persönliche Homepage von Kurt Wüthrich www.mol.biol.ethz.ch
"ETH Life"-Interview zur Forschung von Kurt Wüthrich www.ethlife.ethz.ch/articles/BSEInterviewmitWthr.html
Nobelpreis-Pressemitteilung der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften: www.nobel.se
Nobelpreis-Pressemitteilung der ETH Zürich: www.cc.ethz.ch



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