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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.04.2001 06:00

Tragisches Ende der Flug-Ära an der ETH
Absturz eines Kleinflugzeugs der ETH

Der am 23. März bei der St. Moritzer Bobbahn abgestürzte Motor-Segelflieger war eine Maschine der ETH. Bei dem Unfall kam der Passagier, ein ETH-Angestellter, ums Leben. Der Pilot, ETH-Assistent, wurde schwer verletzt und schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. Die Unglücksursache ist noch unklar. Zeugen wollen beim Start einen plötzlichen Leistungsabfall beobachtet haben.

Von Norbert Staub

Die Reise verlief wie vorgesehen. Der ETH-Assistent und sein Begleiter, ein bereits pensionierter Werkstattleiter, aber temporär immer noch tätig am ETH-Institut für Mechanische Systeme im Bereich Leichtbau, hatten den Motorsegler vom Typ Schleicher ASK 16 von Interlaken nach Samedan geflogen. Das Flugzeug sollte vom temporären Unterstand im Berner Oberland an den angestammten Flugpatz im glarnerischen Mollis überführt werden. Da der Assistent wie alle Piloten zu einer bestimmten Anzahl Flugstunden pro Jahr verpflichtet ist, um die Fluglizenz zu behalten, entschloss man sich - die Wetterbedingungen waren gut - den Umweg über das Engadin zu machen.

Absturz in unwegsamem Gebiet

Der 36-jährige Assistent am Lehrstuhl von Hans-Reinhard Meyer-Piening, seit sechs Jahren an der ETH, war davor schon begeisterter Flieger. Der ältere Wartungsveantwortliche flog selber zwar nicht, kannte aber die 25-jährige Maschine wie kein zweiter. Kurz nach 14 Uhr nahmen die beiden das Schlussstück in Angriff. Von Samedan aus sollte es über den Julier ins Unterland gehen. Die Sicht im Oberengadin war einwandfrei; es soll jedoch ein recht starker Südwestwind von 15 bis 20 Knoten geherrscht haben - in Samedan, mit 1707 Metern über Meer höchstgelegener Flughafen Europas, ist das jedoch nichts Ungewöhnliches. Die Starterlaubnis wurde erteilt, die Maschine hob Richtung Westen ab. Nur wenige Minuten später, um 14 Uhr 09, passierte es: beim "Horseshoe", der berühmten Steilwandkurve der St. Moritzer Bobbahn, kippte die ASK 16 nach rechts ab und stürzte in ein unwegsames, tief verschneites Waldstück.

Flugfehler oder Probleme beim Material?

Der Pilot überlebte den Absturz mit schweren Verletzungen. Auch der Passagier wurde schwer verletzt. Die Bergung der im völlig zerstörten Flugzeug eingeklemmten Personen erforderte von der ausgerückten St. Moritzer Feuerwehr den Einsatz von Brechwerkzeugen. Zwei Rega-Crews und örtliche Rettungsleute kümmerten sich um die Opfer. Für den Passagier kam die Hilfe jedoch zu spät: er erlag kurze Zeit nach dem Unglück seinen schweren Verletzungen.

Was war geschehen? Beat Margadant, Leiter des Airports Samedan, hatte den Start der Maschine verfolgt: "Nach dem Start flog der Pilot geradeaus", sagt er gegenüber ETH Life. "In der Regel machen schwächere Maschinen wie diese eine Volte, um an Höhe zu gewinnen. Das ist in diesem Fall nicht passiert." - Kann das zu Problemen führen? "Nicht zwingend, aber zur Unglückszeit blies ein recht starker Südwestwind. Die fehlende Höhe könnte sich in der Nähe des St. Moritzer Hügels deshalb mit einer Abwindentwicklung unglücklich verkettet haben."

Plötzlicher Leistungsabfall

Zeugen des Unfalls wollen vor der Rechtsdrehung einen plötzlichen Leistungsabfall des Motors bemerkt haben. Piero Bucci, Untersuchungsleiter vom Büro für Flugunfall-Untersuchungen, vermutet momentan einen Motorstillstand in der Luft: "Beim Absturz war laut Zeugen kein Motorgeräusch zu hören. Und unser Augenschein hat ergeben, dass der Propeller und die Nabenhaube sich beim Aufprall nicht mehr gedreht haben."


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Schleicher ASK 16
Zuverlässige und bewährte Technik: Die Unglücksmaschine vom Typ Schleicher ASK 16. gross

Offensichtlich ist auch dem Tower frühzeitig aufgefallen, dass der Pilot Probleme hatte. "Der Kontrollturm fragte wiederholt, was los sei", so Bucci. "Zuerst kam keine Antwort, beim zweiten Mal hiess es, alles sei in Ordnung."

Ende der ETH-Flugära

Die Stimmung im Bereich Leichtbau am ETH-Institut für Mechanische Systene an der Leonhardstrasse ist spürbar gedrückt. Institutsleiter Hans-Reinhard Meyer-Piening kann sich nicht vorstellen, wie der Unfall passieren konnte. "Ich bin das Flugzeug selbst oft geflogen. Es hat in all den Jahren nie technische Probleme gegeben." Könnte das Alter der Maschine eine Rolle gespielt haben? "Nein," so Meyer-Piening entschieden, "die Holz-Stahl-Konstruktion mit der textilen Rumpfbespannung korrodierte nicht, und der VW-Boxermotor war absolut zuverlässig." Seinen Assistenten schätzt er als sehr erfahrenen Flieger ein. "Vielleicht haben die schwierigen Windverhältnisse eine fatale Kettenreaktion ausgelöst. Man wird die Untersuchungen abwarten müssen."


Das ETH-Flugzeug ASK 16: Vielfältig eingesetzt

"Warum brauchte die ETH überhaupt ein Flugzeug? "Nicht die ETH, sondern der Bund war Besitzer", präzisiert Prof. Hans-Reinhard Meyer-Piening. "Es ging einerseits darum, den Studierenden Probleme der Fluzeugstatik und des Leichtbaus am Gegenstand selbst zu demonstrieren. Dazu musste auch geflogen werden."

Darüber hinaus hat die ETH mit der Maschine für verschiendene Institutionen des Bundes Messflüge vorgenommen: unter anderem für Schadstoffmessungen (Stickstoffoxide, Ozon), Messungen des Feuchtigkeitsgehalts zuhanden des optischen Messwesens und - vor allem in den achtziger Jahren, als das Thema "Waldsterben" in aller Munde war - zwecks Überblicksdarstellungen von Forstgebieten. Damit hat es nun ein Ende. "Wir hatten bereits überlegt, wie wir das Flugzeug loswerden sollen", so Hans-Reinhard Meyer-Piening. Denn mit meinem altersbedingten Rücktritt im kommenden Jahr wird auch das Institut aufgelöst." Mit diesem Unglück hat die Flugära an der ETH ein jähes und tragisches Ende gefunden.



Homepage des Instituts für Leichtbau: http://ilsmacwww.ethz.ch/welcome.html




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