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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.02.2001 06:00

"Muff, Muschel, Messer und andere Sachen"
Borromini, in Streifen geschnitten

Aus Alltag wird Kunst: Dinge und ihre Darstellbarkeit, das hat die scheidende Kuratorin der Graphischen Sammlung der ETH, Eva Korazija, in ihrer Schau "Muff, Muschel, Messer und andere Sachen" zum Thema gemacht. Ein Rundgang.

Von Esther Ramseier

Die Aneinanderreihung von scheinbar nicht zusammenpassenden Wörtern im Titel macht neugierig. Empfangen werde ich im Korridor durch eine Reihe Blätter, mit einem immer gleichen blauen Rechteck in der Mitte. Von weitem betrachtet sieht es aus wie ein Vorhang, der von Blatt zu Blatt weitergeschoben wird, durch einen Streifen den Blick freigibt auf eine dahinterliegende Landschaft und dadurch räumlich wirkt.

Witz und Schock

Tatsächlich hat da doch einer einen Geldschein zerschnitten und die einzelnen Streifen in der richtigen Position über das blaue, für die Banknote stehende Feld geklebt. Witzig, denke ich und betrete erwartungsvoll den Ausstellungsraum. Rechts über mir thront ein sonderbarer Stuhl, Hauptobjekt zweier grosser Siebdruckbilder in Graublau, Gelb und Rot. Stühle laden in der Regel ein, sich niederzulassen - nicht aber dieser; es ist der Elektrische Stuhl, ein Werk von Andy Warhol.

Warhol
Unbehaglicher Anblick: Andy Warhols doppelter "Electric Chair" aus dem Jahr 1971. gross

So sieht also die letzte Sache aus, die ein dem Tod geweihter Mensch sieht, berührt und fühlt. Ich hoffe sehr, dass dieses scheussliche Ding ausrangiert worden ist und wende mich mit Unbehagen ab. Quer durch den Raum zieht sie sich jetzt, die Farbe Rot, aber diesmal einladend, satt und plakativ, in Form einer üppigen "Berner Züpfe".

Glanzlackierter Zeitungsstapel

Weiter hinten in einer Vitrine liegt ein geschnürtes Bündel Zeitungen. Es wartet wohl nicht mehr darauf, von den Papierabfuhr-Leuten weggetragen zu werden, denn es ist knallrot glanzlackiert. Dazwischen unzählige Radierungen, Kupferstiche, Holzschnitte, Feder- und Bleistiftzeichnungen, Aquarelle; ein abwechslungsreiches Sammelsurium quer durch die Jahrhunderte. Die unterschiedlichsten Dinge gibt es da, zum Beispiel ein märchenhaft wirkender Sultan von Melchior Lorch aus dem Jahr 1559 (welche Geschichte erzählen wohl die geheimnisvollen, arabischen Schriftzeichen?), ein Tisch, auf dem ein Handschuh liegt, vor einem Vorhang aus Handschuhen, zwischen denen hindurch ein Krokodil den Betrachtern zublinzelt - eine Arbeit von Max Klinger aus dem Jahr 1881.

Vom "Knüller" zum Knaller

Auch die Muscheln, die urgeformten, schimmernde Meeresschätze - wer sammelt sie nicht - entdecke ich und die "pelzigen" Bilder. Sind es wirklich nur Fellstücke oder huschen gleich ein paar Tiere aus dem Bild davon? Eindeutig nur ein weisses, flauschiges Fellobjekt ist der Muff, der die Hände eines Mannes birgt, der grimmig und mürrisch dreinblickt. An die Wand gelehnt scheint er auf etwas zu warten.


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Sultan Soliman
Märchenhaft: Sultan Soliman, Kupferstich von Melchior Lorch, 1559. gross

Auch zerknülltes Papier wurde in zwei Bleistiftzeichnungen zum Kunstobjekt, "Knüller" nennt der Künstler, Daniel Zimmermann, das Bild. Vom Knüller zum Knaller: ein ca. 50 Zentimeter langer Holzspan in einer gelben Schachtel, genannt "Explosion", ist mit von der Partie, ein Werk des für seinen Hang zum Explosiven bekannten Roman Signer. Er gehört zu den gegenständlichen Stücken in dieser Schau, die bei mir nicht gerade oben auf der Hitliste stehen, doch sie runden das Ganze gut ab.

Rotlackierter Zeitungsstapel
Vom Alltag in die Vitrine: "O. T. 1991" - Rot lackiertes Zeitungsbündel, Multiple von Urs Frei, 1992. gross

Beim Hinausgehen noch ein letzter Blick auf die Bilder mit den abgeklatschten Holzschneidebrettchen, die in einer bunten Reihe (farbig wie das Gemüse, das auf ihnen geschnitten worden ist) die Wand im anderen Korridor zieren.Sie erinnern in keinster Weise ans Kochen, obwohl Messer sichtbare, nun dekorative Spuren hinterlassen haben. Wer hätte gedacht, dass Küchenwerkzeuge so fröhlich und poetisch wirken können.


Zum Abschluss ein Gang durch Jahrhunderte

Die Kuratorin Eva Korazija tritt nach 20-jährigem, grossem Engagement in der Graphischen Sammlung in den Ruhestand. Ihre Gedanken und Zitate im Faltblatt zur Ausstellung beleuchten die Welt der Dinge von verschiedensten Seiten. Zur vertiefen Auseinandersetzung mit dem Thema laden die Vorträge "Kunst am Montagmittag" ein, erstmals heute, am 26. Februar 01, 12.30 Uhr.




Literaturhinweise:
Siehe auch den Text von Eva Korazija zum Ausstellung im "ETH intern" Nr. 5 vom 10. Februar 2001, S. 14.



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