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Rubrik: Tagesberichte |
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"Muff, Muschel, Messer und andere Sachen" Borromini, in Streifen geschnitten |
Aus Alltag wird Kunst: Dinge und ihre Darstellbarkeit, das hat die scheidende Kuratorin der Graphischen Sammlung der ETH, Eva Korazija, in ihrer Schau "Muff, Muschel, Messer und andere Sachen" zum Thema gemacht. Ein Rundgang. Von Esther Ramseier Die Aneinanderreihung von scheinbar nicht zusammenpassenden Wörtern im Titel macht neugierig. Empfangen werde ich im Korridor durch eine Reihe Blätter, mit einem immer gleichen blauen Rechteck in der Mitte. Von weitem betrachtet sieht es aus wie ein Vorhang, der von Blatt zu Blatt weitergeschoben wird, durch einen Streifen den Blick freigibt auf eine dahinterliegende Landschaft und dadurch räumlich wirkt. Witz und Schock Tatsächlich hat da doch einer einen Geldschein zerschnitten und die einzelnen Streifen in der richtigen Position über das blaue, für die Banknote stehende Feld geklebt. Witzig, denke ich und betrete erwartungsvoll den Ausstellungsraum. Rechts über mir thront ein sonderbarer Stuhl, Hauptobjekt zweier grosser Siebdruckbilder in Graublau, Gelb und Rot. Stühle laden in der Regel ein, sich niederzulassen - nicht aber dieser; es ist der Elektrische Stuhl, ein Werk von Andy Warhol.
So sieht also die letzte Sache aus, die ein dem Tod geweihter Mensch sieht, berührt und fühlt. Ich hoffe sehr, dass dieses scheussliche Ding ausrangiert worden ist und wende mich mit Unbehagen ab. Quer durch den Raum zieht sie sich jetzt, die Farbe Rot, aber diesmal einladend, satt und plakativ, in Form einer üppigen "Berner Züpfe". Glanzlackierter Zeitungsstapel Weiter hinten in einer Vitrine liegt ein geschnürtes Bündel Zeitungen. Es wartet wohl nicht mehr darauf, von den Papierabfuhr-Leuten weggetragen zu werden, denn es ist knallrot glanzlackiert. Dazwischen unzählige Radierungen, Kupferstiche, Holzschnitte, Feder- und Bleistiftzeichnungen, Aquarelle; ein abwechslungsreiches Sammelsurium quer durch die Jahrhunderte. Die unterschiedlichsten Dinge gibt es da, zum Beispiel ein märchenhaft wirkender Sultan von Melchior Lorch aus dem Jahr 1559 (welche Geschichte erzählen wohl die geheimnisvollen, arabischen Schriftzeichen?), ein Tisch, auf dem ein Handschuh liegt, vor einem Vorhang aus Handschuhen, zwischen denen hindurch ein Krokodil den Betrachtern zublinzelt - eine Arbeit von Max Klinger aus dem Jahr 1881. Vom "Knüller" zum Knaller Auch die Muscheln, die urgeformten, schimmernde Meeresschätze - wer sammelt sie nicht - entdecke ich und die "pelzigen" Bilder. Sind es wirklich nur Fellstücke oder huschen gleich ein paar Tiere aus dem Bild davon? Eindeutig nur ein weisses, flauschiges Fellobjekt ist der Muff, der die Hände eines Mannes birgt, der grimmig und mürrisch dreinblickt. An die Wand gelehnt scheint er auf etwas zu warten.
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Auch zerknülltes Papier wurde in zwei Bleistiftzeichnungen zum Kunstobjekt, "Knüller" nennt der Künstler, Daniel Zimmermann, das Bild. Vom Knüller zum Knaller: ein ca. 50 Zentimeter langer Holzspan in einer gelben Schachtel, genannt "Explosion", ist mit von der Partie, ein Werk des für seinen Hang zum Explosiven bekannten Roman Signer. Er gehört zu den gegenständlichen Stücken in dieser Schau, die bei mir nicht gerade oben auf der Hitliste stehen, doch sie runden das Ganze gut ab.
Beim Hinausgehen noch ein letzter Blick auf die Bilder mit den abgeklatschten Holzschneidebrettchen, die in einer bunten Reihe (farbig wie das Gemüse, das auf ihnen geschnitten worden ist) die Wand im anderen Korridor zieren.Sie erinnern in keinster Weise ans Kochen, obwohl Messer sichtbare, nun dekorative Spuren hinterlassen haben. Wer hätte gedacht, dass Küchenwerkzeuge so fröhlich und poetisch wirken können.
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Literaturhinweise:
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