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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.05.2005 06:02

Frühjahrstagung 2005 des Instituts für Nutztierwissenschaften
Verdauung – Schlüssel effizienter Ernährung

Die Themen der diesjährigen Fachtagung des Instituts für Nutztierwissenschaften unter dem Titel "Fokus Verdauung - Schlüssel für eine effiziente Tierernährung" sind den neuen Erkenntnissen und Besonderheiten der Verdauung sowie deren strategischer Anwendung bei Schwein, Geflügel und Wiederkäuer gewidmet. Ausgewiesene Referenten werden zu diesen Gebieten Übersichtsreferate halten. Eine vielseitige Posterpräsentation zu aktuellen Forschungsarbeiten ergänzt die Vorträge zum Tagungsthema.

Regina Schwendener

Morgen Freitag, 13. Mai, findet im Rahmen des Jubiläums "150 Jahre ETH Zürich" die traditionelle Frühjahrstagung der Gruppen Ernährung-Produkte-Umwelt des Instituts für Nutztierwissenschaften der ETH Zürich (1) statt. Die diesjährige Tagung wird von den Professoren Michael Kreuzer, Vorsteher des Departements AGRL, und Caspar Wenk geleitet und ist einem sehr wichtigen Gebiet und Ansatzpunkt der Tierernährung gewidmet, nämlich der Verdauung und ihrer Beeinflussung. Professor Wenk wird dabei einleitend fragen: "Ist die Verdauung der Schlüssel für eine effiziente Tierernährung?"

Was heisst Verdauung?

"Hauptaufgabe des Verdauungstraktes mit Speiseröhre, Vormägen beim Wiederkäuer, dem eigentlichen Magen, dem Dünndarm und dem Dickdarm ist, den unverdauten Nahrungsbrei so aufzubereiten, dass die einzelnen Nährstoffe auch absorbiert werden können. Gleichzeitig soll er aber den Körper als wichtigstes Organ des Immunsystems gegen all jene Stoffe schützen, die für den Körper unerwünscht oder toxisch sind", erklärt Caspar Wenk. Zudem diene der Verdauungstrakt als Ausscheidungsorgan diverser Substanzen. Zwischen dem Menschen und den verschiedenen Nutztieren bestünden jedoch grosse Unterschiede in Struktur und Funktionen.

Funktion der Verdauung

Über die Nahrungsaufnahme gelangen die Nährstoffe in den Magen und später in die verschiedenen Darmabschnitte, geht Caspar Wenk auf die Funktion des Darmtrakts ein. Fein regulierte nervale und hormonelle Mechanismen sorgen für die Steuerung der Verdauungsvorgänge wie für die Sekretion der Verdauungssäfte, für die peristaltische Fortbewegung des Nahrungsbreis und anderes. Mit den Verdauungssekreten würde eine Flüssigkeitsmenge in den Verdauungstrakt gelangen, die ein Vielfaches der Nahrungs- und Trinkmenge ausmacht. Somit müssten nicht nur Wasser und Nährstoffe aus der Nahrung absorbiert werden, sondern auch eine bedeutende Menge an abgesonderten Nährstoffen und Wasser resorbiert werden.

In allen Abschnitten des Verdauungstraktes seien im unverdauten Nahrungsbrei Mikroorganismen vorhanden. Ihre Zahl übersteige bei weitem die Zahl der körpereigenen Zellen, so Professor Wenk weiter. "Neben den endogenen Vorgängen ist der Beitrag der Mikroorganismen an den Verdauungsvorgängen besonders in den hinteren Darmabschnitten gross, weil dort die Bedingungen für ihr Wachstum besonders geeignet sind. Speziell hervorzuheben sind hier die optimalen Umweltbedingungen sowie der Faktor Zeit."

Der Verdauungstrakt als dynamisches Röhrensystem. gross

Gesundheit aufrechterhalten

Die Eubiose, beziehungsweise Gesundheit, kann als Zustand eines Gleichgewichtes zwischen verschiedenen Mikroorganismen im Verdauungstrakt betrachtet werden, der für die Tiergesundheit charakteristisch ist, so Caspar Wenk zum Tagungsthema.


Der Darm - grösser als ein Tennisplatz

Der Verdauungstrakt ist neben der Haut und der Lunge ein Organ, das den direkten Kontakt mit der Umwelt darstellt. Bereits ein flächenmässiger Vergleich weist auf die sehr unterschiedliche Bedeutung dieser drei Organe hin. So umfasst beispielsweise die Oberfläche des Menschen nach Meeh (1879) knapp 2 m2. Die Lunge mit ihrem feinen Lungenbläschensystem bietet der eingeatmeten Luft eine Fläche von 80 bis 90 m2 an und der Darm hat mit seinen Zotten und Kleinzotten eine Gesamtoberfläche von mehr als 200 m2 und somit eine grössere Oberfläche als ein Tennisplatz.




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Thema der Frühjahrstagung ist die Verdauung und deren Beleuchtung aus verschiedenen Blickwinkeln.

Das Verhältnis verschiedener Mikroorganismengruppen zueinander sei dynamisch und werde bei Säugetieren und beim Menschen nach der Geburt durch Faktoren der Kolostralmilch (Sekret der Brustdrüsen, das bereits vor und kurz nach der Geburt abgesondert wird) und der transitorischen (späteren) Milch wesentlich geprägt. Verschiedene Faktoren wie Immunglobuline und Nährstoffe seien speziell dafür verantwortlich, aber auch eine grosse Zahl von Faktoren der unmittelbaren und weiteren Umwelt würden die Eubiose beeinflussen. Caspar Wenk konkret: "Von grosser Bedeutung sind zum Beispiel Stressfaktoren wie das Absetzen der Jungtiere von der Mutter, Ernährungsumstellungen oder mögliche Krankheitserreger."

Massnahmen der Tierernährung hätten als erstes Ziel die Bedarfsdeckung der Tiere mit den nötigen Nährstoffen sowie von Energie. Dass aber die Aufrechterhaltung der Eubiose speziell bei Jungtieren von besonderer Bedeutung sei, zeige sich bei den Fütterungsstrategien seit dem Verbot der antimikrobiellen Leistungsförderer in der Schweiz im Jahr 1999.

Die selbständige Einheit Darm

Bei der quantitativen Beurteilung der Verdauungsvorgänge werde üblicherweise davon ausgegangen, dass im Darm absorbierte Nährstoffe als solche über die Pfortader beziehungsweise das Lymphsystem in den Zwischenstoffwechsel gelangen, so der Nutztierwissenschaftler weiter. "Nun ist aber, wie bereits erwähnt, der Darm ein extrem aktives Gewebe, welches selbst grössere Mengen von Nährstoffen umsetzt. Dabei verwendet er jene Nährstoffe, die für ihn am besten zur Verfügung stehen, auch selbst. So konnte beispielsweise Reeds (1998) feststellen, dass gewisse Aminosäuren, die im Darm absorbiert worden sind, nicht in der Pfortader nachzuweisen waren. Dafür war die Menge an gewissen Aminosäuren in der Pfortader wesentlich höher als jene, die über die Nahrung verabreicht worden war." Der Darm müsse somit, laut Wenk, als selbständige Einheit im ganzen Nährstoffkreislauf betrachtet werden, was eine umfassende Beurteilung der Nährstoffversorgung des gesamten Tieres nicht einfach mache. Was Reeds in seinen Versuchen an Ferkeln nachgewiesen hat, stelle eine besondere Herausforderung für die Überprüfung der Bedarfsempfehlungen für Nutztiere dar.

Verdauung in vielen Facetten

In den Referaten wird das Tagungsthema "Verdauung" schliesslich von den Experten aus der Schweiz und Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln erörtert und mit aktuellen Forschungsergebnissen belegt. Professor Ortwin Simon von der Freien Universität Berlin zum Beispiel spricht über die Wechselwirkungen zwischen Darmbakterien, Nahrungsfaktoren und Gesundheit der Tiere, während von ETH-Ernährungsbiologe Hans Peter Pfirter, Professor am Institut für Nutztierwissenschaften, die "Beeinflussung der Verdauungsprozesse und Leistung der Tiere durch technologische Futterbearbeitung" thematisiert wird. Zusammenfassend bestehe für ihn das Ziel der Futterbearbeitung darin, für jede Tierart die optimale Futterform bereitzustellen. Sehr wichtig sei, eine Futterform zu realisieren, die auch für alle Arbeitsabläufe "bis zum Maul des Tieres" günstig ist, ein artgerechtes Fressverhalten gewährleistet sowie geregelte, störungsfreie Verdauungsabläufe unterstützt.

Und Dr. Carla Soliva, Verdauungsphysiologin am Institut für Nutztierwissenschaften, zieht bei ihrem Vortrag zum Thema "Nutritive Steuerung spezifischer Verdauungsprozesse im Pansen" die Schlussfolgerung: Eine Produktivitätssteigerung des Wiederkäuers sei nur dann gewährleistet, wenn die Pansenmikroorganismen optimal ernährt werden. Neben dem Abbau pflanzlicher Zellwände seien die Proteinneubildung und die Vitaminsynthese, die Bereitstellung von Energie für das Wirtstier in Form von flüchtigen Fettsäuren und der Abbau unerwünschter Stoffe im Pansen wesentliche Merkmale der mikrobiellen Fermentation. "Die nutritive Steuerung der Pansenfermentation birgt ein grosses Potential und besitzt, gegenüber Strategien wie Genmanipulation und dem nutritiven Einsatz von Antibiotika, einen grossen Vorteil in der Akzeptanz, nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei den Konsumenten", ist Soliva überzeugt.

Den Schlusspunkt zur Tagung setzt Professor Michael Kreuzer mit einem Blick auf die Positionierung des D-AGRL im neu gegründeten Schulbereich für Erde, Umwelt und Natürliche Ressourcen der ETH (S-ENETH). S-ENETH war der Motor der kürzlich beendeten Jubiläums-Ausstellung am Platzspitz (2), und dort fand besonders der künstliche Pansen grosse Beachtung, also eines der wichtigsten Werkzeuge der Forschung in der Wiederkäuerernährung.


Fussnoten:
(1) Institut für Nutztierwissenschaften: www.inw.agrl.ethz.ch/
(2) "Wissen bewegt Menschen": www.ethlife.ethz.ch/articles/jubil2005/wdwback.html



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