ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 23.05.2002 06:00

Heute 10 Uhr bei ETH Life: ETH-Jahresmedienkonferenz
In die Bildung investieren

Im Jahr 2 nach dem Startschuss zur Studienreform sind Bachelor und Master an der ETH auf gutem Weg. Manch schwieriges Detail gilt es aber noch zu klären, und die Bedenken sind noch nicht alle ausgeräumt. Die ETH-Lehre, ihre Reform und nicht zuletzt ihr Finanzbedarf sind Themen der heute um 10 Uhr stattfindenden ETH-Jahresmedienkonferenz. Diese wird bei ETH Life via Live-Streaming direkt übertragen. Im Vorfeld hat ETH Life mit ETH-Rektor Konrad Osterwalder gesprochen.

Das Interview führte Norbert Staub

Herr Osterwalder, wo steht die ETH bald ein Jahr nach der definitiven Weichenstellung zum zweistufigen Studium mit Bachelor und Master?

Konrad Osterwalder: Wir sind mitten in der ersten Umsetzungsphase. Das Departement ITET (Informationstechnologie und Elektrotechnik) hat bereits im Herbst 2001 umgestellt. Der zweite grosse Schub wird jetzt im Herbst 2002 mit sechs weiteren Departementen kommen, darunter die Chemie, die Materialwissenschaften und die Informatik. Schon die Hälfte der ETH wird dann auf der neuen Schiene sein. Wir mussten die Departemente sogar etwas enttäuschen: sie hätten in die Umstellung gern auch die jetzt Studierenden einbezogen – doch der administrative Aufwand wäre für das Rektorat zu gross geworden.

Was antworten Sie Aussenstehenden, die den Eindruck haben, hier werde für den Einbau eines Zwischenabschlusses namens Bachelor etwas gar viel Aufwand betrieben?

Das ist es eben nicht. Der wirkliche Kern der Reform bringt einen Umbau des gesamten Studiums mit sich. Die Transparenz, Mobilität und Flexibilität soll sich für die Studierenden enorm erhöhen, die Bachelorstufe wird zu einer breiten, grundlagenorientierten Studienphase, und es werden sich auf der Masterstufe ganz neue, interdisziplinäre Kombinationsmöglichkeiten ergeben.

Wo sehen Sie denn momentan noch Probleme?

Sie liegen in der inhaltlichen Bestimmung und stundenplantechnischen Koordination einer Vielzahl von "Fenstern", die den Studierenden bereits auf Bachelor-, aber mehr noch auf Masterstufe offenstehen müssen, um die Vertiefung zu ermöglichen. Das ist sehr anspruchsvoll: solche Fenster müssen departements-intern wie -übergreifend sein und sie müssen je verschiedenen Fachrichtungen Zugang bieten. Gewisse Hürden werden da erst bei der konkreten Arbeit sichtbar. Entscheidend ist: es darf keinesfalls zu einer Versteifung des Systems kommen.

Herr Osterwalder, die ETH ist gezwungen, kurzfristig grössere Millionenbeträge einzusparen. Wie lässt sich ein Projekt wie der Umbau zu Bachelor und Master mit dem wachsenden Spardruck vereinbaren?

Das ist meine grösste Sorge. Es war von Anfang an klar, dass "Bologna" die Hochschulen Geld kostet. Zum einen ist für die Masterprogramme mit einer notwendigen Verbreiterung des Lehrangebots zu rechnen. Zudem verlangt das europäische Kreditpunkte-System (ECTS) für jeden vergebenen Kreditpunkt eine Leistungskontrolle; da sind grosse Mehrbelastungen für den Lehrkörper – vom Assistenten bis zum Professor - absehbar, am extremsten im Bereich GESS, wo im Prinzip jedes Semester sämtliche Studierenden der Schule geprüft werden müssen. Ein weiterer Punkt: dem Rektorat obliegt die gesamte Organisation dieses Prozesses.


weitermehr

eth-rektor konrad osterwalder
"Wir nehmen die Bedenken der Studierenden in Sachen 'Bologna' sehr ernst", sagt ETH-Rektor Konrad Osterwalder. gross

So muss zum Beispiel die Informatik des Studien- und Prüfungsplans komplett neu geschrieben werden. Meine Mitarbeitenden leisten hier mit grossem Enthusiasmus Ausserordentliches, aber es gibt eine Belastungsgrenze. Und schliesslich bedingt unser Wille, auf eine Graduate School mit höchstqualifizierten Masterstudierenden aus der ganzen Welt hinzusteuern, dass Studierenden aus ärmeren Ländern finanziell geholfen wird. Bricht dieser Teil aus Spargründen weg, droht die Vision einer internationalen Graduate School zu einer Luftblase zu werden.

Und die internationale Mobilität, die nötig ist, wenn das neue System spielen soll? Die Hürden für längerfristige Aufenthalte in der Schweiz sind noch immer hoch.

Das ist den Verantwortlichen in der ganzen Schweiz bewusst: die Reform braucht den ungehinderten Grenzverkehr für die Studierenden. Auch auf europäischer Ebene wird das Thema diskutiert: "Bologna" will ja auch aussereuropäische Studierende aus der ganzen Welt anziehen. Ich stelle gerade bei Reisen nach Mittel-Osteuropa fest, dass Deutschland derzeit am entschiedensten Spitzen-Graduierte von dort ins Land holt und diese grosszügig unterstützt. Die Schweiz, die fachlich mindestens gleichviel bietet, kann hier aus politischen, respektive finanziellen Gründen nicht mithalten: und das schmerzt mich.

Die Studierenden der ETH freuen sich mehrheitlich auf Bachelor und Master. Auf schweizerischer Ebene haben sich jedoch jüngst der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und Studierende der Uni Bern gegen "Bologna" gestellt: mit den Argumenten, dass das Studium verschult, ökonomisiert und nur scheinbar flexibilisiert werde. Und die grösste Sorge des VSS: dass auf der Masterstufe - da von den Reglementen unter Umständen als Zweitstudium aufgefasst - die Stipendien ausbleiben könnten. Was sagen Sie hierzu?

Die Rektoren aller Schweizer Hochschulen nehmen die Bedenken der Studierenden ernst. Zum Teil sind es jedoch Probleme, die uns an der ETH weniger berühren als vor allem die Geisteswissenschaften. Für diese bedeutet der Gedanke der Modularisierung von Studium und Leistungskontrolle einen enormen, schwierigen Schritt, und die Gefahr von Verschulung und Niveausenkung ist dort nicht von der Hand zu weisen. Wir stehen in der schweizerischen Projektleitung momentan in einer sehr konstruktiven Diskussion mit den Studierenden. Ich glaube, die Probleme sind lösbar, aber es braucht noch viel Denkarbeit. Die Stipendienfrage beschäftigt auch unsere Studierenden: ich meine, man muss ganz klar festhalten, dass das Erst-Studium nicht mit dem Bachelor, sondern erst mit dem Master zu Ende ist und Stipendien bis zu diesem Zeitpunkt fliessen müssen. Und Stipendien müssen auch ins Ausland transferierbar sein, sonst wird die Mobilität für Minderbemittelte zu einem Problem. Hier ist ein deutliches Wort der für die Stipendien zuständigen Kantone nötig.


Literaturhinweise:
ETH-Life-Bericht zum Schulleitungsentscheid für die Studienreform vom 27.9.2001: www.ethlife.ethz.ch/news/show/
"Irgend ein Bachelor genügt nicht" - ETH-Life-Bericht vom 2./13.7.2001 zur Studienreform: www.ethlife.ethz.ch/interview/show/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!