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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.01.2002 06:00

Nachdiplomstudium für Entwicklungsländer (NADEL)
Der Reiz des Unbekannten

Seit 1970 werden an der ETH Zürich Nachdiplomstudiengänge für Entwicklungszusammenarbeit angeboten. Die Studentin Simone Troller erzählt im Gespräch mit ETH Life von der Ausbildung und ihrer Projektarbeit in Tadschikistan.

Von Michael Corbat

"Der Tag versprach spannend zu werden. Ich hatte meinen ersten Besuch in Kurgan-Teppa geplant, einer Stadt etwa 80 Kilometer südlich der Hauptstadt Dushanbe. Der Hauptanlass dafür war ein Round Table zur Problematik von Gewalt gegen Frauen, den ich im Rahmen eines grösseren Projektes organisierte. Die Stadt wirkte eher etwas verschlafen, mit einer grossen Hauptstrasse auf der sich das Leben abspielte - dieses Merkmal gilt im übrigen auch für die anderen Städte des Landes. Auf dieser Achse befinden sich jeweils auch der Bazar des Ortes, wo sich die verschiedenen Generationen treffen: da ständig dröhnende Technomusik, dort die älteren Bewohner in den traditionellen, langen Kutten und dem Kopfschmuck, welcher die regionale Zugehörigkeit kennzeichnet".

Gezielte Arbeit mit Frauen

So ein kurzer Auszug aus einem der ersten Arbeitsberichte von Simone Troller, die im Rahmen ihres Nachdiplomstudiums NADEL den zur Ausbildung gehörenden Projekteinsatz (vgl. Box) in Tadischikistan leistet. Die 29-jährige Schweizerin hatte ihre Studien an der Universität Fribourg in englischer Literatur und Linguistik sowie russischer Sprache und Literatur 1998 mit "summa cum laude" abgeschlossen und nach verschiedenen Studienaufenthalten in den USA und in Russland im Oktober 2000 das Nachdiplomstudium an der ETH Zürich begonnen.

Bei der OSZE-Mission in Tadschikistan zeichnet Simone Troller zusammen mit lokalen Mitabeiterinnen für den so genannten "Gender"-Bereich verantwortlich. In drei verschiedenen Regionen des Landes - in Khatlon, Rasht und Sughd - bestehen seit rund eineinhalb Jahren Women Support Groups. Diese Gruppen mit insgesamt über 300 Frauen besuchen einmal wöchentlich ein Seminar zu diversen Themen wie Menschenrechte und Rechte der Frauen, Frauen und Islam, Gesundheit, Zugang zu Bildung oder Gewalt gegen Frauen. Die Vision des Projektes ist, die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu stärken und die Frauen gezielt zu einer aktiveren Beteiligung innerhalb ihrer Gemeinschaft zu bewegen.

Von Armut und Krieg gezeichnet

"Das Ziel ist anspruchsvoll. Denn die involvierten Frauen kommen hauptsächlich aus jenen sehr ländlichen Regionen, in denen der Bürgerkrieg stark gewütet hat. Die grosse Mehrheit der Frauen ist alleinerziehend, verwitwet, oft ohne fachliche Ausbildung und ohne regelmässiges Einkommen", erklärt Simone Troller im Gespräch mit ETH life.

tadschikistan landschaft
Karge Landschaft, schwierige Geschichte: Tadschikistan ist ein weitgehend "vergessenes" Entwicklungsgebiet. gross

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie in Tadschikistan aus? Simone Troller: Einen solchen gibt es eigentlich nicht. Meine Tätigkeit umfasst unter anderem viele Treffen, etwa mit Projektmitarbeiterinnen, bei denen wir den Projektverlauf besprechen, das weitere Vorgehen diskutieren oder neue Strategien ausarbeiten. Dazu kommen Koordinationsaufgaben - auch mit anderen NGOs -, die Organisation von Veranstaltungen oder das Erstellen von Reports für das Headquarter.

Welches sind die drängendsten Probleme?

Die Armut ist sicher das grösste Problem. Ausserdem sind die Menschen hier nach dem fünfjährigen Bürgerkrieg, der viele Tausende das Leben gekostet hat, traumatisiert. Wichtige Themen in unserer Arbeit sind die häusliche Gewalt, Frauenhandel, Diskriminierung oder die Polygamie.


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tadschikistan gruppe
Primär die Frauen unterstützen: der Schwerpunkt von Simone Trollers Einsatz in Tadschikistan. gross

Die Problematik dabei ist, dass nur die registrierte Ehefrau, in der Regel ist dies die Erstgeheiratete, Anspruch auf Unterstützung vom Ehemann hat. Zudem können die Frauen meist nicht mehr zu ihren Familien zurückkehren. Sie sind geächtet und stehen sozial auf einer sehr niedrigen Stufe. Schwierig ist aber auch die Finanzierung der verschiedenen Projekte. Tadschikistan geniesst aufgrund der isolierten Lage wenig Aufmerksamkeit.

Nur langsame Fortschritte

Sehen Sie Fortschritte in der Projektarbeit?

In der Entwicklungsarbeit muss man die Erfolge langfristig planen. Kleinere Fortschritte gibt es in unserer Arbeit da und dort. Wenn zum Beispiel eine von uns unterstützte Frauengruppe mit den lokalen Behörden Lösungen in Fragen wie Landbesitz oder Zugang zu medizinischer Versorgung erzielen kann, dann kann das als Erfolg gewertet werden.

Was vermissen Sie in Tadschikistan am meisten?

Mir fehlt vor allem die Bewegungsfreiheit, die in Tadschikistan stark eingeschränkt ist. Nach Einbruch der Dunkelheit muss man sich zu Hause aus Sicherheitsgründen mehr oder weniger einschliessen.

Und welches sind Ihre weiteren Pläne?

Anfang Januar kehre ich von meinem Heimaturlaub nach Tadschikistan zurück. Mein Arbeitsvertrag läuft noch bis Ende März 2002. Was danach geschieht, hängt primär vom Arbeitgeber und von äusseren Umständen ab, etwa ob die OSZE-Mission verlängert wird oder wie sich die politische Situation im Land weiter entwickelt. Eigentlich würde ich meinen Arbeitsvertrag gerne verlängern.

Sicher ist für Simone Troller, dass sie in dieser Region weiter arbeiten will. Vorstellen kann sich die fliessend russisch sprechende Studentin auch, in Ländern wie Afghanistan oder Iran Entwicklungsarbeit zu leisten. "Gerade in islamischen Ländern ist es besonders interessant, mit frauenspezifischen Themen zu arbeiten. Im übrigen fasziniert mich diese Region, die schon immer ein Spielfeld der Grossmächte darstellte, auch bezüglich Geschichte und Kultur."

Das Unbekannte und das Neue, fremde Menschen und Kulturen sind es denn auch, welche für Simone Troller den Reiz ihrer Ausbildung und Arbeit ausmachen. Das NADEL biete hierfür eine ausgezeichnete Gelegenheit. "Der Einstieg in die Entwicklungsarbeit ist grundsätzlich sehr schwierig und entsprechende Stellen sind äusserst rar, zumal bei Jobauschreibungen in der Regel praktische Erfahrung vorausgesetzt wird."


NADEL: Anmeldeschluss 30. April 2002

Das Nachdiplomstudium in Entwicklungszusammenarbeit wird von der ETH Zürich seit 1970 angeboten (bis 1979 unter dem Namen INDEL). Das NDS bereitet Studierende mit einem Hochschulabschluss (oder gleichwertigem Bildungsstand) auf die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern vor. Der nächste Studienzyklus beginnt im Wintersemester 2002 (Anmeldeschluss 30. April 2002) und besteht aus den drei Teilen Studiensemester, Projekteinsatz und Weiterbildungssemester. Das NADEL bietet auch ein umfangreiches Programm berufsbegleitender Weiterbildung für Fachleute der Entwicklungszusammenarbeit an. Die drei- bis fünftägigen Blockkurse können einzeln belegt werden oder, als Paket von 25 Kurstagen, als Nachdiplomkurs (NDK) absolviert werden.




Literaturhinweise:
Weitere Informationen: www.nadel.ethz.ch



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