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Rubrik: Tagesberichte |
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Medienberichte und ein Nationalratsvorstoss sorgen sich ums Gentech-Tierfutter Wirbel um Gentech-Futter |
Letztes Wochenende titelte die Sonntags-Zeitung "Tierfutter: Falsche Gentests sind keine Einzelfälle". Eine Woche davor berichtete sie von "Genmanipulierter Soja in Futtermittel" auf Bauernhöfen, die für die Öko-Labels Naturaplan und M-7 gentechfrei produzieren. Darum reichte SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga laut Sonntags-Zeitung einen Vorstoss zur Warenfluss-Transparenz und zur Deklaration von Gentech-Futter auch bei Fleisch, Milch und Eiern ein. Zwei ETH-Experten stehen dem letzten Montag eingereichten Vorstoss eher skeptisch gegenüber. "Aus der Perspektive der Konsumentinnen reiht sich die unabsichtliche Gentech-Verfütterung in die Meldungen zu BSE oder zur Maul- und Klauenseuche ein, die alle auf die Schwierigkeiten bei der Lebensmittelproduktion hindeuten, auch wenn diese Vorfälle aus naturwissenschaftlicher Sicht drei total verschiedene Sachen sind", vermutet der 33-jährige Alessandro Maranta von der Wissenschaftsforschung der ETH. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Nationalfonds und in seiner Dissertation analysiert er die Öffentlichkeitsbeteiligung im Zusammenhang mit der Deklarationspflicht von Gentech-Lebensmitteln (1). "Dabei prallen zwei Weltanschauungen zusammen: Gentechnologie und der alltägliche Umgang mit Speisen", erläutert er die Problematik. Nichts Reisserischeres Dem heutigen Vorstoss der Konsumentenschützerin Sommaruga steht Maranta allerdings eher skeptisch gegenüber: "Die generelle Gentech-Deklaration von Fleisch, Milch und Eiern ist juristisch gesehen unnötig, weil die gentechfreie Ernährung bereits durch die Bio-Labels abgedeckt ist." Er findet viel eher, dass die Warenflusskontrolle aufgrund der bereits vorgeschriebenen allgemeinen Sorgfaltspflicht verstärkt durchgesetzt werden sollte. Letztere gelte bereits heute für alle, die an der Lebensmittelherstellung und -verteilung beteiligt sind. Die Vorwürfe der Sonntags-Zeitung an die Behörden (2),(3) findet Maranta einseitig, denn es gebe auch eine Selbstverantwortung der Produzenten und Importeure. "Bei diesen sollte ein grösseres Pflichtbewusstsein eingefordert werden, statt neue Gesetze zu beschliessen." Auch ein zweiter ETH-Forscher, der 57-jährige Caspar Wenk, zeigt sich wenig begeistert über den Vorstoss und die Medienberichte: "Die Presse hat um die eher harmlose Verfütterung von Gentech-Soja nur darum eine solche Aufregung gemacht, weil sie nichts Reisserischeres hatte." Wenk ist Professor für Ernährungsbiologie am Institut für Nutztierwissenschaften der ETH. In einem laufenden Forschungsprojekt verfüttert er seinen Hühnern Gentech-Mais und untersucht danach den Abbau des fremden Erbguts im Verdauungstrakt und die Qualität der Endprodukte Fleisch und Eier. Bisher fand seine Forschungsgruppe allerdings noch kein Mais-Erbgut im Fleisch, im Gegensatz zu einer deutschen Studie, die dies im Muskelfleisch nachweisen konnte.(4) Gentech unwichtig für Qualität "Mit grösster Wahrscheinlichkeit gelangen aber keine funktionstüchtigen Gene ins Fleisch", folgert Wenk aufgrund der Kürze der isolierten Erbgutstücke. Eine Fütterung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) wie Soja oder Mais hält er in den Endprodukten Fleisch, Milch und Eier kaum für nachweisbar, weil das fremde Erbgut im Mais nur etwa einen Millionstel ausmache. Die von Sommaruga geforderte Deklaration liesse sich darum im Endprodukt kaum analytisch kontrollieren. "Das Tierfutter beeinflusst in hohem Masse die Produktqualität", bestätigt Wenk, betont aber, dass GVO- oder konventionelles Futter dabei keinen Unterschied mache. Laut Daniel Guidon, dem Leiter des Bereichs Futtermittelkontrolle der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Nutztiere in Posieux (FR), wurden die von der Sonntags-Zeitung angeprangerten Messunterschiede durch neue Reagenzien zur 'Isolierung von Erbgut' verursacht. "Sie hatten dieselbe Bestellnummer bei der Zulieferfirma, extrahierten aber wesentlich reineres Erbgut aus den Sojabohnen", erklärt Guidon die Messdifferenzen. Im ersten Test im August 2000 ergab das aus Südamerika importierte Sojaschrot einen GVO-Anteil von 1,7%. Weil unter dem Futtermittel-Grenzwert von 3% liegend (siehe Kasten), musste das Sojaschrot nicht als gentechnisch verändert deklariert werden. Die zweite Messung derselben Sojaladung führte dann im letzten Februar aufgrund der besseren Extraktion zu einem GVO-Anteil von 17%.
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Teurer Messunterschied Bei einem normalen Landwirtschaftsbetrieb wäre dieser Messunterschied nicht weiter schlimm gewesen, denn die gentechnisch veränderte Soja ist in der Schweiz sowohl als Futter- wie auch als Lebensmittel zugelassen (siehe Kasten). Bei Label-Betrieben wie Naturaplan oder M-7 hingegen garantieren die Grossverteiler eine Fütterung mit unter 3% GVO-Anteil. Die teuer aufgezogenen Label-Produkte müssen nun als konventionelle Produkte zu wesentlich tieferen Preisen verkauft werden. Auch muss das eingelagerte Futter vernichtet werden, da es aus hygienischen Gründen nicht auf einen Hof mit konventioneller Fütterung weiterverkauft werden darf, um allfällige Tierseuchen nicht zu verschleppen. Der durch die Messdifferenz verursachte finanzielle Schaden übersteigt die Millionengrenze. Unbedeutender Fehler Wie gross dürfen Messunterschiede denn sein? "Bei den in GVO-Analysen hauptsächlich verwendeten Real-time PCR-Verfahren liegt die Fehlerquelle bei richtigen Kontrollen und Standards bei maximal +/- 40%", erklärt Urs Pauli, der beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig ist für die Zulassung neuer Gentech-Lebensmittel. Bei einem GVO-Gehalt von 1% würde die Messung also im Bereich zwischen 0,6% und 1,4% liegen. Grössere Ungenauigkeiten entstehen bei höheren GVO-Anteilen, da hierzu keine Standards verfügbar sind. Doch dazu meint Pauli: "Es ist absolut unbedeutend, ob der GVO-Anteil 9% oder 98% ist, weil dieser Wert ja sowieso jenseits der Deklarationslimite liegt." Eine Verbesserung des GVO-Nachweises sieht er in der weiteren Automatisierung und in der Chip-Technologie (siehe Kasten).
Preisgünstig und einfach
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