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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.03.2001 06:00

Medienberichte und ein Nationalratsvorstoss sorgen sich ums Gentech-Tierfutter
Wirbel um Gentech-Futter

Letztes Wochenende titelte die Sonntags-Zeitung "Tierfutter: Falsche Gentests sind keine Einzelfälle". Eine Woche davor berichtete sie von "Genmanipulierter Soja in Futtermittel" auf Bauernhöfen, die für die Öko-Labels Naturaplan und M-7 gentechfrei produzieren. Darum reichte SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga laut Sonntags-Zeitung einen Vorstoss zur Warenfluss-Transparenz und zur Deklaration von Gentech-Futter auch bei Fleisch, Milch und Eiern ein. Zwei ETH-Experten stehen dem letzten Montag eingereichten Vorstoss eher skeptisch gegenüber.

Von Jakob Lindenmeyer

"Aus der Perspektive der Konsumentinnen reiht sich die unabsichtliche Gentech-Verfütterung in die Meldungen zu BSE oder zur Maul- und Klauenseuche ein, die alle auf die Schwierigkeiten bei der Lebensmittelproduktion hindeuten, auch wenn diese Vorfälle aus naturwissenschaftlicher Sicht drei total verschiedene Sachen sind", vermutet der 33-jährige Alessandro Maranta von der Wissenschaftsforschung der ETH. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Nationalfonds und in seiner Dissertation analysiert er die Öffentlichkeitsbeteiligung im Zusammenhang mit der Deklarationspflicht von Gentech-Lebensmitteln (1). "Dabei prallen zwei Weltanschauungen zusammen: Gentechnologie und der alltägliche Umgang mit Speisen", erläutert er die Problematik.

Nichts Reisserischeres

Dem heutigen Vorstoss der Konsumentenschützerin Sommaruga steht Maranta allerdings eher skeptisch gegenüber: "Die generelle Gentech-Deklaration von Fleisch, Milch und Eiern ist juristisch gesehen unnötig, weil die gentechfreie Ernährung bereits durch die Bio-Labels abgedeckt ist." Er findet viel eher, dass die Warenflusskontrolle aufgrund der bereits vorgeschriebenen allgemeinen Sorgfaltspflicht verstärkt durchgesetzt werden sollte. Letztere gelte bereits heute für alle, die an der Lebensmittelherstellung und -verteilung beteiligt sind. Die Vorwürfe der Sonntags-Zeitung an die Behörden (2),(3) findet Maranta einseitig, denn es gebe auch eine Selbstverantwortung der Produzenten und Importeure. "Bei diesen sollte ein grösseres Pflichtbewusstsein eingefordert werden, statt neue Gesetze zu beschliessen."

Auch ein zweiter ETH-Forscher, der 57-jährige Caspar Wenk, zeigt sich wenig begeistert über den Vorstoss und die Medienberichte: "Die Presse hat um die eher harmlose Verfütterung von Gentech-Soja nur darum eine solche Aufregung gemacht, weil sie nichts Reisserischeres hatte." Wenk ist Professor für Ernährungsbiologie am Institut für Nutztierwissenschaften der ETH. In einem laufenden Forschungsprojekt verfüttert er seinen Hühnern Gentech-Mais und untersucht danach den Abbau des fremden Erbguts im Verdauungstrakt und die Qualität der Endprodukte Fleisch und Eier. Bisher fand seine Forschungsgruppe allerdings noch kein Mais-Erbgut im Fleisch, im Gegensatz zu einer deutschen Studie, die dies im Muskelfleisch nachweisen konnte.(4)

Gentech unwichtig für Qualität

"Mit grösster Wahrscheinlichkeit gelangen aber keine funktionstüchtigen Gene ins Fleisch", folgert Wenk aufgrund der Kürze der isolierten Erbgutstücke. Eine Fütterung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) wie Soja oder Mais hält er in den Endprodukten Fleisch, Milch und Eier kaum für nachweisbar, weil das fremde Erbgut im Mais nur etwa einen Millionstel ausmache. Die von Sommaruga geforderte Deklaration liesse sich darum im Endprodukt kaum analytisch kontrollieren. "Das Tierfutter beeinflusst in hohem Masse die Produktqualität", bestätigt Wenk, betont aber, dass GVO- oder konventionelles Futter dabei keinen Unterschied mache.

Laut Daniel Guidon, dem Leiter des Bereichs Futtermittelkontrolle der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Nutztiere in Posieux (FR), wurden die von der Sonntags-Zeitung angeprangerten Messunterschiede durch neue Reagenzien zur 'Isolierung von Erbgut' verursacht. "Sie hatten dieselbe Bestellnummer bei der Zulieferfirma, extrahierten aber wesentlich reineres Erbgut aus den Sojabohnen", erklärt Guidon die Messdifferenzen. Im ersten Test im August 2000 ergab das aus Südamerika importierte Sojaschrot einen GVO-Anteil von 1,7%. Weil unter dem Futtermittel-Grenzwert von 3% liegend (siehe Kasten), musste das Sojaschrot nicht als gentechnisch verändert deklariert werden. Die zweite Messung derselben Sojaladung führte dann im letzten Februar aufgrund der besseren Extraktion zu einem GVO-Anteil von 17%.

Gensoja
In der Schweiz seit 1996 als Futter- und Lebensmittel zugelassen: Die Gentech-Bohne "Roundup-Ready".


Gentech-Soja

Aufgrund ihres hohen Eiweissgehalts gehört Soja zu den wichtigsten Kulturpflanzen. Weltweit werden jährlich 130 Millionen Tonnen Soja produziert. Sie wird hauptsächlich als Futtermittel und als Nahrungsmittelzusatz in bis zu 30'000 Lebensmitteln verwendet.

Um den Ernteertrag zu optimieren und den Einsatz von Unkrautvertilgungsmitteln zu reduzieren, entwickelte der amerikanische Agro-Konzern Monsanto zu Beginn der neunziger Jahre mittels Gentechnik eine gegen das Spritzmittel "Roundup" widerstandsfähige Sojabohne, die sogenannte "Roundup-Ready". In den USA werden mittlerweile über die Hälfte der Anbauflächen mit GVO-Soja angebaut. In Argentinien sind es laut Greenpeace sogar über 80%.

Jährlich werden gegen 14 Millionen Tonnen Soja aus den USA nach Europa importiert. Zwar ist die gentechnisch veränderte "Roundup-Ready"-Bohne in der EU und seit 1996 auch in der Schweiz zugelassen. Seit 1999 wird aber eine Deklaration verlangt, sobald der GVO-Anteil den Grenzwert von 1% bei Lebensmitteln und 3% beim Tierfutter übersteigt (5),(6). Die Absicht dieser Deklaration ist nicht etwa der Gesundheitsschutz, sondern primär der Täuschungsschutz, der den Konsumenten die "wahre Beschaffenheit" transparent machen soll.




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MarantaWenk2
Der Wissenschaftsforscher Alessandro Maranta (links) und der Ernährungsbiologie-Professor Caspar Wenk stehen dem neuen Deklarationsvorstoss eher skeptisch gegenüber. gross

Teurer Messunterschied

Bei einem normalen Landwirtschaftsbetrieb wäre dieser Messunterschied nicht weiter schlimm gewesen, denn die gentechnisch veränderte Soja ist in der Schweiz sowohl als Futter- wie auch als Lebensmittel zugelassen (siehe Kasten). Bei Label-Betrieben wie Naturaplan oder M-7 hingegen garantieren die Grossverteiler eine Fütterung mit unter 3% GVO-Anteil. Die teuer aufgezogenen Label-Produkte müssen nun als konventionelle Produkte zu wesentlich tieferen Preisen verkauft werden. Auch muss das eingelagerte Futter vernichtet werden, da es aus hygienischen Gründen nicht auf einen Hof mit konventioneller Fütterung weiterverkauft werden darf, um allfällige Tierseuchen nicht zu verschleppen. Der durch die Messdifferenz verursachte finanzielle Schaden übersteigt die Millionengrenze.

Unbedeutender Fehler

Wie gross dürfen Messunterschiede denn sein? "Bei den in GVO-Analysen hauptsächlich verwendeten Real-time PCR-Verfahren liegt die Fehlerquelle bei richtigen Kontrollen und Standards bei maximal +/- 40%", erklärt Urs Pauli, der beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig ist für die Zulassung neuer Gentech-Lebensmittel. Bei einem GVO-Gehalt von 1% würde die Messung also im Bereich zwischen 0,6% und 1,4% liegen. Grössere Ungenauigkeiten entstehen bei höheren GVO-Anteilen, da hierzu keine Standards verfügbar sind. Doch dazu meint Pauli: "Es ist absolut unbedeutend, ob der GVO-Anteil 9% oder 98% ist, weil dieser Wert ja sowieso jenseits der Deklarationslimite liegt." Eine Verbesserung des GVO-Nachweises sieht er in der weiteren Automatisierung und in der Chip-Technologie (siehe Kasten).

biochip
Die Biochip-Technologie hat sich bereits in der Toxikologie und in der Erkennung von Antibiotika-Resistenzen in Spitälern bewährt. gross

Preisgünstig und einfach


Gentech-Kontrolle durch Biochips?

Um Importe, Warenflüsse und GVO-Deklarationen besser zu kontrollieren, hat die EU-Kommission zu Jahresbeginn ein Forschungsprojekt zum GVO-Nachweis gestartet. Dabei wird auf die neue Biochip-Technologie gesetzt, die sich in Pilotstudien bereits in der Toxikologie und zur Erkennung von Antibiotika-Resistenzen in Spitälern bewährte.

Der Test-Chip selbst besteht aus einem Glasträger (Bild oben) oder einer CD-ROM, auf die Gegenstücke zum gesuchten Erbgut geklebt werden. Ein Roboter verteilt die Untersuchungssubstanz in kleinen Tröpfchen auf dem Chip. Auf einem Quadratzentimeter können über 400 Einzeluntersuchungen durchgeführt werden - genügend, um die häufigsten GVO in Lebensmitteln zu erkennen. Wenn die Untersuchungssubstanz GVO-Erbgut enthält, bindet diese an ihre Gegenstücke auf dem Chip, was zu einem Fluoreszenzsignal führt. Die Intensität des Signals ist ein Mass für den GVO-Anteil in der Untersuchungssubstanz. Die Auswertung der Signale erfolgt im umgebauten CD-Laufwerk eines PCs. Wenn sich der Biochip direkt auf der CD-ROM befindet, so können auf der CD gleichzeitig Informationen über die gebundene Erbsubstanz maschinenlesbar abgespeichert werden.

Sobald in grösseren Mengen produziert, käme ein solcher GVO-Chip nach Berechnungen der Entwicklerfirma AAT noch auf rund 15 Euro zu stehen (rund 23 Franken). Damit könnte ein Lebensmittel oder Tierfutter in einer halben Stunde Untersuchungszeit auf die meisten gentechnischen Veränderungen getestet werden. Weil sehr einfach und preisgünstig, eignet sich der Biochip speziell auch für schlecht ausgerüstete Labors in Entwicklungsländern.

"Momentan wird in der GVO-Analyse noch hauptsächlich mit Real-time PCR-Verfahren gearbeitet", erklärt Urs Pauli vom BAG. Doch der Trend gehe weiter in Richtung Automatisierung und Chip-Technologie. "Letztere wird noch ein paar Jahre Entwicklungszeit brauchen, bis sie routinemässig für die GVO-Analyse verwendet werden kann", prophezeit Pauli, "doch es ist klar, dass in die Chip-Technologie einige Arbeit investiert werden sollte."

Die Fachstelle BATS plant auf Herbst einen Überblicks-Report über den aktuellen Stand und die Zukunft der verschiedenen GVO-Detektionsmethoden. Weitere Informationen über das Biochips-Projekt der EU finden sich unter von www.GMOchips.org(7)




Fussnoten:
(1) Kohler, S. und Maranta, A.: "Regulation von gentechnisch veränderten Lebensmitteln: Die revidierte schweizerische Lösung im internationalen Kontext." , Aktuelle Juristische Praxis AJP/PJA (11). 1402-1425. www.wiss.ethz.ch/docs/maranta/gvoart.pdf
(2) Sonntags-Zeitung vom 11. März 2001: "Genmanipulierte Soja in Futtermittel" www.sonntagszeitung.ch/sz/szArtikelPrint?ArtId=77416
(3) Sonntags-Zeitung vom 18. März 2001: "Tierfutter: Falsche Gentests sind keine Einzelfälle" www.sonntagszeitung.ch/sz/szArtikelPrint?ArtId=79368
(4) Eur. Food Res. Technol. 212, 129-134 und NZZ Nr.61 vom 14. März 2001, S.77: "Effiziente Entsorgung von Fremd-Genen" http://archiv.nzz.ch/books/nzzmonat/0/$78XB6$T.html
(5) Gentechnisch veränderte Organismen und daraus gewonnene Erzeugnisse: www.admin.ch/ch/d/sr/817_02/a22b.html
(6) Deklaration gentechnisch veränderter Futtermittel: www.admin.ch/ch/d/sr/916_307/a23.html
(7) Weitere Informationen zum Biochip-Projekt der EU: www.gmochips.org/introduction/



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