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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 21.03.2003 06:00

Mit der „Transsib“ nach Tokio: Etappenziel Baikalsee
See der Superlative

Die Zürcher Studierenden-Gruppe „Project21“ hat auf ihrer Reise zum Jahresmeeting der „Alliance for Global Sustainability“ in Tokio nach der ersten Etappe Moskau (1) nun Sibirien erreicht. Dort machte sie Halt am riesigen Baikalsee, einem einzigartigen und - noch - intakten Ökosystem.

Von Michel Haller

Kurz nach sechs Uhr morgens, Das Thermometer zeigt 15 Grad unter Null. Von Irkutsk aus fahren wir dem Angara-Fluss entlang, um die Perle Sibiriens, wie der Baikalsee von den Russen liebevoll genannt wird, zu erleben. Nach einer knappen Stunde Fahrt erreichen wir den Ort, an dem die Angara unter dem mächtigen Eispanzer des Sees hervorsprudelt. Vor uns breitet sich eine weisse Ebene aus, die sich über 630 Kilometer Länge und 86 Kilometer Breite erstreckt: der Baikalsee.

Schienen überm Eis

Wir halten an und lassen die Aura auf uns einwirken, die dieser Ort ausstrahlt. Bei klirrender Kälte und strahlend blauem Himmel treffen wir im Fischerdorf Listwjanka ein. Wie magisch angezogen stürzen wir uns auf die Eisfläche. Das Licht der Sonne bricht sich in den unzähligen Rissen und verrät uns, dass das Eis über einen Meter dick ist. Eis und Wasser sind glasklar, so dass man teilweise den Grund des Sees erkennen kann.

"Perle Sibiriens": Hier sprudelt der Fluss Angara unter dem Eispanzer des Baikalsees hervor. gross

Wir beginnen zu verstehen, warum die Russen sich so sehr mit dem Baikalsee verbunden fühlen. Schlittschuhläuferinnen, Hundeschlitten, Seitenwagen, Pferdekutschen, Autos und auch Lastwagen bewegen sich auf der spiegelglatten Fläche. Während des Kriegs gegen Japan im Winter 1904 verlegten die Russen sogar Schienen über den See, um mit der Eisenbahn Truppen und Munition schneller an die Front zu bringen. Doch die schwere Lokomotive brach ein und versank in der Tiefe. Also setzte man Pferde ein, um Wagen und die zerlegte Lokomotive auf den Schienen über den See zu ziehen.

Das Project21-Team am Eappenziel. gross

Forschungsobjekt der ETH

Wohl gibt es Seen, die eine grössere Fläche aufweisen als der Baikalsee, keiner jedoch erreicht seine sagenhafte Tiefe von 1637 Metern. Zugleich birgt er etwa 20 Prozent der weltweiten Süsswasserreserven und ist mit Abstand der älteste See der Welt. Tektonische Bewegungen entlang einer kontinentalen Rift-Zone führten vor über 20 Mio. Jahren zum Auseinanderdriften zweier Platten und schufen damit diesen See der Superlative.


Nachhaltig Reisen

Ende März findet in Tokio das diesjährige Treffen der Partneruniversitäten der "Alliance for Global Sustainability" (AGS) statt. Bereits dorthin aufgemacht haben sich von ETH-Seite Studierende, die in der AGS engagiert sind. Sie reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn, werden bei verschiedenen Aufenthalten ihrer Asienreise Fragen der Nachhaltigkeit studieren und in ETH Life laufend darüber berichten.




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Über einen Meter dick: das Eis des Baikalsees ist genug stark, um auch einen "Lada" zu tragen. gross

Seit seiner Entstehung hat sich auf dem Grund eine 7’000 Meter dicke Sedimentschicht abgesetzt. Dreiviertel der 2’000 beschriebenen Tierarten des Baikalsees sind endemisch. Die weltweit einzige Süsswasserrobbe, die von den Einheimischen Nerpa genannt wird, sowie der Omul, ein leckerer Speisefisch, gehören zu den bekanntesten dieser Arten.

Das Wasser ist von ausgezeichneter Qualität und ohne Aufbereitung trinkbar. Erstaunlich ist auch, dass das Wasser am Grunde des Sees trotz dessen Tiefe noch sauerstoffreich ist. Dies ist einer der Gründe, weshalb Wissenschaftler der ETH und der EAWAG mehrere Forschungsexpeditionen zum Baikalsee unternommen haben. Die Verknappung der weltweiten Trinkwasserressourcen trägt das ihre dazu bei, dass sich die internationale Forschergemeinschaft rege für diesen See interessiert, der seit 1996 als „UNESCO Natural World Heritage Site“ anerkannt ist.

Reges Markkttreiben auf dem Eis: Der Baikalsee bei Listwjanka. gross

Wir haben Glück. Bei unserem Besuch in Listwjanka herrscht reges Treiben, denn das Dorf bereitet sich auf seine ersten Winterspiele vor. Als wir uns vom See her dem Dorfplatz nähern, werden wir von Dampfschwaden und Rauchwolken eingehüllt. Langsam erkennen wir eine Vielzahl von Ständen, an welchen gegrillter oder geräucherter Omul feilgeboten wird. Vom Spaziergang und der Kälte ausgehungert, stürzen wir uns auf diese Spezialitäten. Nebenan bereiten Einheimische gemütlich und fein säuberlich Tischtuch und Berge von Köstlichkeiten auf der Kühlerhaube ihrer Autos aus. Die Blasmusik hören sie nur von der Ferne, und die ersten Proben der jungen Tänzerinnen für die abendliche Show verpassen sie ganz. Auch wir müssen auf die Eröffnungszeremonie verzichten, da wir noch das Museum des limnologischen Instituts des Baikalsees besuchen wollen.

Bescheidene Präsentation

Den internationalem Ruhm des Instituts sieht man dem lottrigen Gebäude wahrlich nicht an. Erwartungsvoll betreten wir das Untergeschoss, wo das Museum des Baikalsees untergebracht ist. Dort zeigt man uns in Formaldehyd konservierte Fische, ein vergilbtes Modell des ersten Fährschiffes und einen alten Videofilm der einzigartigen Flora und Fauna des Sees.

Wir sind ziemlich enttäuscht über den veralteten, eher zufällig ausgewählten und sehr dürftigen Informationsgehalt der Ausstellung. Wissen wir doch, dass man mit der bewegten Geschichte der Region, dem Wissen über dieses einzigartige Ökosystem und den diversen aktuellen Forschungsprojekten ohne weiteres eine spannende und ansprechende Ausstellung machen könnte, für die das ganze Institutsgebäude zu klein wäre. Sicher ist es auch ein Glück für den See, dass er noch nicht von Touristenströmen überflutet wird. So darf man hoffen, dass seine kaum berührte Natur und sein glasklares Wasser noch lange erhalten bleiben wird.


Literaturhinweise:
AGS Website der ETH: www.ags.ethz.ch
Website des Vereins "myclimate", der die Reise mit vorbereitet hat: www.climateticket.org

Fussnoten:
(1) Siehe den ersten Reisebericht der Gruppe in ETH Life ("NGO in schwierigem Umfeld"): www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/AGSReiseMoskau.html sowie den Auftaktartikel zur Reise ("Rollender ETH-Thinktank"): www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/agsproject.html



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