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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.03.2004 06:00

Forschungsexpedition im Nordatlantik – Teil 1
Frühjahrsblüte im Ozean

Algenblüte im Ozean – ein Grund für den Meeresgeologen Ralf Schiebel, jedes Jahr wieder mit einem Forschungsschiff in See zu stechen. „ETH Life“ traf den ETH-Forscher kurz vor der Abreise. Er wird in den kommenden Wochen von seinen Erlebnissen auf hoher See berichten.

Von Edith Oosenbrug

Der Ozean ist die grüne Lunge der Erde. In jedem Frühjahr wandert eine Algenblüte mit steigendem Sonnenstand von den Tropen in Richtung polarer Breiten. Frühjahrsstürme sorgen dafür, dass Nährstoffe wie Nitrat und Phosphat aus den tiefen Wasserschichten an die Oberfläche des Ozeans transportiert werden. Dort wird innert weniger Tage mehr Biomasse aufgebaut als auf vergleichbaren Flächen des tropischen Regenwalds.

Forschung auf hoher See

Um diese ozeanische Frühjahrsblüte zu untersuchen, ist das Forschungsschiff FS Poseidon (1) am 6. März vom norddeutschen Bremerhaven mit dem Ziel Madeira ausgelaufen. Am 22. März wird sie im Hafen von Funchal eintreffen. Wissenschaftlich wird die Expedition von Ralf Schiebel vom Geologischen Institut der ETH Zürich (2) geleitet. Mit dabei sind auch drei MitarbeiterInnen von der ETH sowie weitere Forscher aus Kiel und Warnemünde.

Mit dem Forschungsschiff FS Poseidon sind die ETH-Forscher drei Wochen unterwegs. Bild: IFM GEOMAR (1). gross

Ein Ziel der Forschungsfahrt ist das zentrale Madeirabecken westlich von Madeira: Dort wird eine Langzeitverankerung des Kieler Instituts für Meeresforschung (3) ausgetauscht. An dieser Verankerung sind Messinstrumente installiert, die während des letzten Jahres hydrographische Daten und Sedimentproben gesammelt haben. Sie ergänzen einen ozeanographischen Datensatz der letzten 20 Jahre. „Die neuen Daten und Proben sollen zu einem besseren Verständnis des marinen Stoffumsatzes beitragen", erklärt Schiebel.

Während der Fahrt nach Süden messen die Wissenschafter auf 20 Grad westlicher Länge etwa alle 24 Stunden Salzgehalt und Temperatur bis in grosse Wassertiefen. Ausserdem nehmen sie Wasserproben, die sie filtrieren und nach der Rückkehr an die ETH am Rasterelektronen-Mikroskop (4) auf Algen untersuchen. Von besonderem Interesse sind dabei Coccolithophoriden, Kieselalgen und Dinoflagellaten. Eine integrierte Studie dieser drei wichtigen Algengruppen wurde bisher weltweit noch nicht so detailliert durchgeführt. Die Sukzession dieser Primärproduzenten ist aber schon lange als „Margalefs Mandala“ bekannt und bildet die Grundlage der höheren Nahrungskette.

Algen als Klimaindikatoren

„Neben der biologischen Bedeutung für die Nahrungskette sind die Algen auch für die Produktion von Sauerstoff und Treibhausgasen von Bedeutung“, erklärt Schiebel. So wird von den Coccolithophoriden das klimarelevante Gas Dimethylsulfid (DMS) gebildet. Bei der Abscheidung von winzigen Kalkplättchen, den Coccolithen, wird ausserdem Kohlendioxid freigesetzt. Diatomeen und Dinoflagellaten entziehen dem Meerwasser wiederum Kohlendioxid. Die im Oberflächenwasser produzierten Gase gelangen in die Atmosphäre. „Gerät dieses System aus dem Gleichgewicht, kann das verschiedene positive und negative Rückkoppelungen bewirken“, meint der Meeresgeologe.

Eine genaue Kenntnis der Algensukzession ist daher für die Klimaforschung von grösstem Interesse, um die anthropogenen Einflüsse abzuschätzen und die mittelfristigen Klimavariabilität zu erfassen.


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Die ETH-Crew kurz vor der Abreise. V.l.n.r.: Ursi Brupbacher, Hsin-chi Lan, Ralf Schiebel. gross

Als Klimaindikatoren sind diese Algen aber auch über vergangene Epochen von grosser Aussagekraft: Algen reagieren sensibel auf Schwankungen von Temperatur, Sonnenstrahlung und Nährstoffkonzentrationen und dienen so als paläoozeanographische Untersuchungsobjekte.

Farbiger Ozean

Damit die Forscher nicht im Trüben fischen, überprüfen sie täglich den Chlorophyllgehalt der Wasseroberfläche. Über eine Internetseite stehen globale Bilder des Satelliten SEAWIFS zur Verfügung (5). Die Bilder zeigen die Farben des Ozeans und damit den Chlorophyllgehalt. Dadurch können Planktonblüten schnell lokalisiert und vom Forschungsschiff gezielt angefahren werden. Diese satellitengestützte „Fernsteuerung“ des Schiffes wird von daheimgebliebenen Kollegen an der ETH übernommen.

Eine Seefahrt, die ist lustig…?

Für Schiebel ist es die 15. grosse Forschungsfahrt. Insgesamt war er über ein Jahr auf dem Meer. "Natürlich gibt es da zwischendurch auch langweiligere Tage. Doch ich sitze gerne mal eine Stunde auf Deck und schaue aufs Meer hinaus“, meint Schiebel. Ausserdem sei gutes Essen wichtig, da die Forscher sonst wenig Ablenkung haben: „Wenn das Essen nicht gut ist, gibt’s eine Meuterei!“ lacht er.

Karte des Satelliten SEAWIFS am 6. März 2004: Grün-orange Farben bezeichnen Gebiete mit viel Chlorophyll. Dunkelblau bedeutet „ozeanische Wüste“, weiss Bewölkung. Bild: SEAWIFS (5).

Erzählt Schiebel von den Erlebnissen auf seinen Fahrten der vergangenen zehn Jahre, könnte man als Aussenstehender schon neidisch werden. Doch: „Seien Sie froh, dass Sie nicht mitkommen“, entgegnet Schiebel. „Das wird erst mal gar nicht so lustig: Das Frühjahr ist im Nordatlantik die Zeit der Stürme. Der 'blanke Hans' könnte bei einigen von uns Seekrankheit verursachen!“ Aufgrund von Sturmwetterlagen fallen nicht nur die Seekrankheit sondern auch die Frühjahrsblüten der verschiedenen Jahre sehr unterschiedlich aus. „Aus Langzeitbeobachtungen wissen wir aber, dass die Blüten immer einem ähnlichen Muster folgen“, so Schiebel. „Dessen Feinheiten gilt es hier zu ermitteln.“

In den kommenden Wochen wird Ralf Schiebel in "ETH Life" von der Forschung und den Erlebnissen der ETH-Crew an Bord der FS Poseidon berichten. Wir sind gespannt!


Fussnoten:
(1) Forschungsschiff FS Poseidon: www.ifm.uni-kiel.de/ze/zs/poseidon.htm
(2) Geologisches Institut der ETH Zürich: www.erdw.ethz.ch
(3) Kieler Institut für Meeresforschung (IfM GEOMAR): www.ifm-geomar.de/
(4) Arbeitsgruppe Prof. Thierstein: www.erdw.ethz.ch/professur.cfm?language=1&ID_pr=3225
(5) SEAWIFS: http://seawifs.gsfc.nasa.gov/cgi/seawifs_subreg_l2.pl



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