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Rubrik: Tagesberichte |
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Terrorismus-Expertenkonferenz an der ETH Terror kommt näher |
An der ETH haben sich letzte Woche hochkarätige Terrorismus-Experten aus mehr als zehn Ländern, darunter den USA, Deutschland, Israel und der Schweiz, über Möglichkeiten und Chancen der Terror-Bekämpfung diskutiert – aus Sicherheitsgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Problem sei ein globales und könne deshalb nur mit vereinten Kräften angegangen werden, so der Tenor des Treffens. Von Norbert Staub Nicht nur Spanien, ganz Europa habe jetzt seinen „11. September“, war nach den verheerenden Bombenanschlägen vom 11. März in Madrid wiederholt zu lesen. Das Attentat führte der Ersten Welt jedenfalls vor Augen, dass sie im Bezug auf dieses neuartige Bedrohungsbild keine Insel der Verschonten ist. Kein neues Phänomen Politische Gewalt sei auch in unseren Breiten kein neues Phänomen, sagt Andreas Wenger, ETH-Professor für Sicherheitspolitik und zusammen mit Dr. Doron Zimmermann Initiator einer internationalen Konferenz von Terrorismusabwehr-Experten vergangene Woche an der ETH. „Neu ist aber, dass Terrorismus global operiert, dass terroristische Attacken auf grösstmögliche Opferzahlen zielen und dass die Täter in diffusen Netzwerkstrukturen organisiert sind.“ Seit dem 11. September 2001, so Wenger, sei Terrorismus ein transnationales Problem. „Die Staatenwelt kann deshalb auch nur gemeinsam etwas dagegen tun.“ Dies, sagt Wenger, war auch der Konsens der Konferenzteilnehmer.
Den Kaida-Terror hat die UNO unter Führung der USA mit einem Sanktionsregime, mit militärischem Vorgehen gegen die Ausbildungslager in Afghanistan und mit spektakulären Fahndungserfolgen wohl eingeschränkt. „Aber die Ideologie hat überlebt und bleibt damit gefährlich“, meint Wenger. Der Einfluss des gewaltbereiten, radikal-islamistischen Denkens habe in bisher mehrheitlich lokal operierenden Gruppierungen auf der ganzen Welt massiv zugenommen.
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Erst Ansätze gemeinsamen Vorgehens Die einmütige Empörung der Staatengemeinschaft gegenüber dem Terrorismus täuscht darüber hinweg, dass das Phänomen längst nicht überall gleich wahrgenommen wird. Wenger: „Die Konferenz an der ETH hat deutlich gemacht: Staaten, welche politische Gewalt auf ihrem Territorium erlebt haben, sind sensibilisierter und verfügen über wirkungsvollere rechtliche sowie polizeilich-militärische Mittel im Kampf gegen den Terror als bisher verschonte.“ Ebenfalls gezeigt habe sich, dass es erst Ansätze für ein internationales Anti-Terrorkonzept gibt. Vordringlich sei die Verbesserung der nachrichtendienstlichen Kooperation. Eine heikle Sache, so Wenger, „da bei grenzüberschreitendem Austausch der Quellenschutz ins Visier gerät. Ohne diesen könnten die Nachrichtendienste ihren Job aber nicht machen.“ Die Zusammenarbeit westlicher Geheimdienste funktioniere, woran es mangle, seien tragfähige Kooperationen des Westens mit Ländern in den Brennpunkten des Terrorismus: im Mittleren Osten, Afrika und Asien. So fänden nur lokale Dienste Zugang zu Individuen als Informationsquellen. Koordinierte Massnahmen So gnadenlos Terroristen zuschlagen: Gegengewalt als einzige Reaktion wäre laut den Experten falsch, weil wirkungslos: „Ich bin überzeugt, dass langfristig nur ein breiter Mittelansatz erfolgreich ist“, meint Professor Wenger. So gehörten neben der Aufklärung selbstverständlich Polizei und Militär dazu; ebenso viel Energie müsse aber in das Wissen über die ökonomischen Wurzeln der Gewalt gesteckt werden sowie in einen verstärkten interkulturellen Dialog. Und Länder wie die Schweiz, die bisher wenig Anlass zur Sorge hatten, hätten sich der unangenehmen Frage zu stellen, ob zum Beispiel ihr Rechtssystem der terroristischen Herausforderung Paroli bieten kann. Seit dem Fichenskandal Ende der 80-er Jahre galt laut Wenger ein politisches Augenmerk dem Schutz der Privatsphäre und den Freiheitsrechten. Das Abhören von Gesprächen wurde zum Tabu erklärt. „Der Schutz des Kollektivs hingegen verschwand aus der Agenda.“ Klar sei, dass ein präventives Vorgehen gegen Terrorismus nicht ohne Diskussion der Freiheitsrechte vonstatten gehen könne. „Wenn wir frühzeitig handeln wollen, sollten wir jetzt auf breiter Basis diskutieren, welchen Preis wir zu zahlen bereit sind – und welchen nicht“, hält Wenger fest. Denn sicher sei: „Der nächste Anschlag ist eine Frage der Zeit“.
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