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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.05.2005 06:00

Welten des Wissens: Peter H. Seeberger und Carl Djerassi im Gespräch
Treffen unter Chemikern

Zwei renommierte Chemiker aus zwei Generationen trafen auf dem Platzspitz zusammen. Im Rahmen der Sendung „Treffpunkt“ des Schweizer Radio DRS unterhielten sie sich unter anderem über Veränderungen und Entwicklungen in der chemischen Forschung und die magische Kraft, die Wissenschaftler jeden Tag zu Spitzenleistungen antreibt.

Von Claudia Naegeli

Der eine forscht erfolgreich an einem Impfstoff gegen Malaria, der andere hat vor 54 Jahren die Anti-Baby-Pille erfunden. Während sich Ersterer mitten in seiner wissenschaftlichen Karriere befindet, betrachtet der Zweite Forschungsbestrebungen mit kritischer Distanz – und nimmt mögliche Spannungsfelder der Wissenschaft sogar in seinen literarischen Werken und Bühnenstücken auf.


Djerassis 'Kalkül' im Opernhaus
Carl Djerassi ist nicht nur ein berühmter Chemiker, sondern auch ein erfolgreicher Romancier und Bühnenautor. Aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums der ETH wird am Zürcher Opernhaus sein Werk "Kalkül" aufgeführt . Es ist ein Stück über Macht und Intrigen in der Wissenschaft. (Wahrer) Hintergrund ist ein Streit zwischen Newton und Leibniz über die Erfindung der Differenzialgleichung. Aufgeführt wird "Kalkül" als Konzerttheater in drei Akten, und zwar ab heute, dem 6., bis zum 8. Mai, jeweils um 20 Uhr auf der Studiobühne. Der Eintritt beträgt 40, ermässigt 20 Franken. Kontakt: Billetkasse des Opernhauses: 044 268 66 66, www.opernhaus.ch


In den „Welten des Wissens“ trafen der 38-jährige Peter H. Seeberger, Professor am Labor für Organische Chemie an der ETH und der 81-jährige Carl Djerassi, emeritierter Professor und Autor die Radiomoderatorin Diana Jörg zum gemeinsamen Gespräch (1)(2).

Forschung und Faust

Auf die Frage der Moderatorin, ob Forscher nur vom Ehrgeiz getrieben seien, antwortet Carl Djerassi, dass in erster Linie die Neugierde der Grund dafür sei, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 80 Stunden in der Woche arbeiten. Die Ursache für den harten Konkurrenzkampf unter Wissenschaftler besteht für ihn darin, dass es den Naturwissenschaften an Kreativität fehle. „Wenn wir nicht da wären, dann hätte jemand anderer unsere Entdeckungen gemacht“, sagt er. Das unterscheide die Forschung beispielsweise von der Literatur. „Niemand ausser Goethe hätte ‚Faust’ auf diese Art und Weise schreiben können“, meint Carl Djerassi.

Die Motivation für wissenschaftliches Arbeiten liegt für Peter H. Seeberger in der Möglichkeit, das Leben von Milliarden von Menschen zu verändern. „Goethes Faust habe viele berührt, doch die Gesellschaft nicht in diesem Ausmass verändert wie etwa die Entwicklung der Anti-Baby-Pille“, so Peter H. Seeberger. Einig sind sich die beiden Wissenschaftler darüber, dass weder die Aussicht auf einen Nobelpreis noch die Hoffnung auf persönlichen Ruhm als Antrieb für wissenschaftliches Arbeiten ausreichen.


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Zwei unterschiedliche Chemiker: Peter H. Seeberger (l.) und Carl Djerassi im Gespräch mit Diana Jörg von Schweizer Radio DRS. gross

Neben dem persönlichen Einsatz der Wissenschaftler spielen auch ökonomische Prozesse eine grosse Rolle für den Erfolg von Forschungsarbeiten. So ist Carl Djerassi überzeugt, dass die Pille für den Mann hauptsächlich am fehlenden Interesse der Pharmaindustrie gescheitert sei.

Chemie im Wandel

Auch Peter H. Seeberger zeigt sich besorgt darüber, dass Pharmakonzerne lieber auf teure Medikamente zur Behandlung von Tropenkrankheiten setzen als auf deren Prävention. Deshalb seien sie an der Entwicklung von vergleichsweise günstigen Impfstoffen nur bedingt interessiert. Die Forschungsarbeit an sich habe sich für die Chemiker in den letzten fünfzig Jahren stark verändert. Obwohl sich laut Peter H. Seeberger organische Chemie noch heute mit dem Kochen vergleichen lasse, hätten doch zahlreiche technische Neuerungen in den Labors Einzug gehalten, seit Carl Djerassi die Anti-Baby-Pille erfunden habe. „In Mexico City, wo ich damals gearbeitet habe, hatten wir weder teure Apparaturen noch Computer“, fügt dieser selbst an.

Carl Djerassi ist davon überzeugt, dass die technischen Neuerungen zwangsläufig zu einer enormen Verteuerung der Chemie-Forschung führen, jedoch auch eine enorme Effizienzsteigerung ermöglichen. „In den letzten 20 bis 30 Jahren haben wir mehr über die Chemie erfahren als in der gesamten Geschichte der Chemie zuvor.“ Die Frage, ob sich diese Art der Forschung für eine Gesellschaft nicht zu teuer werde, beantwortet Peter H. Seeberger entschieden mit nein. „Unsere Forschung schafft letztlich auch Arbeitsplätze. 26 Prozent der Schweizer Exporte stammen aus der Pharmaindustrie.“ Carl Djerassi weist allerdings auf die Wichtigkeit hin, im Dialog mit der Gesellschaft zu stehen, um Verständnis für die hohen Forschungsausgaben zu schaffen.

Carl Djerassis Bücher und Bühnenwerke, die allesamt einen engen Bezug zur Wissenschaft aufweisen, stellen eine Möglichkeit dar, diesen Dialog aufzunehmen (3). „Ich möchte die Wissenschaft der Gesellschaft näher bringen“, sagt er. Die Leute sollen sich amüsieren und etwas lernen, wenn sie seine Bücher lesen. „Und da sich die Leute lieber amüsieren als lernen, verstecke ich die didaktischen Elemente“, fügt er pointiert an. Bei der Aufführung seines Stücks „Kalkül“ im Opernhaus wird Peter H. Seeberger ebenfalls anwesend sein, obwohl seine Freizeit knapp bemessen ist (4).


Fussnoten:
(1) Die Website von Peter H. Seeberger: www.seeberger.ethz.ch
(2) Die Website von Carl Djerassi: www.djerassi.com
(3) „ETH-Life“-Bericht über Carl Djerassi und sein Werk: www.ethlife.ethz.ch/articles/djerassi.html
(4) Kalkül-Konzerttheater in drei Akten. Studiobühne des Opernhauses. 6. bis 8. Mai, jeweils 20 Uhr. Eintritt CHF 40.00, ermässigt CHF 20.00. Billetkasse des Opernhauses: 044 268 66 66, www.opernhaus.ch



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