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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.03.2005 06:00

HCI-Eröffnung
Ein Tag für den Blick zurück

Zu den HCI-Eröffnungsanlässen der vergangenen Woche zählte am Freitag auch eine Rückschau auf die Entwicklung der Chemie und der Pharmazeutischen Wissenschaften an der ETH. Eingebettet wurde diese in die Geschichte des Polytechnikums als nationaler Institution und in die Präsentation des kleinen Chemie- und Pharmaziemuseums sowie des neuen Arzneipflanzengartens.

Norbert Staub

Weder eine „Geschichtsschreibung anhand der Tops und Flops“ noch anhand der „Säulenheiligen“, sprich: der ETH Nobelpreisträger, habe er im Sinn, sagte David Gugerli, Professor für Technikgeschichte an der ETH zum Auftakt des „Tags der Geschichte und Gegenwart“, der am Freitag im Rahmen der Veranstaltungswoche zur Eröffnung des HCI durchgeführt wurde. Er bevorzuge einen unvoreingenommen Approach, der die „erstaunliche Geschichte“ der ETH als ein Resultat von Aushandlungsprozessen begreift, sagte Gugerli vor leider nur etwa vierzig Interessierten.

Bereits der Gründung des Poly sei intensives Verhandeln vorausgegangen. Der Bundesstaat, der auf den Trümmern eines – wenn auch glimpflich abgelaufenen – Bürgerkriegs entstand, benötigte Kohäsionsprojekte, um mit Leben zu füllen, was erst in den Köpfen der liberalen Sieger existierte: nämlich das nationale Projekt Schweiz. Eine Bundeshochschule erwies sich da als ideales, per se zukunftsträchtiges Vehikel, um den „Papiertiger“ konkretisieren, wie David Gugerli sagte.

Disziplinierung und Emanzipation

Dieser Selbstfindungsprozess habe bis nach 1900 gedauert. Nach der „Disziplinierung“ von Schülern und Professoren, von Stundenplänen, ja des Wissens selbst sei der Abschied von der (räumlichen) Symbiose mit der Uni erfolgt sowie die Emanzipation von Stadt und Kanton Zürich. Zwischen 1911 und 1968 habe die ETH sich zum Flaggschiff der Schweizer Wissenschaft entwickelt. Dann aber folgte ein Einschnitt, der die damaligen Verantwortlichen unvorbereitet traf und den Gugerli als eine Orientierungs-, Wachstums- und Strukturkrise umschrieb. Ausdruck der an der ETH vergleichsweise moderaten studentischen Rebellion von 1968 war das erfolgreiche Referendum gegen ein ETH-Gesetz, an welchem die Studierenden die fehlende Mitbestimmung kritisierten.

Dies, so Gugerli, ging in eine zähe, aber ergebnisarme interne Reformendebatte über, welche durch Mittelknappheit und den 1974 verfügten Personalstopp überlagert wurde. Neue Bewegung kam in den achtziger Jahren unter dem Stickwort „Flexibilisierung“. Als deren Inbegriff galt die für viele provokative Hayek-Studie, welche die Organisation der Hochschule mit unternehmerischem Blick durchleuchtete. Und auch forschungsseitig sei dies eine Zeit des Aufbruchs gewesen: mit der Gründung der Departemente Informatik, Materialwissenschaft und Umweltnaturwissenschaften.


Ein Museum im HCI

Am „Tag der Geschichte und Gegenwart“ des HCI stellten Heidi Wunderli und Detlef Günther, Professor am Laboratorium für Anorganische Chemie auch das neu arrangierte kleine Chemie- und Pharmazie-Museum vor. Es präsentiert in neun Vitrinen auf dem H-Stock des Hörsaalgebäudes Geräte, Präparate und Dokumente zur Geschichte der Chemie am damaligen Polytechnikum. Die pharmakognostische Sammlung wurde seinerzeit von Pharmazieprofessor Carl Hartwich angelegt und von seinem späteren Nachfolger Otto Sticher weitergepflegt. Sie umfasst eine Kollektion kostbarer Exponate aus aller Welt zur Kultur der Genuss- und Suchtmittel. Darunter finden sich Instrumente wie Schnupftabakdosen, Opiumpfeifen und -messer, Utensilien für das Kauen von Betel, Coca sowie zur Verwendung von Tee, Kaffee, Kakao, Kawa, Mate und Sake. Zudem enthält gehören etwa 400 bibliophile Werke dazu und eine insgesamt 7000 Exponate zählende Drogensammlung.

Ebenfalls vorgestellt wurde der neue Arzneipflanzengarten, eine medizinische Lernhilfe, die nun auch auf dem Campus Hönggerberg zur Verfügung steht. Zwischen dem HCI und dem Physikgebäude wachsen in konzentrischen Kreisbahnen acht pharmakologisch zu unterscheidende Pflanzengruppen.




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Gleichzeitig Lernhilfe und Freizeitzone: der neue Arzneipflanzengarten, aufgenommnen aus dem HCI. gross

Enorme Differenzierung, konstante Grundfragen

Diese enorme Differenzierung des wissenschaftlichen Angebots in den vergangenen Jahrzehnten wurde auch deutlich in den Rückschauen von Heidi Wunderli-Allenspach und Peter Chen. Die ETH-Professorin für Biopharmazie zeichnete die Geschichte der pharmazeutischen Wissenschaft in Zürich nach, vom „Einmannbetrieb“ (der bis in die 1930er Jahre dauerte) bis zum ETH-Institut mit heute zehn Forschungseinheiten, über 140 Mitarbeitenden, etwa 300 Studierenden und gut 50 Diplomabschlüssen pro Jahr.

Trotz der stürmischen Entwicklung seien die Grundfragen, mit denen Pharmazeutischen Wissenschaften sich beschäftigen, erstaunlich stabil geblieben, hielt Heidi Wunderli-Allenspach fest: Es gehe um Findung, Analytik, Formulierung und Produktion medizinisch wirksamer Substanzen, des weiteren um Fragen der Aufnahme, des Transports und der Verteilung im Organismus. Zudem würden Wirkung und Toxizität studiert. Und nicht zuletzt gehörten die Anwendung von Arzneimitteln und die Beratung zu den Aufgaben in diesem Forschungsgebiet.

Zeugnisse der Kultur der Genuss- und Suchtmittel neu arrangiert: Opiumpfeifen aus der pharmakognostischen Sammlung der ETH. gross

Peter Chen, seit 1994 ETH-Professor für Physikalisch-Organische Chemie, skizzierte den langen Weg von der chemisch-technischen Schule, die bei der Gründung des Polytechnikums 1855 zwei Professuren umfasste, zu einem Organismus, der laut aktueller Evaluation des Departements als “world leading in chemistry” bezeichnet wird. Einer der Schlüssel dieser Entwicklung liege im Umstand, dass die chemische Industrie der Schweiz sich von Anfang an auf hoch qualifizierte Produkte konzentrierte, sagte Chen: auf Medikamente und synthetische Fasern. Chen hob zwei für die Chemie an der ETH bestimmende Figuren heraus: die beiden Nobelpreisträger Leopold Ruzicka (1887 – 1976) und Vladimir Prelog (1908 – 1998).

Schlüsselfiguren

Ruzicka habe eine wichtige Rolle gespielt beim sprunghaften Wachstum der Chemie an der ETH. Bereits vor fünfzig Jahren sei für ihn selbstverständlich gewesen, worauf heute immer wieder gepocht wird: dass die Chemie sich mit Botanik, Physik, angewandter Mathematik und Kristallographie zu vernetzen hat. Vladimir Prelog, so Chen weiter, habe sich durch eine menschliche Bescheidenheit ausgezeichnet, die sich umgekehrt proportional zu seiner wissenschaftlichen Bedeutung verhielt: die Rolle des Chefs habe er abgelehnt, sondern er habe sich lediglich als „Dorfältesten“ gesehen. Damit sei es gelungen, brillante, auf ihre Autonomie bedachte Köpfe an die ETH zu bringen.


Literaturhinweise:
Weiterer „ETH Life“-Bericht vom 27. 8. 2004 zum Arzneipflanzengarten und zum Chemie- und Pharmazie-Museum: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/chabgarten.html



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