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Rubrik: Tagesberichte Ein ETH-Alumnus, der als Tunnelexperte am MIT Karriere machte Professor Einstein im Untergrund |
Published: 27.06.2002 06:00 Modified: 27.06.2002 16:49 |
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Der MIT-Professor Herbert Einstein ist spezialisiert auf komplexe Tunnelprojekte. Bei der NEAT und der NAGRA ist er deshalb ein gefragter Mann. Im Interview mit "ETH Life" vergleicht der ETH-Absolvent das MIT mit der ETH und wünscht sich eine bessere Ingenieur-Ausbildung. Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) bezeichnet sich gerne als die beste technische Hochschule der gesamten Welt. Was denkt man dort über die ETH? Die ETH ist am MIT (1) natürlich nicht so bekannt wie umgekehrt. Es ist klar, dass das MIT allgemein einen besseren Ruf hat als die ETH. Doch in Europa ist die ETH sicher eine der führenden Hochschulen. Wo sehen Sie Unterschiede zwischen der ETH und dem MIT?Beispielsweise in der Ausbildung. Am MIT wird selbständiges Denken wesentlich stärker gefördert. Der Unterricht an der ETH setzt immer noch zu stark auf reine Informationsvermittlung. Das selbständige Denken wird zuwenig angeregt. Doch es ist mir klar, dass die ideale Ingenieur-Erziehung noch nicht gefunden ist - weder an der ETH noch am MIT.
Sie selbst haben über zehn Jahre an der ETH studiert und doktoriert. Haben Sie heute noch etwas zu tun mit der ETH? Ja, aber etwas weniger als früher. Vor 21 Jahren war ich sogar als Gastprofessor an der ETH tätig und vor fünf Jahren leitete ich die Evaluationskommission für die Bauingenieur-Departemente an der ETH und der EPFL. Es kommen auch immer wieder ETH-Doktoranden zu uns ans MIT und ich habe gute Kontakte zu meinen Fachkollegen an der ETH. Doch generell sind meine Arbeiten an der EPFL halt auf mehr Interesse gestossen als an der ETH. Was sind das für Arbeiten?Zusammen mit der EPFL entwickelten wir die "Entscheidungshilfen im Tunnelbau", welche Zeit- und Kostenabschätzungen detaillierter berechnen. Diese werden heute bei vielen europäischen Tunnelprojekten eingesetzt, beispielsweise beim Bau der NEAT (2) am Gotthard und am Lötschberg.
Es ist klar, dass die NEAT, um erfolgreich zu sein, wirtschaftlich eigenständig sein muss. Darüber entscheiden primär die zukünftigen Rahmenbedingungen im europäischen Personen- und Güterverkehr. Beim Personenverkehr ist die Ausgangslage besser: Die Hochgeschwindigkeitszüge zwischen den europäischen Metropolen sind eine gute Konkurrenz zum Flugverkehr. Wenn man von Zürich in etwas über zwei Stunden in Mailand ist, wird kaum jemand noch das Flugzeug benutzen. Im Gütertransport ist die Konkurrenz auf der Strasse leider immer noch am längeren Hebel, solange bei den Strassentransporten nicht die vollen Kosten inklusive Umwelteffekte verrechnet werden. Unter den heutigen Bedingungen kann die Bahn nicht mithalten.
Der öffentliche Verkehr geniesst in den USA leider keinen hohen Stellenwert. Bei einem Besuch in der Schweiz finde ich es immer wieder bewundernswert, wie hervorragend dieses System dort funktioniert. Neben der NEAT sind Sie auch als Berater für die NAtionale Gesellschaft zur Entsorgung RAdioaktiver Abfälle (NAGRA) tätig. Wo entsorgt die Schweiz ihren Atommüll?Momentan wird er in Würenlingen provisorisch zwischengelagert. Doch die NAGRA (3) plant die schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle im Wellenberg im Kanton Nidwalden einzulagern. Für die hochradioaktiven Abfälle ist das nördliche Zürcher Weinland in der Umgebung von Benken im Blickfeld. Als Zürcher finde ich das nur gerecht, denn der Kanton Zürich hat in der Schweiz einer der höchsten Anteile am Energieverbrauch. Könnte man nicht den Atommüll in eine Alpenfestung der Armee einlagern?Das ist viel zu riskant. Armeefestungen sind wie ein Sieb: Da läuft dauernd Wasser hindurch. Ausserdem sind sie zu nah an der Erdoberfläche. Wie sicher sind denn die geplanten Endlagerstätten?Die Gesteine sind praktisch undurchlässig. Das Risiko ist klein. Trotzdem wehren sich die Anwohner überall dort, wo die NAGRA mit Bohren beginnt.Für die Proteste der Anwohner habe ich volles Verständnis. Ich möchte auch kein Endlager in meinem Garten haben. Doch was sind die Alternativen zur Atomenergie? In der Schweiz könnte man zur Nutzung der Wasserkraft noch die letzten Bäche verbauen. Der Umweltschutz verhindert dies zurecht. Die wirksamste Massnahme ist wohl das drastische Energiesparen. Die Schweiz verhält sich hier meist vorbildlich. Wir in den USA gehen leider in eine etwas andere Richtung, vor allem unter unserer gegenwärtigen Regierung. Denken Sie mit 65 Jahren schon an die Pensionierung?Im Gegensatz zur ETH kennt das MIT kein Rücktrittsdatum. Dies hat den Vorteil, dass aufgrund der Alters-Guillotine mit 65 nicht plötzlich Schluss ist, sondern man kann mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse des Individuums nehmen. Früher musste man noch ein schlechtes Gewissen haben, dass man einem jüngeren Nachfolger den Platz nicht freigibt. Doch heute entstehen neue Professuren meist unabhängig davon, in welchem Gebiet jemand pensioniert wird. Andererseits muss man sich bewusst sein, dass die Fähigkeiten mit dem Alter nicht zunehmen. Ich selbst habe noch keine konkreten Pläne, sondern schaue mal, was die Zukunft bringt. Footnotes:
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