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Rubrik: Tagesberichte

US-Chemiker datiert das Turiner Grabtuch neu
Doch keine Fälschung?

Published: 06.04.2005 06:00
Modified: 06.04.2005 08:28
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Der Krimi um das berühmte Turiner Grabtuch (1) geht weiter. Unter anderem kamen ETH-Forscher 1989 zum Schluss, dass das „Tuch Christi“ eine Fälschung ist. Nun kritisiert ein amerikanischer Chemiker die damals in Nature veröffentlichten Daten und behauptet: Es ist durchaus möglich, dass Jesus in das Tuch eingewickelt war.



Von Michael Breu (mailto:breu@cc.ethz.ch)

Im Mittelpunkt steht ein 4,37 Meter langes und 1,11 Meter breites Leinentuch. In den Laken soll Jesus eingewickelt worden sein nachdem er am Kreuz den Tod fand. Erstaunlich detailliert sind noch heute die Umrisse eines 1,81 Meter grossen Mannes mit Bart und langem Haar auf dem Tuch zu sehen; deutlich gibt es Anzeichen dafür, dass er eine Dornenkrone getragen haben muss und an Händen und Füssen mit Nägeln verletzt wurde. Zwar hat die katholische Kirche bis heute das „Tuch Christi“ nie als Reliquie anerkannt, dennoch wird das Grabtuch von Christen aus aller Welt verehrt.

Die Geschichte des Tuches ist schnell erzählt. Erstmals wurde es um 1532 konkret in Schriften erwähnt, als es nach einem Kirchenbrand von Nonnen gerettet und mit Stoffflicken ausgebessert wurde. Älter ist nur eine Pilgermedaille von 1357, auf der König Johann der Gute und Ritter Geoffroy de Charny abgebildet sind während dem sie das Tuch in der Stiftskirche in Lirey bei Troyes dem französischen Volk vorstellten. Am 14. September 1578 schliesslich gelangte das Tuch nach Turin, wo es bis heute aufbewahrt wird. Jedes Jahr wird am 4. Mai in der Kathedrale zu Turin eine Messe zu Ehren des heiligen Gewebes abgehalten – 1998 sogar im Beisein des kürzlich verstorbenen Papstes Johannes Paul II.

Eine Frage aber wurde nie beantwortet: Wer ist der Mann auf dem Tuch? Handelt es sich tatsächlich um den Sohn Gottes?

1973 äusserten Serologen um Walter C. McCrone Zweifel an der Echtheit der Blutspuren, fünf Jahre später hingegen erklärten Forensiker, die Flecken der selten vorkommenden Blutgruppe AB für echt. Heute gilt: Das Tuch hat einen Leichnam umhüllt.

Vieles ist unklar: Neben dem Streit um das Alter des Tuches wird auch eine grundsätzliche Frage diskutiert: Wer ist auf dem Tuch zu sehen? Ist es Jesus?

Das Turiner Grabtuch: ETH-Forscher untersuchten Gewebestücke und datierten sie. Bild: ETH Zürich

Aber war es Jesus? Drei Forschergruppen aus Arizona, Oxford und Zürich bestimmten 1989 das Alter des Tuches mittels Radiokarbon-Methode; veröffentlicht wurden die Resultate im Fachblatt Nature(2) . Die Zürcher Gruppe um Georges Bonani vom ETH-Institut für Teilchenphysik (3) erhielt dafür 52,8 Milligramm Probenmaterial. „Dieses Stück wurde zuerst in zwei Teile unterteilt. Von der ersten Hälfte wurden drei Proben hergestellt, die unterschiedlich gereinigt wurden, um eventuelle Verunreinigungen feststellen zu können. Die Proben der zweiten Hälfte wurden zu einem späteren Zeitpunkt analysiert“, berichten die Zürcher Forscher. „Alle Proben ergaben übereinstimmende Resultate.“ Die ETH datierte die Proben auf ein Alter von 676 Jahre, die Wissenschafter der University of Oxford auf 750 Jahre und die Physiker der University of Arizona auf 646 Jahre. Das heisst: Wenn das Tuch höchsten 750 Jahre alt ist, kann es auf keinen Fall Jesus umhüllt haben.

1998 zweifelte der Botanik-Professor Avinoam Danin von der Hebrew University of Jerusalem die Datierung des Tuches erstmals an. Pollen und Pflanzenteile, die er auf dem Tuch gefunden hatte, weisen auf die Zeit Jesu hin, kam er zum Schluss; die Arbeiten wurden jedoch nie in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Danin setzte mit seiner Pollenforschung die 1971 vom Zürcher Kriminologen Max Frei-Sulzer begonnen Arbeiten fort (Frei wurde durch sein falsches Gutachten über die Hitler-Tagebücher weltweit bekannt).

Die Kritik an der Datierung bekommt nun Unterstützung. Der Chemiker Raymond N. Rogers vom Los Alamos National Laboratory hat erneut eine Tuchprobe analysiert (4) . Allerdings nicht mittels Radiokarbon-Methode. Rogers untersuchte den Vanillin-Gehalt im Gewebe. Das Aldehyd entsteht, wenn sich das in Leinen enthaltene Lignin zersetzt. Doch auch das Vanillin ist nicht stabil: Je älter das Tuch ist (und umso wärmer es gelagert wurde), desto weniger Spuren sind enthalten. Der Chemiker fand mittels Pyrolyse-Massenspektrometrie kein Vanillin mehr in der Probe und folgerte daraus, dass das Tuch zwischen 1300 und 3000 Jahre alt sein muss. Das heisst: Jesus könnte durchaus in das Grabtuch gehüllt worden sein.

Ein Beweis ist aber auch diese Arbeit nicht, denn die angewandte Methode wird von den meisten Textilhistorikern heftig kritisiert. Der Kalifornier Raymond N. Rogers schlägt deshalb vor, das Tuch erneut mittels Radiokarbon-Methode zu untersuchen – eine nächste wissenschaftliche Studie ist uns also gewiss, der Krimi um das berühmte Turiner Grabtuch geht weiter.


„Ich kenne keinen Grund, der dagegen spricht“

Die Schweizer Textilkonservatorin Mechthild Flury-Lemberg hat im Sommer 2002 das Turiner Grabtuch in wochenlanger Arbeit von Flicken befreit und gesäubert. Die Arbeit wurde nötig, nachdem das Leinentuch am 12. April 1997 bei einem Brand in der Turiner Kathedrale in letzter Minute gerettet werden konnte. Die Spezialistin ist überzeugt, dass die Webart und die fein gearbeiteten Nähte der Qualität anderer Textilien entsprechen, die im südlichen Israel gefunden und auf das Jahr 73 AD datiert wurden. Gegenüber dem Tages-Anzeiger sagte sie: „Ich glaube, dass es das Tuch ist, das uns vom historischen Christus überliefert ist. Ich kenne keinen Grund, der dagegen spricht. Aber ein Beweis ist das natürlich nicht.“


Footnotes:
(1 Turiner Grabtuch: www.shroud.com/
(2 Radiocarbon dating of the Shroud of Turin, Nature, 1989, 337 (6208): 611-615
(3 Institut für Teilchenphysik: www.ipp.phys.ethz.ch/
(4 Studies on the radiocarbon sample from the shroud of turin, Thermochimica Acta, 2005, 425: 189-194


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