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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.06.2005 06:00

Koexistenz von Gentech- und konventionellen Pflanzen
Umstrittener Anbau von Gentechpflanzen

Die Gentechpflanzen sind in vieler Munde, zumindest als Thema. Diesen Dienstag debattiert der Nationalrat über die Gentechfrei-Inititative, die in der Landwirtschaft ein fünfjähriges Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderten Organismen verlangt. Letzte Woche hielten die ETH und die Forschungsanstalt Reckenholz eine Konferenz über die Koexistenz von gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen ab. Zwei Wochen vorher legten Grundlagenforscher ihre Sicht über die Wirkung der Initiative dar.

Von Christoph Meier

Die Koexistenz ist prinzipiell möglich. Das war der Tenor bei der Konferenz „Koexistenz von gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen in der Landwirtschaft“, die Ende letzter Woche von der ETH und der Forschungsanstalt Reckenholz (FAL) in Zürich durchgeführt wurde (1). Damit aber die Gentech-Pflanzen konventionelle Kulturpflanzen nicht beeinträchtigen, sei es nötig, klare Regeln für die Landwirtschaft zu erlassen, waren sich die Referenten einig.

Ein mögliches Konzept, wie man erfolgreich beide Pflanzentypen anbauen könne, präsentierte Olivier Sanvido von der FAL. Dabei handelte es sich um die Massnahmen, welche die FAL bereits vor rund einem Monat April vorgestellt hatte und die auf die Kritik der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie gestossen war. So wurde beispielsweise bemängelt, dass die Distanzempfehlungen der FAL rekordverdächtig tief seien. Franz Bigler, Leiter der FAL, konnte aber darauf verweisen, dass ihre Annahmen durch eine neue Publikation aus Dänemark, aber auch durch an der Veranstaltung präsentierte Forschungen aus Deutschland und Spanien gestützt werden.

Umfassende ETH-Studie zur Auskreuzung

Die umfassendsten Daten bezüglich der Ausbreitung von Mais über lange und kurze Distanzen besitzt aber gemäss eigenen Angaben ETH-Professor Peter Stamp. Mittels eines eleganten Versuchs mit verschieden farbigen Maissorten konnte der Wissenschaftler zeigen, dass die Auskreuzung gering ist. Bei Entfernungen über gut 50 Meter lag diese in allen Feldern unter 0.017 Prozent; dies trotz verschiedenster Witterungsbedingungen während den Versuchen. Der EU-Schwellenwert von 0.9 Prozent wurde aber auch bei kürzeren Distanzen rasch unterschritten. Nur innerhalb der ersten 10 Meter kam es zu grösseren Unterschieden. Stamp resümiert, dass das Auskreuzungsrisiko beim Mais überschätzt wurde.

Wer sich aber grundsätzlich dafür interessierte, wie dieses Risiko weiter vermindert werden kann, dem bot die Tagung auch entsprechende Ansätze. Peter Stamps Gruppe demonstrierte, dass durch den Einsatz von sterilen männlichen Maispflanzen Fremdbefruchtung vermieden und der Ertrag gesteigert werden kann. Für Raps erwähnte die französische Forscherin Jacqueline Pierre die Möglichkeit, Mutanten zu verwenden, welche die Blüten nicht öffnen, was zur Folge hat, dass nur Selbstbestäubung stattfindet. Das könnte insofern interessant sein, da das Verhindern der Auskreuzung von Raps bei den vorhandenen kommerziellen Gentechpflanzen am schwierigsten zu sein scheint, wie aus anderen Referaten klar wurde.


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Mittels verschiedenfarbiger Maissorten analysierten Forscher aus der Gruppe von ETH-Professor Peter Stamp die Auskreuzung bei dieser Futterpflanze. gross

Anbau von Gentechpflanzen als Politikum

Entgegen der Auffassung von vielen Tagungsteilnehmern in Zürich zweifeln die Vertreter der Gentechfrei-Initiative an der Möglichkeit der Koexistenz von Gentech- und konventionellen Nutzpflanzen in der Schweiz (2). Sie glauben an eine entscheidende „Verunreinigung“, die nicht nur für Bio- und IP-Suisse-Betriebe, sondern auch für unsere einheimische Fauna und Flora einschneidende Auswirkungen ergeben. Das Begehren der Initianten nach einem fünfjährigen Anbaumoratorium in der Landwirtschaft wird heute Dienstag im Nationalrat diskutiert, wobei die Grüne Partei im Vorfeld den Rückweisungsantrag von Nationalrat Johannes Randegger mit dem Auftrag, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten, der die Koexistenz von Gentech-freier und Gentech-Produktion zulässt, als ein unseriöses Störmanöver zur Verzögerung der Abstimmung einstuft. In ihren Ausführungen erwähnen die Gentechfrei-Inititianten, dass ein Ja zu ihrem Anliegen die Forschung nicht behindere. Der Forschungsstandort Schweiz sei auch nicht gefährdet, da beispielsweise „die Agrarbiotechnologie an der ETH ein völliges Nischendasein friste“.

Moratorium als Eigengoal

Ganz anders sehen das die Forscher selbst (3). An einer Medienkonferenz vor zwei Wochen in Bern warnten sie davor, dass ein allfälliges Moratorium ein Eigengoal wäre. Denn Firmen seien an der Anwendung der Grundlagenkenntnisse interessiert. Da aber diese in der Schweiz kaum mehr möglich sei, fehle der Forschung das Geld dieser Firmen. In Bezug auf die Bedeutung der Pflanzenforschung in der Schweiz wurde ein Zitationsvergleich für die Jahre 2000-2002 aus der Zeitschrift Laborjournal angeführt, der zeigt, dass das am meisten zitierte Paper vom emeritierten ETH-Professor Ingo Potrykus stammt und 10 der 50 meistzitierten Personen an Schweizer Forschungsstätten arbeiten. ETH-Professor Wilhelm Gruissem erwähnte zudem, dass die Anwendungen der grünen Gentechnologie weit über die bisher kommerziell eingesetzten hinausgehen. So könnten neue Pflanzen zur Bodensanierung oder der Herstellung von Impfstoffen und Medikamenten dienen. Die Forscher sind der Ansicht, dass das Moratorium auch den Schweizer Bauern schadet. Da die Anbaumethoden im internationalen Umfeld und insbesondere in Europa nicht stehen blieben, bräuchten die hiesigen Landwirte gleich lange Spiesse.


Fussnoten:
(1) Konferenz „Koexistenz von gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen in der Landwirtschaft": www.coexistence.ethz.ch/
(2) Homepage der Gentechfrei-Initiative: www.gentechfrei.ch/
(3) Die Veranstaltung wurde vom Verein "Forschung für Leben" organisiert: www.forschung-leben.ch/



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