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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.02.2005 06:00

Gentechnologie schafft Arbeitsplätze – KOF bestätigt Prognose von 1996
Mehr Jobs

Die Bio- und Gentechnologie hat in den vergangenen zehn Jahren eine beachtliche Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen. Zu diesem Schluss kommt auf Anfrage der Webzeitung ETH Life die Konjunkturforschungsstelle (KOF) (1) der ETH Zürich in Übereinstimmung mit einer Prognose, welche die KOF im Vorfeld der Genschutz-Initiative publizierte und das 2005 als Zieljahr anpeilte.

Von Michael Breu

Ein Argument wird bei jeder Urnenabstimmung vorgebracht: die Auswirkung des Begehrens auf die Arbeitsplatzsituation. Auch bei der Genschutz-Initiative vor sieben Jahren wurde darüber diskutiert. „Was bringen Milliarden-Investitionen in den USA?“, fragte die Gen-Schutz-Zeitung im August 1997 und behauptete: „Die Gentechnik ist im Moment eine riesige Geldvernichtungsmaschine“. Alleine in den USA habe die Schweizer Pharmaindustrie 10 Milliarden US-Dollar in die Gentechnik gesteckt – ohne davon grosse Gewinne erwarten zu können. Auch nicht für die Schweizer Arbeitsplatzsituation: „Eine Studie rechnet mit 4000 neuen Stellen pro Jahr allein für die Schweiz (…) Die Gentechnikindustrie in den USA ist heute 30 mal grösser als in der Schweiz. Sie wuchs bisher im Jahr um 10'000 Stellen. Umgerechnet auf die Schweiz würde das einem Wachstum von 350-400 Stellen entsprechen“, meinte der Historiker Günter Spaar. In der linksalternativen WochenZeitung (WoZ) vom Dezember 1997 wurde er noch deutlicher und meinte: „Die Gentechnik schafft keine Arbeitsplätze“. Spaar berief sich dabei auf eine Studie, der er im Auftrag des Basler Appell gegen Gentechnologie verfasste und die im September 1996 unter dem Titel „Das neue Eldorado?“ erschien (2).

Veritables Geschäft

Zeitgleich liess auch der Branchenverband Interpharma – in ihm sind Hoffmann-La Roche, Novartis (damals noch Ciba und Sandoz), Serono, Actelion und Vifor zusammengeschlossen – eine Wirtschaftsprognose erstellen. Im Juni 1994 wurde die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich mit dem Projekt beauftragt, im August 1996 wurden die Ergebnisse vorgestellt (3). Der Gentechnologie stellte die KOF eine deutlich bessere Prognose: Für das Jahr 2005 schätzten die ETH-Forscher eine Zunahme der Gesamtproduktion an Bio- und Gentechprodukten um etwa zwei Prozent und ein entsprechendes Mehr an Arbeitsplätzen um 1,4 Prozent. „In absoluten Zahlen beträgt der gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekt im Jahr 2005 rund 17'000 (Gentechnologie-Einsatz nur in der Basler Chemie) bzw. 42'000 Personen (Gentechnologie-Einsatz in der Chemie insgesamt)“, hielten Bernd Schips und Spyros Arvanitis in ihrem Bericht fest.

Inzwischen hat sich die Bio- und Gentechnologie zu einem veritablen Geschäft entwickelt. „Forscher jubeln, Aktienkurse klettern aus ihren Tälern – Biotechnologie beflügelt wieder die Fantasie“, berichtete die Technology Review im September 2003. Vor allem in den USA habe sich die Branche stark entwickelt – von einer „steilen Wachstumskurve“ spricht David Baltimore, Medizin-Nobelpreisträger, Verwaltungsrat der Küsnachter Investorengruppe BB Biotech und Präsident des California Institute of Technology.

Reispflanzen im Labor: Die Gentechnologie wird heute in der Pflanzenforschung sehr breit angewendet. Bilder: genfakten.ethz.ch gross


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Produkt aus der Biotech-Branche: Gen Chip zur Charakerisierung der Genaktivität. gross

Auf Anfrage der Webzeitung ETH Life stellt nun die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich eine Einschätzung für die heutige Lage im Biotech-Bereich vor. Die Zunahme der Beschäftigung in der Pharmaindustrie zwischen 1995 und 2001 von 20'000 auf 28'000 bestätige die damals prognostiziere Wachstumstendenz – dies umso mehr als in der restlichen Industrie in der gleichen Zeitspanne eine Abnahme der Beschäftigung zu verzeichnen war.

Ohne Biotech: Mehr Arbeitslose

Spyros Arvanitis kommt zum Schluss: „Ohne Biotech wäre ein Beschäftigungsrückgang in der Pharmaindustrie zu verzeichnen gewesen.“ Wie gross der Stellenzuwachs im Biotech-Bereich in absoluten Zahlen ist, kann der studierte Chemiker und Ökonom nicht beziffern: „Wir können nicht hingehen und jeden Angestellten zählen“, sagt er und weist darauf hin, dass in der Schweiz neben der Pharmaindustrie auch Zulieferer von Laboratoriumsausrüstungen, Diagnostikgeräten und Spezialprodukten stark zugenommen hätten, eine Erhebung der Gesamtbeschäftigtenzunahme deshalb enorm schwierig sei. Arvanitis geht aber davon aus, dass der grösste Teil des Wachstums der Pharmaindustrie durch die Bio- und Gentechnologie verursacht wurde.

Auch andere Studien bestätigen die Einschätzung der KOF-Experten. Die Credit Suisse schätzte im August 2004 in ihrem „Spotlight“ (4) die Anzahl Arbeitsplätze in der Biotech-Industrie im engeren Sinne (ohne die Grossfirmen) auf 8000, und Ernst & Young kam im 11. Europäischen Biotech-Report (5), veröffentlicht im Mai 2004, auf eine Stellenzahl von 13'000 (ebenfalls ohne Grossindustrie). Hervorragende Aussichten für die Branche, findet Spyros Arvanitis von der KOF: „Das Potential ist noch bei weitem nicht ausgeschöpft.“

Latente Technologiefeindlichkeit überwinden

Wie stark der der Forschungsplatz Schweiz davon profitieren kann und wird, ist allerdings eine offene Frage. Für Jürg Zürcher von Ernst & Young stehen die Chancen gut, denn „die Schweizer Biotech-Industrie ist im europäischen Umfeld hervorragend positioniert“. ETH-Forscher Spyros Arvanitis sieht vor allem für die Zulieferer grosses Potential. Keine Chance gibt er der Grünen Gentechnologie. Und Thomas Veraguth von der Credit Suisse sieht für die Branche „günstige Wachstumsbedingungen: „Biotechnologie-Firmen treffen (in der Schweiz) auf hochqualifizierte Fachkräfte, eine gut ausgebaute Infrastruktur sowie vergleichsweise wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen.“ Wie KOF-Forscher Arvanitis sieht Veraguth schwarz für die Grüne Gentechnologie und glaubt, dass die Schweiz in diesem Bereich „grosse Chancen“ verpasst. Nach Meinung des Finanzexperten Veraguth täte die Schweiz gut daran, die „latente Technologiefeindlichkeit“ zu überwinden.


Fussnoten:
(1) Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich: www.kof.ethz.ch/
(2) Günter Spaar: „Das neue Eldorado? Die wirtschaftliche Bedeutung der Gentechnologie“, Basler Appell gegen Gentechnologie, September 1996: www.baslerappell.ch/
(3) Spyros Arvanitis, Bernd Schips: „Lage und Perspektiven der Gentechnologie in der Schweiz. Eine ökonomische Analyse anhand von Firmendaten“, KOF Zürich, August 1996
(4) Thomas Veraguth: „Spotlight. Technologiestandort Schweiz: Zukunft der Biotechnologie“, Credit Suisse, August 2004: https://entry4.credit-suisse.ch/csfs/research/p/d/de/publikationen/media/pdf/spo_0409_biotechnologie_de.pdf
(5) 11. Europäischer Biotech-Report von Ernst & Young, Medienmitteilung vom 13. Mai 2004: www2.eycom.ch/media/mediareleases/releases/20040513/de.aspx



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