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Rubrik: Tagesberichte |
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Lafora-Krankheit und abnorme Stärkeanreicherung Erstaunliche Analogie |
Was hat eine tödliche Epilepsie beim Menschen mit der abnormen Anreicherung von Stärke in einer Pflanzenzelle zu tun? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten viel. Beide Vorgänge hängen von einem erstaunlich ähnlichen Gen ab. Ist es defekt, gerät bei Mensch und Pflanze die Speicherung von Reservestoffen aus dem Gleichgewicht. Eigentlich wollten die Forscherinnen und Forscher vor allem mehr über den Stärkestoffwechsel der Pflanzen herausfinden. Entdeckt haben sie aber eine erstaunliche Analogie zwischen dem Menschen und der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Das SEX4-Protein (englisch für starch excess, also Stärkeüberschuss) dieser Pflanze ist, wie die Wissenschaftler zeigen konnten, ein wichtiger Faktor, der den Stärkehaushalt regelt. Gendefekt führt zu abnormer Stärke-Anreicherung Stärke wird während des Tages durch die Photosynthese in den grünen Pflanzenteilen gebildet und ist die wichtigste Speicherform von Kohlenhydraten. In der Nacht muss die Pflanze aber diese Stärke in Saccharose umwandeln. Dies deshalb, weil die Pflanze in der Nacht atmet und dabei Saccharose verbraucht, um Energie für die Atmung zu gewinnen. Bei der Umwandlung von Stärke in Saccharose hilft das SEX4-Protein. Fehlt es, zum Beispiel wegen eines Schadens des Gens, das für den Bau dieses Enzyms die Information trägt, kann sich Stärke in unnatürlicher Weise in der Zelle ansammeln. Im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes „Überlebenserfolg von Pflanzen“ konnte ETH-Professor Samuel Zeeman vom Institut für Pflanzenwissenschaften und Kollegen von verschiedenen Schweizer und internationalen Universitäten das Gen identifizieren, das für das SEX4-Protein kodiert. (1) Zu ihrer Überraschung haben die Forscher festgestellt, dass in tierischen Zellen ähnliche Vorgänge ablaufen und dass sich die Strukturen der beteiligten Enzyme, nämlich die des SEX4-Proteins bei der Ackerschmalwand und die des Laforins beim Menschen und einigen Tierarten stark gleichen. Laforin reguliert in der tierischen Zelle den Glykogen-Stoffwechsel. Kann eine Zelle aufgrund einer Mutation am entsprechenden Gen kein Laforin mehr bilden, reichert sich in den Nervenzellen Glykogen an. Dadurch sterben diese Neuronen ab.
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Heftige und unkontrollierbare Muskelkrämpfe treten auf. Diese Form der Epilepsie, bekannt als Lafora-Krankheit, verläuft tödlich. «Die Ähnlichkeit zwischen der Kontrolle des Stärke- und des Glykogenstoffwechsels ist verblüffend», sagt Samuel C. Zeeman. «Besonders wenn man bedenkt, dass die Glykogensynthese bei Tieren und die Stärkesynthese bei Pflanzen bedeutende Unterschiede aufweisen.» Behandlung nicht in Sicht Die Lafora-Krankheit ist eine seltene Erbkrankheit und beginnt bei Menschen in der späten Kindheit. Der langsame Zerfall des Nervensystems und die Abnahme der Hirnfunktionen sind typisch. Betroffene werden vollständig pflegebedürftig. Rund zwanzig Jahre nach Auftreten der ersten Symptome führt die Krankheit zum Tod. Aus den Pflanzenstudien lassen sich jedoch kaum direkte Behandlungsmethoden für die Lafora-Krankheit ableiten. Das Vorkommen verwandter Gene bei Pflanzen und Tieren kann aber dazu beitragen, den Mechanismus dieser unheilbaren Epilepsie besser zu verstehen. |
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Fussnoten:
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