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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.02.2003 06:00

ETH-Politologe Jürg M. Gabriel geht als Institutsleiter nach Malta
Mediterrane Herausforderung

Lust auf Neues ist für den ETH-Politologie-Professor Jürg Martin Gabriel auch mit 62 selbstverständlich. Er verlagert seinen Wirkungskreis in diesen Tagen nach Malta. Nicht um seine Memoiren zu schreiben, sondern um die Leitung eines internationalen Instituts für Diplomatenausbildung zu übernehmen.

Von Norbert Staub

Dass Jürg M. Gabriel noch einmal etwas ganz Neues anpackt, überrascht eigentlich nicht. Der 62-jährige ETH-Professor für Politikwissenschaften hat in seiner Karriere immer wieder unbekanntes Gelände beschritten. Als Romanischbündner zog der Zwanzigjährige in die USA und stieg dort die akademische Leiter hoch bis zum PhD. Kaum zurück in der Schweiz, liess er sich 1972 für drei Jahre an die Universität Yaoundé im westafrikanischen Kamerun verpflichten; auch damals schon im Rahmen der Diplomatenausbildung. Danach habilitierte er an der Universität St. Gallen, wurde Ordinarius und kam 1995 an die ETH. Auch hier reizte Jürg Gabriel das Neue: er baute den Studiengang für Berufsoffiziere zum B.A.-Studium in Staatswissenschaften (public affairs) aus.

Neuer Wirkungskreis auf Malta: Jürg Martin Gabriel, ETH-Professor für Internationale Beziehungen. gross

Schweiz fördert Diplomaten-Schulung

"Diese Aufgabe ist jetzt mit Erfolg zu Ende gebracht", stellt Gabriel fest. Seit Herbst 2002 läuft das B.A.-Studium. "Da habe ich mir gesagt: Warum in den verbleibenden zweieinhalb Berufsjahren bis zur Pensionierung nicht noch einmal etwas ganz anderes machen?" Dieses ,ganz Andere' wurde vom Schweizer Aussenministerium (EDA/DEZA) an ihn herangetragen und knüpft inhaltlich an sein Kamerun-Engagement an. Auf der Mittelmeerinsel Malta unterstützt das EDA zusammen mit dem HEI, dem Institut des Hautes Etudes Internationales der Uni Genf, das dortige Institut für Diplomaten-Ausbildung. Es nennt sich MEDAC und ist der Uni Malta angeschlossen. Das Kürzel steht für "Mediterranean Academy of Diplomatic Studies", und Jürg Gabriel übernimmt in den nächsten Tagen deren Leitung.

Chance für Jungdiplomaten

Gabriel wird der vierte Schweizer Direktor des 1990 gegründeten Instituts sein. Die MEDAC unterrichtet in erster Linie reguläre Studierende der Uni Malta, offeriert aber auch Jungdiplomaten aus Entwicklungs- und Transformationsländern des Mittelmeerraums einen zweisemestrigen, von der Schweiz finanzierten Stage. Als Abschluss winkt ein Master of Arts. Angesprochen sind etwa die Maghreb-Staaten, die Türkei und der Nahe Osten. Aber auch Stagiaires aus Ländern wie Georgien und Kroatien wurden schon berücksichtigt.


MEDAC und die Uni Malta

Die Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) wurde 1990 gemeinsam von der Universität Malta und dem Genfer Hochschulinstitut für Internationale Studien gegründet. Letzteres blickt auf eine lange Erfahrung im Bereich der internationalen Diplomatenausbildung zurück. Das Genfer Institut hat auch Aufbauhilfe für Diplomaten-Ausbildungsprogramme in Trinidad, Kamerun und Kenia geleistet. Die Schweiz hat diese Institute finanziell unterstützt.

Die Universität Malta, die heute rund 8'000 Studierende beheimatet, hat ihre Wurzeln in einem 1592 gegründeten Jesuitenkolleg. Die eigentliche Universitätsgründung erfolgte 1769. In der langen Phase der britischen Kolonisierung wurde die Uni stark von der angelsächsischen akademischen Kultur geprägt. Eine Folge dessen sind laut Jürg Martin Gabriel ausgezeichnete Bibliotheken und Buchläden auf dem Campus. Ihre Prioritäten setzt die Uni Malta heute in den Ingenieurwissenschaften, der Informationstechnologie und den Erziehnungswissenschaften.




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Von der Schweiz unterstützt: die Mediterranean Academy of Diplomatic Studies in Malta. gross

Das Interesse ist gross: "Malta ist das einzige englischsprachige Land mit Universität im Mittelmeerraum", erklärt Gabriel. Die Höhe der Sprachhürde sei allerdings nicht zu unterschätzen. Englisch beansprucht zwar den Status einer lingua franca, ist aber im Mittelmeerraum alles andere als geläufig. Das Studium ist denn auch, obwohl akademisch fundiert, betont praxisorientiert. Die Fächer Völkerrecht, Politikwissenschaften, Ökonomie und Geschichte bilden die Basis für das Ziel, die Kandidaten in ihren diplomatischen Kompetenzen zu schulen. Den Praxisbezug gewährleistet etwa die Tatsache, dass die MEDAC auch den ehemaligen Aussenminister Maltas zu ihren Dozenten zählt, der für diplomatische Simulationen zuständig ist.

Problematische Brückenfunktion

Der Mittelmeerraum ist ein konfliktträchtiger Teil der Welt. Doch wer sich von der maltesischen Diplomaten-Akademie erhofft, sie fungiere als Forum Betroffener, die kraft ihres Know-Hows schwelenden Konflikten zu Leibe rücken könnten, geht fehl. "Das wäre naiv", meint der neue MEDAC-Leiter dazu. "Bleiben wir doch realistisch: meine Rolle ist die eines Hochschullehrers, dessen Aufgabe nicht primär Friedensstiftung, sondern Bewusstseinsbildung ist." Es wäre vermessen, so Gabriel weiter, die MEDAC als politische Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten zu sehen.

Brücke sein: Dies ist allerdings eine Rolle, die Malta aufgrund seiner bewegten Geschichte und seiner geopolitischen Lage immer wieder zugeschrieben wurde. Nach seiner Unabhängigkeit von England 1964 hat das vielfach kolonialisierte (und zerstörte) Land den Weg des Neutralismus beschritten - mit dem Resultat einer zunehmenden Isolation. Diese Phase neigt sich möglicherweise dem Ende zu: In wenigen Wochen wird über den EU-Beitritt abgestimmt. Das Resultat dürfte knapp ausfallen.

Historische Stadt mit bewegter Geschichte im Zentrum des Mittelmeers: La Valletta, die Hauptstadt Maltas. gross

Auf Europa ausgerichtet

Jürg Martin Gabriel hat diese Entwicklung im Blick, wenn er über die Ausrichtung seines mit vier festangestellten Akademikern doch recht kleinen Instituts nachdenkt: "Wir brauchen neben dem Genfer HEI mehr Partner aus den renommierten Universitäten Europas; Völkerrechtler aus London zum Beispiel oder Ökonomen aus Brüssel oder Florenz." Nichts wäre laut Gabriel falscher, als die Lehre personell und inhaltlich auf den Mittelmeerraum zu beschränken. "Wir streben eine Ausbildung nach betont europäischen Standards an. Den Studierenden werden aufgeklärte -man kann auch sagen: westliche - Werte vermittelt." Seine Hauptaufgabe nimmt sich indessen profaner aus, als es der erste Blick auf sein Projekt verspricht. Verwaltung und Management sind seine Hauptaufgaben, insbesondere das Management der Finanzen. "Hier ist an der MEDAC gegenwärtig eine feste Hand gefragt", sagt Gabriel.

Wunschpartnerin ETH

Zu seinen Wunschpartnern gehört, natürlich, auch die ETH. Ihr riesiger Erfahrungsschatz wäre mehr als willkommen. In Sachen E- und Distance-Learning zeichnet sich mit dem NET möglicherweise eine Beratungslösung ab. Und bei der Lehre selbst hofft der neue Direktor, auch ehemalige Kollegen des Center for International Studies (CIS) als Gastdozenten nach Malta holen zu können. In Anbetracht der kulturellen und klimatischen Verlockungen der Insel sollte dies nicht allzu schwer sein.


Literaturhinweise:
Website der Universität Malta: www.um.edu.mt
Website der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies: http://medac.diplomacy.edu



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