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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.01.2007 06:00

Biographie über Gabriel Narutowicz
ETH-Professor und polnischer Präsident

Erstmal liegt eine Biographie über Gabriel Narutowicz, ETH-Professor, Schweizer Wasserbaupionier und polnischer Präsident für fünf Tage, in Deutsch vor. Das kürzlich erschienene Werk gibt einen unaufgeregten Einblick in das schliesslich tragische Schicksal eines liberalen, Technik begeisterten Menschen.

Christoph Meier

Kennen Sie Gabriel Narutowicz? – Diese Frage werden im deutschsprachigen Raum wohl die meisten Personen verneinen. Einige ETH-Angehörige, die sich nicht sicher sind, mögen sich vielleicht knapp an den Namen erinnern, da eine Gedenktafel bei der ETH-Versuchsanstalt für Wasserbau an den ehemaligen Professor erinnert. Dieses Verschwinden aus dem breiteren Bewusstsein ist erstaunlich, da der aussergewöhnliche Lebenslauf und das Wirken Narutowicz’ mehr Aufmerksamkeit verdienen würde.

Geboren wurde Gabriel Narutowiz 1856 im heutigen Litauen. Er studierte in St. Petersburg und kam 1886 für eine Kur nach Davos. Im Herbst desselben Jahres begann er sein Studium an der ETH Zürich, für das er aufgrund seiner Krankheit ein Jahr mehr benötigte als üblich. Nachher arbeitete er in einem führenden Ingenieurbüro für Wasserkraft in der Ostschweiz. In dieser Zeit erwarb er auch das Schweizer Bürgerrecht. 1907 wurde Narutowicz an die ETH als Professor für Wasserbau berufen. Er betrieb aber weiterhin sein eigenes Ingenieurbüro, das an Grossprojekten wie dem Kraftwerk Eglisau, dem Kraftwerk Mühleberg oder den Kraftwerken Oberhasli beteiligt war.

Obwohl schon immer interessiert und in der Schweiz in Kontakt mit anderen Polen, politisch aktiv für seine ursprüngliche Heimat wurde Narutowicz erst während des ersten Weltkriegs. Als 1916 Polen als Staat wieder entstand, begrüsste er diese Entwicklung als Neuanfang. Nach dem Tod seiner Gattin 1920 kehrte der Wasserbaufachmann als Minister für öffentliche Bauten nach Polen zurück. 1922 wurde er Aussenminister und Ende dieses Jahres mit Hilfe der Stimmen nationaler Minderheiten zum Präsidenten gewählt. Fünf Tage nach der Wahl ermoderte ein polnischer Nationalist Narutowicz.

„Der Ingenieur ist wie Gott“

Der Danziger Historiker Marek Andrzejewski zeichnet in seinem Buch „Gabriel Narutowicz - Wasserbauer, Hochschullehrer und Politiker“ diesen ungewöhnlichen Lebenslauf nach (1). Dabei widmet er rund die Hälfte des Werkes der Zeit Narutowicz’ in der Schweiz, was nur beschränkt Platz lässt für die Umstände und Entwicklungen in Polen. Das führt zu dazu, dass man als Leser spannende und amüsante Einblicke in die damalige Zeit hierzulande erhält, die Entwicklung in Polen aber nur schwer einordnen kann.

An der Nutzung der Wasserkraft zur Gewinnung der Elektrizität war Narutowicz massgeblich beteiligt: Hier das vom ihm geplante Kraftwerk Eglisau. gross


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Erstmals liegt eine deutsche Biographie vor über den Wasserbauingenieur, ETH-Professor und polnischen Präsidenten, Gabriel Narutowicz gross

So war Narutowicz zur gleichen Zeit in Zürich wie Rosa Luxemburg und sprach so gut Schweizerdeutsch, dass ihn die Marktfrauen für einen Landsmann hielten. Auch wird offensichtlich, wie er entscheidenden Einfluss auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz nahm. Die Politisierung des Ingenieurs wird unter anderem durch ein Zitat seines Freundes und späteren ETH-Rektors Arthur Rohn geschildert: „Nach dem ersten Weltkrieg lernte ich Narutowicz als feurigen Patrioten kennen. … Die Befreiung Polens war ihm zur Religion geworden; er war bereit, jede Lösung anzunehmen, die diese Befreiung einigermassen verwirklichen liess.“

Polen auch heute noch gefährdet

Insgesamt entsteht ein Bild eines pflichtbewussten, liberalen, auf die Praxis ausgerichteten und zurückhaltenden Mannes, dessen Begeisterung für Technik in Sätzen mündet wie „Ein Ingenieur ist wie Gott“.

Das neue Buch ist in einem zurückhaltenden, eher akademischen Stil geschrieben, wobei die Sympathie des Autoren für Narutowicz durchschlägt. Nachdenklich stimmt der Schluss des Werkes, wo Andrzejewski auch im modernen Polen vergleichbare unschöne Kampagnen zu erkennen glaubt wie diejenige, die zum Tode von Gabriel Narutowicz führte. Die neue Biographie, welche die erste in Deutsch über diese Persönlichkeit ist, wird kaum die Situation in Polen verbessern, aber vielleicht gibt sie Gegensteuer zur Entwicklung, dass Narutowicz im deutschsprachigen Raum ganz in Vergessenheit gerät.


Fussnoten:
(1) Gabriel Narutovicz. Wasserbauer, Hochschullehrer und Politiker. Marek Andrzejewski. Verlag Neue Zürcher Zeitung. 272 Seiten / Format: 15.0 x 22.0 cm / 2006 / 20 schwarzweisse Abbildungen / Leinen / ISBN: 978-3-03823-263-6 CHF 48.00



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