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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.06.2007 06:00

Forschungsprojekt zu Photoinitiator Irgacure 819
Aus Bieridee wurde Chemiepreis

Eine Verbesserung der Synthese des Photoinitiators Irgacure 819 brachte einer Gruppe von Chemikern um ETH-Professor Hansjörg Grützmacher und von der Ciba Spezialitätenchemie den Sandmeyer-Preis 2007 ein. Die Initialzündung für das Projekt kam bei einem Bierchen unter Freunden.

Peter Rüegg

Eigentlich wollte der ETH-Professor für anorganische Chemie, Hansjörg Grützmacher, auf dem Nachhauseweg von einem Vortrag in Paris am Badischen Bahnhof in Basel nur zwei befreundete Kollegen treffen. Ein Bierchen trinken, ein wenig fachsimpeln. Dabei erfuhr er von seinen Bekannten, beide von der Ciba Spezialitätenchemie, dass es bei der Herstellung des phosphorhaltigen Photoinitiators Irgacure 819, einem Bis-acylphosphanoxid (BAPO), grosse Probleme gegeben hat.

UV-Schutz versus Polymerisation

Diese Stoffe kommen in einer ganzen Palette von Produkten vor. Sie sind in Autolackierungen, DVDs, CDs oder auch Zahnfüllungen enthalten. Bei letzteren bildet sich unter UV-Licht dank eines solchen BAPO aus einem weichen formbaren Monomer ein hartes, stark vernetztes Polymer, das die Füllung bildet. Bei Lacken und anderen Oberflächenbehandlungen hingegen besteht die Herausforderung darin, einen Photoinitiator einzusetzen, der in Gegenwart von UV-Strahlung absorbierenden Substanzen, die die Oberfläche lichtbeständiger machen, dennoch die Polymerisation der Beschichtung einleitet. Zusätzlich soll die Farbe der Oberfläche nicht verändert werden. Ein Beispiel für einen solchen Photoinitiator ist Irgacure 819, ein Erfolgsprodukt der Ciba Spezialitätenchemie. Einen Nachteil hatte dieser Wunderstoff trotzdem. Seine Herstellung war nicht ganz ungefährlich, der Syntheseprozess relativ teuer und auch die Ausbeute betrug nur ungefähr 60 Prozent.

Hansjörg Grützmacher wurde hellhörig. Und beim Bier entwickelten die drei Chemiker schliesslich erste Ideen, wie die Synthese von Irgacure 819 effizienter und umweltschonender gestaltet werden könnte. Die Umsetzung dieser Ideen sollte schliesslich mit dem Sandmeyer-Preis 2007, einem der wichtigsten Preise in der schweizerischen Chemie, belohnt werden. (1)

Anfangsschwierigkeiten hartnäckig überwunden

Der ETH-Professor reiste noch am selben Abend in sein Labor auf dem Hönggerberg, wo er seinem Doktoranden Jens Geier die Geschichte erzählte, und ihn darauf brachte, bei der Synthese des Photoinitiators Natrium statt des wesentlich teureren Lithiums einzusetzen. Doch dieser erste Versuch schlug fehl. Stattdessen sahen sich die ETH-Chemiker mit einem schwierig zu beseitigenden Gemisch von Chemikalien konfrontiert. Statt diesen zu entsorgen, tüftelten die Forscher weiter. Und fanden einen bisher nicht eingesetzten Zusatzstoff, mit dem die vollständige chemische Umsetzung der Ausgangskomponenten gelang. „Wir haben etwas gefunden, das die Reaktion ermöglichte“, sagt Grützmacher. „Und das schöne daran ist, dass das zunächst erhaltene Produkt neu und auch aus akademischer Sicht hochinteressant war.“

Innerhalb von 3 Jahren schaffte es seine Gruppe in Zusammenarbeit mit der Ciba Spezialitätenchemie, den neuen Syntheseweg in eine industrielle Anwendung zu überführen. „Ein traumhaftes Projekt“, nennt es Grützmacher rückblickend. Beim neuen Syntheseverfahren entstehe eine gleichmässige Wärmeverteilung, alle Ausgangsstoffe seien billig und kommerziell verfügbar. Die Ausbeute habe sich zudem auf gegen 85 Prozent steigern lassen.


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Experimentieren mit Köpfchen und aus dem Bauch heraus: Professor Hansjörg Grützmacher und sein Oberassistent Hartmut Schönberg im Labor. gross

Die an dem Projekt beteiligten Doktoranden Jens Geier und Daniel Stein, die zusammen mit dem Oberassistenten Hartmut Schönberg die Forschungsarbeiten an der ETH durchführten, fanden zudem heraus, dass viele zu diesem Thema veröffentlichten Beiträge korrigiert werden mussten. Dadurch konnten die beiden auch wissenschaftlich hervorragende Promotionsarbeiten schreiben.

Nichts geht über menschliche Kontakte

Ausserdem lässt sich das entdeckte Verfahren auch auf andere Ausgangsmaterialien übertragen und ermöglicht die Synthese neuer Familien von Photoinitiatoren. Für die Ciba hat sich die Zusammenarbeit mit dem ETH-Labor für Anorganische Chemie ebenfalls ausbezahlt. Für Hansjörg Grützmacher beruht der Erfolg dieser Geschichte im Wesentlichen auf guten menschlichen Kontakten zwischen einem Industrie- und einem Hochschulforschungslabor sowie dem Willen, ein neues Forschungsprojekt zu beginnen. „Das ist nicht durch Videokonferenzen oder per Internet zu erreichen“, sagt er. Das Vertrauen von Mensch zu Mensch hat über den Beginn und den Erfolg dieses Forschungsprojekts entschieden.

Der ETH-Professor ist zudem überzeugt, dass in BAPOSs noch viel Potenzial steckt. Eine weitere mögliche Anwendung: Baumwollfilter für die Trinkwasseraufbereitung, deren Oberflächen antimikrobiell behandelt sind. Auch hier könnten geeignete Photoinitiatoren gute Dienste leisten. Weiter arbeitet er – wie viele Kollegen am Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB) - an neuen Methoden in der homogenen Katalyse. „Damit kann man viel Energie sparen.“

Forschungsgebiet mit grossem Potenzial in der Schweiz

„In der Chemie gibt es noch so viele Dinge zu entdecken“, schwärmt Grützmacher. Ein Ziel seiner Gruppe sei es, ganz allgemein funktionelle Hauptgruppenelementverbindungen (2) besser kennenzulernen und die Mechanismen zu verstehen, die zu diesen Verbindungen führen. „Das ist noch richtiges Experimentieren aus dem Bauch heraus“, sagt er. Seine Gruppe (3)ist eine der wenigen in der Schweiz, die sich mit der Hauptgruppenelementchemie auseinandersetzt. Viele Verbindungen aus diesem Forschungsbereich weisen intrinsisch niedrige Bindungsenergien auf und daher müssen oft spezielle Techniken zu ihrer Synthese entwickelt werden.

Photoinitiatoren sind nur ein Anwendungsbeispiel von vielen möglichen. „Molekulare Hauptgruppenelementverbindungen werden vermehrt Bedeutung in der gezielten Herstellung neuer Materialien erhalten. Aus diesem Grund müssen rechtzeitig geeignete, unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten vertretbare, Herstellungsverfahren entwickelt werden“, erklärt er. Weiter arbeitet Grützmachers Gruppe auch an umweltverträglichen Flammschutzmitteln und Oberflächenbehandlungen.


Fussnoten:
(1) vgl. ETH Life-Bericht "Photoinitiator löste Preis aus": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/sandmeyer07.html
(2) Hauptgruppenelemente: http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptgruppe
(3) Website der Gruppe von Prof. Grützmacher: http://minze.ethz.ch/



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