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Rubrik: Tagesberichte |
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Schulbesuch beim Kernspin-Tomographen im Rahmen der Brainweek Blick ins Hirn |
Während der "Woche des Gehirns" besichtigte eine Gymnasialklasse den Magnetresonanz-Tomographen des Instituts für Biomedizinische Technik von Uni und ETH. Die funktionale Magnetresonanz-Tomographie (fMRI, siehe Kasten) liefert Erkenntnisse über Hirnaktivitäten und machte es möglich, im Gehirn die Zentren fürs Verliebtsein, fürs richtige Zuhören oder für lustige Witze zu lokalisieren. Von Jakob Lindenmeyer und Dora Fitzli "Eine Maschine, wo man eine Person reinschieben kann; halt wie ein Backofen", so die Vorstellung des Schülers Andreas Meier (17) vor der fMRI-Besichtigung. Viel Konkretes erwarten die drei Schülerinnen und sechs Schüler der Klasse 5R des Mathematisch naturwissenschaftlichen Gymnasiums Oerlikon nicht - einfach dass es interessant werde. Ganz anders der 56-jährige Biologielehrer Andreas Brunnert, der die Besuchstage während der Brainweek nutzt, um seiner Gymnasialklasse mit Schwerpunkt Chemie/Biologie die Neurologie durch diesen direkten Einblick ins Gehirn näher zu bringen.
Zu Beginn heisst es für die Schülerinnen und Schüler, Kreditkarten, Handys, und metallische Gegenstände in Schliessfächern abzulegen. Die starken Magnetfelder der Tomographen würden sämtliche auf Magnetstreifen und Chips gespeicherten Informationen löschen. Bei eingeschaltetem Magnetfeld lässt sich eine Metallzange kaum noch halten (siehe Bild oben), so stark zieht das Magnetfeld metallische Gegenstände in die Röhre. Nicht auszudenken, wie der Körper eines Patienten mit Metallsplitterverletzungen zerfetzt würde. Darum wird vor der MR-Untersuchung auch sorgfältig abgeklärt, ob sich keine Granatsplitter, Gewehrkugeln oder magnetische Zahnplomben im Körper des Patienten befinden. Ausschlussgrund ist auch ein Bauchdurchmesser von über 70 Zentimetern, um nicht zu riskieren, dass jemand in der Röhre stecken bleibt. Europaweit stärkster Tomograph Thomas Järmann und Conny Schmidt, zwei Doktorierende am Institut für Biomedizinische Technik der Universität und der ETH, führen die Klasse durch das im Umbau stehende Tomographiezentrum des Universitätsspitals. Hier sind mehrere Tomographen im Einsatz. Die einen werden für die Untersuchung von Patienten gebraucht, die anderen sind eher für die Forschung reserviert. Stolz weisen Schmidt und Järmann darauf hin, dass hier in zwei Monaten ein neuer Magnetresonanz-Tomograph mit dem europaweit stärksten Magnetfeld stehen wird. Vor der eigentlichen Besichtigung des Tomographen erklären Järmann und Schmidt die fMRI-Technik (siehe Kasten). Die Grundzüge werden verständlich vermittelt, doch es wird auch bald klar, dass die Röhre doch nicht so einfach ist wie ein Fotoapparat. Die MR-Tomographie wird seit 15 Jahren klinisch angewendet. Bis heute sind noch keine Langzeitschäden bekannt. Persönlich ist Järmann überzeugt, dass die MR-Strahlung für das Gewebe unschädlich ist: "Die eingestrahlten Energien sind zu gering." Allerdings ist er sich dem Wandel der Erkenntnis bewusst: "Vor 500 Jahren hätten sie jeden als Ketzer verbrannt, der behauptete, man werde je auf den Mond fliegen." Schülerin in der Röhre Für die Demonstration der Funktionsweise des Magnetresonanz-Tomographen erklärt sich die mutige Julia Studer (18) bereit, in die Röhre zu steigen (siehe Bild rechts). "Jetzt haben wir endlich den Beweis, dass Julia ein Hirn hat", kommentiert frech ein Mitschüler, nachdem seine Klassenkollegin in die MR-Röhre geschoben wurde und der erste Hirnschnitt auf dem Bildschirm erscheint. Julia liegt etwa 20 Minuten in der Röhre. Zuerst werden anatomische Bilder ihres Gehirns aufgenommen. Dann folgt der eigentliche Hirnaktivitätstest. Sie bekommt in kurzen und regelmässigen Abständen ein Schachbrettbild zu sehen, dazwischen ist es dunkel. Somit ist Julias Arbeit getan und die aufwändige Auswertung der riesigen Bilderflut kann beginnen. Bilderflut überfordert In 20 Minuten Untersuchungszeit werden mit dem MR-Tomographen über 10'000 Bilder aufgenommen. "Mit der statistischen Analyse sind die Rechner des Tomographen zur Zeit leistungsmässig noch überfordert", erklärt Järmann die Problematik. Darum hat er separat eine eindrückliche Rechnerflotte mit gigabytestarkem Arbeitsspeicher aufgebaut, um die Datenflut zu bewältigen. Die Klasse wartet gespannt. Dann erscheinen in Regionen im hinteren Grosshirn rote Punkte - dort liegt also Julias Seh-Zentrum. Rückgriff auf Bewährtes
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Verblüffendes aus der fMRI-Forschung Wiederholt sorgte die fMRI-Forschung in den letzten Jahren für Schlagzeilen in der Tagespresse. Durch raffinierte fMRI-Experimente können immer mehr Situationen aus dem Alltag mit spezifischen Hirnaktivitäten assoziiert werden. Dies führt teilweise zu verblüffenden Erkenntnissen. Der Aufbau der Experimente ist allerdings nicht immer so einfach wie nachträglich an drei Beispielen erläutert. "Das Gehirn lässt sich auch mit fMRI nicht einfach per Knopfdruck seine Geheimnisse entlocken", erklärt Järmann. "Vor allem wenn es sich um komplizierte Funktionen wie Sprache oder Gedächtnis handelt." Bald Liebestest per fMRI? "Schweizer Hirnforscher beweist: Liebe macht dumm", titelte das Boulevardblatt "Blick" vor einer Woche in vier Zentimeter grossen Lettern zuoberst auf der Frontseite. Den in der Tomographenröhre liegenden frischverliebten Probanden wurde ein Bild des Partners gezeigt. Mittels fMRI konnten darauf vier sogenannte "Liebesregionen" mit besonders starker Hirnaktivität lokalisiert werden. Erstaunlicherweise beobachtete man bei Kokain-Konsum in denselben Hirnregionen ebenfalls eine erhöhte Aktivität. Im Gegenzug gingen in den "Depressions-Regionen" des Hirns die Aktivitäten zurück, was den "Blick" zu folgender Schlussfolgerung veranlasste: "Liebe ist das beste Heilmittel gegen Depressionen". Der Tages-Anzeiger berichtete vor drei Tagen über die Farbwahrnehmung und vor zwei Wochen von der Entdeckung des "lustigen Flecks" im Gehirn[2]. Den Versuchspersonen wurden Wortspiele und semantische Gags erzählt, wie beispielsweise: "What do engineers use for birth control? ...Their personalities." Dabei wurden mittels fMRI die aktivierten Hirnregionen untersucht. Damit sich die Probanden während den Messungen in der Röhre vor Lachen nicht zu stark schüttelten, durften die Witze nur mässig unterhaltsam sein. Dies hinderte einige "Scherzkekse" allerdings nicht daran, sich trotzdem "krumm" zu lachen und dabei tüchtig den "lustigen Fleck" im Vorderhirn zu aktivieren. Sind Frauen fantasievoller? Bereits Ende letzten Jahres befasste sich eine amerikanische fMRI-Forschungsgruppe mit einem Vorurteil vieler Frauen: Männer können schlecht zuhören. Den Probanden wurde ein Roman vorgelesen. Gleichzeitig wurde ihre Hirnaktivität mittels fMRI untersucht. Die Männer aktivieren beim Zuhören jeweils nur das Hör- und Sprechzentrum in der linken Hirnhälfte. Die Frauen hingegen aktivieren zusätzlich noch Regionen in der rechten Hirnhälfte, die für musikalische Darbietungen und das Verständnis räumlicher Bezüge verantwortlich sind. Womöglich entwickeln Frauen dadurch beim Zuhören mehr Fantasie als Männer, die sich eher auf das Wesentliche konzentrieren, spekulierte der Radiologe Joseph Lurito aufgrund der Studie. Nach dem Beweis der geschlechterspezifischen Verarbeitung beim Zuhören sollen Folgestudien nun Unterschiede bei der Rehabilitation von Hirntumoren oder Schlaganfällen untersuchen.
fMRI-Forscher Järmann will mit seiner Öffentlichkeitsarbeit Vorurteilen und Ängsten in der Bevölkerung entgegenwirken: "Forschung wird nicht nur im stillen Kämmerlein betrieben", ...sondern mit einer grossen Röhre :-)
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Literaturhinweise:
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