|
Rubrik: Tagesberichte |
Print-Version
|
ETH-ags Kolloquium zu Nachhaltiger Produktion Nutzen statt Besitzen |
Was interessiert den Hausbesitzer an einer Waschmaschine? – Ihre Waschleistung. Dass die Maschine für das Erreichen dieses Ziels nicht unbedingt besessen werden muss, ist heute noch zuwenig bewusst – und wird von der Industrie auch nicht sonderlich gefördert. Die Zürcher Niederlassung der „Alliance for Global Sustainability“ an der ETH fokussiert an ihrem morgigen ersten Nachhaltigkeits-Kolloquium (1) auf intelligente Alternativen zur herkömmlichen Güterproduktion. Von Norbert Staub „Konsumenten sind vor allem an der Dienstleistung eines Produktes und nicht an dessen Besitz interessiert, auch wenn es unseren bisherigen Handelsgewohnheiten widerspricht“, sagt Roger Baud, und Geschäftsleiter der „ETHags“, des Center for Sustainability at ETH Zurich. Eine Antwort auf diese Erkenntnis heisst „PSS“. Das Kürzel steht für "Product Service Systems" und bezeichnet Methoden, um Produkte ganz gezielt auf die vom Konsumierenden gewünschte Leistung hin zu optimieren. Dies geschieht nur zum Teil über die technische Optimierung des Produkts selbst (etwa indem Ressourcen gespart, Stoffströme reduziert und damit die Umwelt geschont wird). Für wirkungsvolle Product Service Systems müssen, meint Roger Baud, auch Infrastrukturen, die beteiligten Institutionen und Personen berücksichtigt werden. – Eine Gesamtsicht auf den Herstellungsprozess also, die strikt auf die Nutzer-Seite fokussiert; und auf Nachhaltigkeit. Am ersten Nachhaltigkeits-Kolloquium des Center for Sustainability, das morgen Mittwoch an der ETH stattfindet (1), werden die Grundlagen und einige bereits funktionierende Beispiele nachhaltiger Produktion aus Europa und Asien diskutiert und präsentiert. Belastungen reduzieren „Allgemein ist zuwenig bewusst, dass das Design eines Produkts und die Art, wie es genutzt wird, sich in allen seinen ‚Lebens’-Phasen stark auf das soziale und ökologische Umfeld auswirkt“, erklärt der ETH-Maschineningenieur und Betriebswissenschaftler Rainer Züst, der bei ETHags in der Geschäftsleitung sitzt. „So verursacht eine Kleiderwaschmaschine bei intensiver Nutzung einen hohen Verbrauch an Wasser, Energie und Waschpulver und produziert Schmutzwasser. Daraus resultieren in der Nutzungsphase hohe Umweltbelastungen.“ Verbesserungen seien hier beispielsweise über die Funktionsweise zu erzielen. So müsse darauf geachtet werden, dass die Maschine bei Technologiesprüngen leicht aufgerüstet werden kann. Zudem sei die Wartbarkeit optimierbar: indem etwa Anzeige- und Warnsysteme installiert werden, um erforderliche Service-Intervalle anzuzeigen, meint Züst. Und schliesslich könne, unter Einbezug der Benutzenden, eine Verbrauchsreduktion angepeilt werden: durch die vom Hersteller angestrebte und von intelligenten Funktionen unterstützte Vermeidung von Fehlnutzungen (durch Berücksichtigung von Füll- und Verschmutzungsgrad sowie Dosierung des Waschpulvers). Gewandelte Verantwortung „Die Waschmaschine erscheint nun in einem breiteren Rahmen“, sagt Rainer Züst. „Mit dieser Öffnung der Systemgrenzen sind auch neue Innovationsstrategien möglich. Ziel könnte laut Rainer Züst ein ‚Waschsystem’ sein, bei dem der Kunde die Waschleistung bestellt und konsumiert. Weil der Hersteller neu Waschleistung anstatt physische Produkte verkauft, ist er direkt an einer optimalen Systemleistung interessiert.
|
Produkte müssten also Service-gerecht geplant und realisiert werden, ergänzt Roger Baud, da auf dieser Basis „der Produzent über die gesamte Nutzungsdauer des Gutes verantwortlich ist und den Verdienst primär über die Leistungserbringung und nicht über den Verkauf fertiger Produkte realisiert.“ Übrigens: Der Nachhaltigkeitseffekt von PSS liegt auf der Hand: der Konsument bezahlt lediglich für bezogene Leistungen und nicht für den Umstand, dass er ein Produkt sein Eigen nennen kann. Ein (Produkte-) Leben lang Kunde Dies allerdings bedingt einen fundamentalen Paradigmenwechsel seitens der stark auf den Güterabsatz erpichten Industrie. Die Anreize dafür müssten wohl von der Politik kommen, und natürlich von den Konsumenten: Sie müssen lernen, den reinen Nutzen am Produkt über dessen Besitz zu stellen. PSS würde denn auch den Durchbruch für alternative Wirtschaftsmodelle und Finanzierungs-Mechanismen bedeuten, meint Roger Baud. „Die Finanzleistungen der Konsumenten erfolgen während dem ganzen Lebenszyklus des Produkts auf Basis seiner Nutzungsfrequenzen und nicht bei der Produktanschaffung.“ Dieses scheibchenweise Zahlen – ähnlich dem Leasingverfahren –, und hier gar in unregelmässigen Beträgen, wäre für die Industrie natürlich gewöhnungsbedürftig. Doch liegen hier gemäss dem ETHags-Leiter auch neue Marktchancen: denn der lange Zeithorizont verspreche grössere finanzielle Wertschöpfungen als die isolierte Einmal-Zahlung. Umdenken müssten zudem die Finanzinstitute: sie wären gezwungen, sich mit Benutzer-freundlichen Produkten und Produktionsprozessen auseinander zu setzen und bei Finanzierung und Geldflussabläufen sowohl die Produktions- wie die Konsumenten-Seite zu berücksichtigen. „Dadurch werden sie in ganzheitliche und somit nachhaltige Handlungsoptionen eingebunden“, sagt Roger Baud. Die Gewinner von morgen Rainer Züst bestätigt, dass bei allen Beteiligten die Ansprüche steigen: „Bei der Entwicklung von marktfähigen PSS nimmt der Kooperationsbedarf mit weiteren Institutionen und Personen entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu.“ Man dürfe sich deshalb keinen Illusionen hingeben: Das multidisziplinäre und langfristig angelegte Konzept „Product Service Systems“ sei nicht so einfach umsetzbar. Entscheidend sei darum das Vorhandensein methodischer Unterstützung, der Aufbau von geeigneten Netzwerken sowie der Austausch von Erfahrungen. Nichtsdestoweniger ist der Ingenieur und Produktionswissenschaftler vom Potential der PSS überzeugt: „Nachhaltiges Produzieren ist eine unternehmerische Chance. Wer sie heute packt, kann morgen zu den Gewinnern gehören.“ |
||||||
Literaturhinweise:
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |