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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.01.2003 06:00

Nobelpreis-Party auf dem Hönggerberg
Fest für einen und alle

Gegen 800 Gäste, ETH-Angehörige und Zugewandte, liessen am 16. Januar anlässlich einer rauschenden Party im Physikgebäude auf dem Campus Hönggerberg Nobelpreisträger Kurt Wüthrich noch einmal zünftig hochleben. Das Fest markierte gleichzeitig einen Schlusspunkt für die zahlreichen Anlässe im Zusammenhang mit der Preisverleihung.

Von Norbert Staub

Wer noch nicht gemerkt hatte, dass etwas Besonderes los war, wurde um 18 Uhr 15 alarmiert: die ETH-Big-Band hatte bereits ihren professionellen Soundteppich ins ETH-Physikgebäude gelegt, jetzt aber erzitterte der in festlich-blaues Licht getauchte Bau buchstäblich, als ein Feuerwehr-Oldtimer unüberseh- und -hörbar die Rampe hochschnaufte, und Feuerwerk sowie laute Knalller die Einfahrt begleiteten.

Für einmal ganz in Blau: Physik-Gebäude erstrahlt zu Ehren von Kurt Wüthrich. gross

Geballte Forscherprominenz

Dem Gefährt entstieg der Nobelpreisträger Kurt Wüthrich mit seiner Frau Marianne. Empfangen wurde er von der ETH-Schulleitung in corpore sowie von ETH-Ratspräsident Francis Waldvogel. An die 800 Gäste erwarteten Kurt Wüthrich bereits, unter ihnen mit Richard Ernst, Alex Müller, Werner Arber und Rolf Zinkernagel vier weitere Schweizer Nobelpreisträger sowie Prominenz aus Wirtschaft und Politik. So war Zürichs Stadtpräsident Elmar Ledergerber auf dem Hönggerberg, zudem der Zürcher Bildungsdirektor Ernst Buschor und zahlreiche VertreterInnen des Bundesparlaments.

Er wolle keine grosse Rede halten, sagte ETH-Präsident Olaf Kübler zur Begrüssung. Man wolle sich jetzt einfach noch einmal ausgiebig zusammen mit Kurt Wüthrich freuen und anstossen auf "die Schönheit, Tiefe und Faszination der Wissenschaft", so Kübler. Diese Faszination und Leidenschaft ist wohl Voraussetzung dafür, dass sich Wüthrichs jahrzehntelange Arbeit zur Nobelpreis-reifen Leistung entwickelte.

Bekannter aus gemeinsamen Berner Tagen: Troubadour Jacob Stickelberger gross

Der Troubadour

Eine Ahnung, was dem zugrunde liegt, erhielten auch nicht ausgesprochene Wüthrich-Kenner mit den von vergnüglich bis nachdenklich reichenden Einlagen der Redner - von denen einer ein Sänger war: Der Berner Liedermacher und Anwalt Jacob Stickelberger hat Ende der 50er Jahre gemeinsam mit Wüthrich allgemein bildende Fächer an der Uni Bern besucht und seither den Kontakt aufrecht erhalten. Später erlangte Stickelberger im Kreis der legendären Berner Troubadoure um Mani Matter einige (nationale) Berühmtheit. Er besang das "allerschönschti Lied", für welches er "garantiert" auch einen Nobelpreis erhalten werde - jenen für Literatur nämlich. Jedoch: in der Begeisterung über den Wurf löst sich der Liedtext durch eine unglückliche Tastenfolge auf dem Computer in Luft auf: eine Parabel auf die Vergänglichkeit des Forscher-Ruhms?

Richard Ernst erinnerte an die Anfänge der gemeinsamen Forschung in den sechziger Jahren. gross

Immer schon nach Grossem gefischt

Wie dem auch sei, Wüthrichs Institutskollege Tim Richmond, auch er Professor für Molekularbiologie, illustrierte den fast unweigerlich zum Erfolg führenden Arbeitsstil des Gefeierten mit Erfolgsausweisen der anderen Art: in jüngeren Jahren hatte sich der Forscher auch schon mal als Sportfischer hervorgetan, der wiederholt besonders dicke Fische an Land zog. "Kurt is not afraid of hard work", verriet Richmond eines seiner Erfolgsgeheimnisse.


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Verdienter Kuss: Seelöwe Otto gratuliert dem Nobelpreisträger auf seine Weise. gross

Richard Ernst war sozusagen Wüthrichs "Vorgänger" als ETH-Nobelpreisträger. Er schilderte, wie die beiden vom Naturell her so verschiedenen Forscher ("ein richtiger Wüthrich und eine eher ernste Natur") Ende der 60er Jahre an der ETH zusammenfanden und gemeinsam den Grundstein zur NMR-Spektroskopie legten. Beide hatten in den USA wichtige Karrierestationen durchlaufen. Dies hielt den für sein ungeschminktes Wort bekannten Richard Ernst aber nicht davon ab, in einem Nebensatz den allfälligen "amoralischen und gewollten Irak-Krieg der USA und die davon profitierenden Ölfirmen" zu geisseln - was grossen Applaus im Saal auslöste.

Fach-Grenzen werden fliessend

Zuvor hatte ETH-Ratspräsident Francis Waldvogel die Bedeutung von Wüthrichs Spitzenleistungen für den Forschungsplatz Schweiz herausgestrichen. Um international mithalten zu können, brauche die Schweiz einige Forschungsgruppen von Wüthrichschem Kaliber. François Diederich, Vorsteher des Departements Chemie, machte darauf aufmerksam, dass Wüthrich ausgebildeter anorganischer Chemiker ist und beschenkte den Geehrten mit einer Kiste voller feinsinnig ausgesuchter Literatur: darunter Goethes "Faust", der den Zusammenhängen von Wissenschaft und Leben nachspürt, zudem Texte aus der Feder von Thomas Mann, der ebenfalls in Kalifornien und der Schweiz lebte, sowie von den ausgebildeten Chemikern Elias Canetti, Primo Levi und - wer hätte das gewusst? - Margaret Thatcher.

Fünf Schweizer Nobelpreisträger auf einer Bühne: Rolf Zinkernagel, Richard Ernst, Alex Müller, Werner Arber und Kurt Wüthrich (v.l.), rechts: ETH-Präsident Olaf Kübler. gross

Auch Hans-Rudolf Ott, Vorsteher des Departements Physik, zog seinen Hut vor Wüthrichs Leistung: "Was gibt es schöneres als einen Chemiker, der mit einer physikalischen Methode auf dem Feld der Biologie wirkt?" Der Inter- und Transdisziplinarität, so Ott, komme eine immer wichtigere Funktion zu, die Fachgrenzen würden fliessend und diskutabel. "In Stockholm wissen sie in der Regel, wem sie den Preis geben wollen, aber immer weniger, wofür", erklärte Ott mit einem Augenzwinkern.

"Vieles richtig gemacht" - Kurt Wüthrich am Schluss des offiziellen Teils des Abends. gross

Hoher Einsatz gefordert

Kurt Wüthrich: immer noch spritziger Sportler und hungriger Wissenschaftler. Er selbst wies in seinen Dankesworten aber darauf hin, dass die Runde der "aktuellen" Schweizer Nobel-Laureaten schon fortgeschrittenen Alters ist, kurz vor dem Rücktritt stehend oder bereits länger darüber hinaus. "Vor 20 Jahren wurde hier einiges richtig gemacht, es gab eine grosse Dynamik damals", gab Wüthrich der Festgemeinde mit. Wenn die Schweiz auf diesem Niveau bleiben wolle, müsse sie bereit sein, einen entsprechend hohen Einsatz zu leisten. Zum Schluss geriet selbst der Ballkünstler Kurt Wüthrich noch ins Staunen: Als Überraschungsgast robbte der 15 Jahre alte und 220 Kilo schwere Seelöwe "Otto" auf die Bühne und zeigte, wie gekonnt und elegant er mit Bällen und Ringen zu jonglieren versteht. Den Nobelpreisträger würdigte "Otto" mit einem herzhaften Kuss.




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