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Publiziert: 05.07.2001 01:00

Überfall der Globalisierungsgegner auf die ETH
Handgemenge vorm Auditorium

Rund 100 Globalisierungsgegner haben gestern Abend an der ETH Zürich den öffentlichen Vortrag des Gründers des World Economic Forum, Klaus Schwab, verunmöglicht. Sie blockierten die Eingänge zum Vortragssaal, hinderten Referent wie Rektor am Zutritt und warfen Eier und Abfallkübel gegen Sicherheitsbeamte. In der Folge kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Sicherheitsdienst und Demonstranten. Später konnte Schwab unter anderen Umständen dann doch noch reden.

Von Jakob Lindenmeyer

Rund hundert Aktivistinnen und Aktivisten folgten dem Aufruf von Anti-WEF-Organisationen, den öffentlichen ETH-Vortrag von Klaus Schwab, dem Gründer und Präsidenten des World Economic Forum (WEF), zu stören. Über das Internet rief die Linksaussen-Gruppierung "Revolutionärer Aufbau" dazu auf, Schwab so zu empfangen "wie es ihm gebührt." Schon im Voraus prophezeite die Gratiszeitung "20 Minuten" in ihrer gestrigen Ausgabe: "Heisser Abend an der ETH" (1). Und sie behielt Recht.

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Rund 100 Globalisierungsgegner verhinderten Schwabs öffentlichen Vortrag an der ETH.

"Spreu vom Weizen getrennt"

Gegen sechs Uhr abends versammelten sich die hauptsächlich jungen Globalisierungsgegnerinnen und -gegner vor dem Auditorium Maximum, in das sie allerdings nicht hineingelassen wurden. "Wir haben die Spreu vom Weizen getrennt", kommentierte später der Sicherheitschef. Bei den Kriterien, wer hineingelassen wurde, stützte er sich dabei auf eine "gewisse Erfahrung". Neun Kantonspolizisten in Kampfmontur und ein gutes Dutzend Männer vom ETH-Sicherheitsdienst und einer privaten Sicherheitsfirma kontrollierten die beiden Eingänge in den Hörsaal.

Trotz des verweigerten Zutritts war die Stimmung unter den Demonstrierenden vorerst friedlich. "Kenn ich dich nicht von Berlin?" und immer wieder "Kommst Du auch nach Genua?" So und ähnlich diskutierten "Anti-Globalisierungs-Touristen", zwischen denen sich immer wieder Alumni-Besucher relativ problemlos den Weg in den Hörsaal bahnten.

Krawall
Globalisierungsgegner entrollen ihre Transparente in der ETH-Haupthalle.

Parolen & Transparente

Plötzlich wurden Transparente enthüllt: "Gegen die Globali$ierung - Eine andere Welt ist möglich", wurde vom G-Stock herunter entrollt (siehe Bild). Vor dem Audimax stand "Privatisiert Klaus Schwab". Es folgten Parolen: "W-E-F - Mördertreff!", "Schwab raus!" und "Der Klaus muss raus!", hallte es über die Polizeisperre ins Auditorium, obwohl sich Klaus Schwab gar nie dort drin befunden hatte.

Aggressive Stimmung

Plötzlich kippte die Stimmung. Ein Dutzend mit Sonnenbrillen, Kapuzen und Halstüchern vermummte Demonstrierende packten herumstehende Abfallkübel und hölzerne Aperó-Tische und gingen damit drohend auf die Polizeisperre und die Sicherheitsleute vor dem Hörsaal-Eingang zu. Es kam zu einem Handgemenge. Die Stimmung wurde aggressiv.

Krawall
Sicherheitschef Beat Müller: "Es handelte sich ausschliesslich um Bio-Eier von glücklichen Hühnern aus Freilandhaltung." gross

Schwab
Und er redete doch: Klaus Schwab


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Krawall
Konfrontation zwischen vermummten Demonstranten und der Polizei vor dem Audimax.

Angriff auf den Rektor

Unglücklicherweise zur falschen Zeit am falschen Ort tauchte in diesem Moment ETH-Rektor Konrad Osterwalder auf und versuchte ins Auditorium zu gelangen. "Lasst ihn nicht rein!", schrieen die Maskierten und versperrten dem Rektor die Bühnentüre. Es flogen Eier und ein Abfallkübel. Bodyguards retteten den Rektor und schützten ihn vor der aufgebrachten Menge.

Dann, kurz nach halb Sieben, die Megafon-Durchsage eines vermummten Demonstrationsteilnehmers: "Klaus Schwab hat abgesagt, aber wir bleiben noch eine Weile hier, bis wir ganz sicher sind, dass wir die Veranstaltung gebodigt haben!" Die Menge johlte siegesgewiss und beruhigte sich etwas. Die Demonstrierenden waren jederzeit gut informiert, was im Audimax drinnen ablief - wahrscheinlich über Handy-Kontakt zu denjenigen, die dank fortgeschrittenem Alter oder eleganter Kleidung die Polizeisperre durchschleichen konnten.

Lob für den Wein

Um Viertel vor sieben dann die Durchsage, es gebe jetzt einen Apéro. "Wir haben uns jetzt auch etwas verdient", kommentierte ein vermummter Demonstrationsteilnehmer über das Megafon. Ein Teil der Gruppe skandierte "Hunger"-Rufe und stürmte zur Aula. Dort kam es zu einem kurzen Handgemenge mit den Angestellten des Catering-Dienstes. Ein Angestellter wollte die Esswaren nicht hergeben und wurde mit einem Fusstritt in den Magen ausser Gefecht gesetzt. Die erbeuteten Kartoffelchips-Säcke und ein Dutzend Harasse mit Weisswein und Orangensaft wurden per Lift vors Auditorium transportiert.

Krawall
Stolz wurde das "Plündergut" gleich kistenweise abtransportiert.

Dank der Verpflegung entspannte sich die Stimmung nun vollends und unter Gitarrenklängen feierten die Globalisierungsgegnerinnen und -gegner fröhlich den (vermeintlichen) Sieg über den Schwab-Vortrag (siehe Kasten). "Stäfner Riesling Sylvaner - leicht süss aber wirklich gut und selten", kommentierte eine etwas ältere Demonstrationsteilnehmerin anerkennend den erbeuteten Apéro. "Wir gehen jetzt alle zusammen langsam aus der ETH", empfahl schliesslich gegen Sieben ein Demonstrationssprecher über das Megafon. "Die blasen zum Rückzug", seufzte ein Sicherheitsmann erleichtert.

Primär Gewalt vermeiden

"Unsere Strategie war primär Gewalt zu vermeiden", erklärte der ETH-Sicherheitschef Beat Müller, nachdem der Spuk vorbei war. "Die Sachschäden waren relativ klein, verglichen mit den Anti-Globalisierungs-Veranstaltungen in Salzburg, Göteborg oder Seattle", analysierte Müller. Ausser einigen Eiern und einem unsittlichen Benehmen am Aperó habe es wenig Schäden gegeben. Ja, ein paar Eier seien schon geflogen, aber er habe mitgeteilt bekommen, es habe sich ausschliesslich um Bio-Eier von glücklichen Hühnern aus Freilandhaltung gehandelt, schmunzelte Müller.

Unwürdiges Niveau

Wieso wurden denn die Demonstrierenden überhaupt ins ETH-Hauptgebäude hineingelassen? "Wir haben heute Abend normalen Vorlesungsbetrieb", entgegnet Müller, "da können wir nicht einfach das ganze Hauptgebäude zusperren." Ausserdem sei die Veranstaltung ja als "öffentlich" deklariert gewesen. Anfänglich wollte man bewusst auch eine Diskussion zulassen. Als dann aber die Stimmung kippte, sei klar geworden, dass dies nicht auf einem würdigen Niveau geschehen konnte. Nach der ganzen Aufregung kommentierte ein sichtlich ermatteter ETH-Weibel: "Jetzt arbeite ich schon 14 Jahre hier an der ETH, aber so etwas habe ich noch nie erlebt."


Und er redete doch...

Gegen acht konnte Klaus Schwab seinen Vortrag dann doch noch halten. Im Dozentenfoyer der ETH sprach er vor den Mitgliedern der ETH-Alumni. Schwab zeigte sich zufrieden, dass die Meinungsfreiheit nur behindert, nicht aber unterdrückt werden konnte. Mehr dazu im entsprechenden ETH-Life-Bericht zum Schwab-Vortrag. (3)




Fussnoten:
(1) "20 Minuten"-(Vor)Bericht: "Polizeischutz für Schwab: www.20min.ch/service/suchen/20min.ch/story/381069
(2) ETH LIfe-Bericht über den Vortrag von Klaus Schwab: "Und er redete doch": www.ethlife.ethz.ch/tages/show/Schwab.html
(3) ETH LIfe-Bericht über den Vortrag von Klaus Schwab: "Und er redete doch".



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