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Rubrik: Campus Life

Das gta geht ins Cabaret Voltaire
Eingriffe ins Dada-Haus

Published: 23.11.2004 06:00
Modified: 22.11.2004 23:18
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Kürzlich wurde das Cabaret Voltaire, die Dada-Geburtsstätte im Zürcher Niederdorf, als Kulturzentrum eröffnet. Letzten Freitag würdigte das ETH-Institut für Theorie und Geschichte der Architektur (gta) die Neugestaltung bereits mit einem Buch. Die Vernissage dazu bildete zugleich den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe im Cabaret Voltaire zum Thema „Architektonische Eingriffe“.



Von Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)

Es ist ein Haus und doch kein Haus. Paradoxien gehören zu Dada, und entsprechend verwundert es auch nicht, dass das diesen Herbst eröffnete Cabaret Voltaire (1) sich nicht als Haus im Sinne eines Opern- oder Kunsthauses versteht, sondern als Kulturinstitut, das sich Themen ausserhalb der klassischen „Häuser“ widmet. Blickt man zurück, hat das aller Traditionsverachtung der Dadaisten zum Trotz seine Folgerichtigkeit.

Im Januar 1916 stellte der Wirt des Restaurants „Meierei“ an der Spiegelgasse 1 ein Gesuch zur Bewilligung einer „Künstlerkneipe“, dem kurz darauf stattgegeben wird. An der Eröffnung sind unter andern Hugo Ball, Emmy Hennings, Hans Arp und Tristan Tzara zugegen. Im Februar desselben Jahres finden verschiedene Veranstaltungen statt, die den von Hugo Ball als „Tummelplatz verrückter Emotionen“ bezeichneten Ort und die Bewegung der Dadaisten weltberühmt machen. Doch im Juli wird das Cabaret schon wieder geschlossen. Später, zum 50 Jahr-Jubiläum, wird die Geburtsstätte des Dada mit einer Gedenktafel, dem „Nabel“ von Hans Arp gekennzeichnet.

Der Saal des alten Cabaret Voltaire wurde so weit möglich im Original belassen. Als Eingriff ist das Gitter an der Decke mit dem Leuchtkubus zu erkennen.

Dada kommt in den Gemeinderat

Ein grösseres Revival erfährt das Dada-Haus im Jahre 2002, als Besetzer, die bereits im „Wohlgroth“ oder der „Ego City“ aktiv waren, das Haus in Beschlag nehmen, nachdem sie von den Umbauplänen der Besitzerin, der Rentenanstalt, erfahren haben. Eine Unterschriftensammlung führt dazu, dass eine Vorlage für ein Dada-Kulturzentrum erarbeitet wird. Swatch-CEO Nicolas Hayek Junior erklärt sich bereit, als Hauptsponsor der Trägerschaft jährlich 300'000 Franken zukommen zu lassen. Nach einer Gemeindratssitzung im September 2003, bei der Dada-Gedichte rezitiert werden, eine CVP-Politkerin von der Erotik des Ortes spricht und „Geldverschleuderung“ befürchtet wird, übernimmt die Stadt den jährlichen Mietzins von 200'000 Franken.

Wieder ein Jahr später bauen die Züricher Architekten Rossetti und Wyss (2) vier Räume des ehemaligen Cabaret Voltaire zu einem Kulturzentrum um, das diesen September dann seine Türen öffnet. Letzten Freitag bereits findet die Vernissage statt zum Buch (3) , das die Geschichte und vor allem den Umbau des Dada-Haus zum Thema hat.

Die neue Bibliothek im umgebauten Cabaret Voltaire.

Im Bemühen, wichtige architektonische Ereignisse der Schweiz zu dokumentieren, hat das gta (4) ein Werk gestaltet, das bei der Präsentation ein begeistertes Echo auslöste. Doch nicht nur das gelungene Buch freute gta-Vorsteher Werner Oechslin, sondern auch der Umstand, dass es dank diesem und der damit zusammenhängenden Veranstaltungsreihe vom Hönggerberg herunter in die Stadt kommt und dort in das kulturelle Leben eingreift. Dabei, so Oechslin, soll gezeigt werden, dass wie Dada auch Architektur unberechenbar sein kann.

Neue Wahrnehmungen ermöglicht

Im reich illustrierten Buch, das unter anderem mit atmosphärischen, leicht verwischten, aber auch gestochen scharf die architektonischen Veränderungen dokumentierenden Fotografien des Cabaret Voltaire überzeugt, kommen verschiedene Autoren zu Wort. Neben einer kritischen Betrachtung der Dada-Entwicklung durch Stefan Zweifel finden sich Beiträge von Juri Steiner und Thomas Kramer zur Wiederbelebung des Cabaret Voltaire oder zum Umbau von Michael Hanak.

Doch wie haben Nathalie Rossetti und Marc Aurel Wyss das Haus, das keines sein will, umgebaut? Die Architekten entschieden sich, die Raumübergänge zu gestalten, aber die Haupträume abgesehen von den benötigten Infrastrukturen in ihrem ursprünglichen Zustand zu belassen. In den "Boxen" genannten Übergängen integrierten sie eine Kaffeebar, eine Bibliothek und eine Empfangs- sowie Verkaufstheke. Als Material wählten die Architekten abgeschliffene und gefärbte Faserzementplatten. Die zwischen den Platten vorhandenen Fugen bringen die Geometrie der Eingriffe klar zur Geltung und heben sich in ihrer Strenge von den teilweise bunten Haupträumen klar ab.

Lebt Dada, und wann wird DADA geboren?

Insgesamt erhält man den Eindruck, dass die Absicht der Architekten, neue Wahrnehmungen zu ermöglichen, erfolgreich umgesetzt werden konnte. Wie weit diese Wahrnehmungen Dada wieder beleben, bleibt aber eine andere Frage. Auf jeden Fall wollen die Verantwortlichen des Cabaret Voltaire, dass der Puls von Dada über das Haus an der Spiegelgasse hinaus spürbar wird. So sucht die Künstlergruppe Com&Com für ihr Projekt „GUGUSDADA“ (5) ein in der Schweiz wohnhaftes Elternpaar, das seinem künftigen Kind, das Anfang Februar 2005 auf die Welt kommen soll, den Namen DADA geben möchte. Damit wollen die Künstler die Wiedereröffnung des Cabaret Voltaire und den Geburtstag von Dada, der sich am 5.Februar 2005 zum 88. Mal jährt, feiern.

Footnotes:
(1 Cabaret Voltaire: www.cabaretvoltaire.ch/site.html
(2 Rossetti + Wyss: www.rossetti-wyss.ch/index.html
(3 cabaret voltaire. Dada – Zürich. Ein Eingriff von Rossetti + Wyss. SFr. 48.00. Mit einer Einleitung von Guido Magnaguagno und Beiträgen von Michael Hanak, Jürg Hanser, Thomas Kramer, Juri Steiner, Dölf Wild und Stefan Zweifel sowie einer Plandokumentation von Rosetti + Wyss. Enthält einen Reprint der «Chronique zurichoise 1915–1919» von Tristan Tzara. 27 x 23 cm, gebunden; 116 Seiten; Abb. sw und farbig; (Euro 31.60); gta Verlag 2004; ISBN 3-85676-152 -7
(4 gta zum Cabaret Voltaire: www.gta.arch.ethz.ch/d/ausstellungen/ausstellungen.php?id_veranstaltung=127
(5 Projekt Gugusdada: www.gugusdada.ch/


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