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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 01.05.2002 06:00

Für eine Revision des Schweizerischen Hochschulsystems
Weitsichtig reorganisieren

Kein Zweifel, die ETH Zürich ist noch immer eine der besten Hochschulen in der Schweiz und in Europa! Es ist schwierig, ein Mass zu finden, nach welchem die ETH Zürich nicht in der Spitzengruppe rangiert. Nehmen Sie die Zahl der Mitglieder in der National Academy of Sciences der USA, oder der Benoist-Preisträger, der Kyoto-Preisträger, oder der Nobelisten! Dies hat viel mit der langjährig vernünftigen und konsequenten Hochschulpolitik des Bundes zu tun. Die Mittelzusprache war bis vor kurzem adäquat, allerdings nicht ohne stetes und gut begründetes Bemühen einer starken Schulleitung. Die ETHs sind relativ autonom und werden vom Bund an vergleichsweise langer Leine geführt.

So viel Positives lässt sich nur über wenige der kantonalen Universitäten sagen. Obwohl sich in den letzten Jahren vieles zum Besseren gewendet hat, sind die Strukturen noch traditionsverhaftet. Die Rektoren besitzen nicht die Lenkungsmöglichkeiten eines ETH-Präsidenten. Die Fakultätsstrukturen verleiten kaum zu besonderer Reformfreudigkeit und die kantonalen Regierungen haben zahlreiche Möglichkeiten der Einflussnahme. Die Mittel sind durch die finanziellen Beschränkungen der Kantone oftmals krass unterdotiert, und es fehlt an akademischer Planungssicherheit.

Obwohl ihnen die Mittel dazu fehlen, halten einzelne Kantone an der Idee einer Gesamtuniversität fest, an welcher sämtliche Gebiete flächendeckend vertreten sind. Dabei kann man in verschiedenen Fächern die Studenten an einer oder zwei Händen abzählen. Wieviel sinnvoller wäre es doch Schwerpunkte zu bilden und mindestens innerhalb der Schweiz zu koordinieren. Dann könnte auch die Qualität von Lehre und Forschung verbessert werden. Qualität hat zwar nur bedingt mit institutioneller Grösse zu tun, doch ohne täglichen kritischen Gedankenaustausch mit Kollegen versinkt man allzu leicht im lähmenden Mittelmass.


Zur Person

Den Nobelpreis, den Richard Ernst 1991 für seine bahnbrechende Forschung im Bereich NMR-Spektroskopie bekam, nutzt er, um sich regelmässig als einer der profiliertesten Kommentatoren der Schweizer Bildungspolitik zu Wort zu melden. "Ich habe mich immer als Werkzeugmacher verstanden," bekennt der emeritierte ETH-Chemieprofessor, der lange in den USA in der Industrie tätig war. Seine Forschung sollte stets in eine sinnvolle Anwendung münden. Die Revolutionen in den exakten Wissenschaften gründeten, so Ernst, vor allem auf der Intuition und Kreativität der Forscher. Kein Wunder, hielten sich bei ihm die Begeisterung für die Chemie und jene für die Kunst seit seiner Jugend die Waage. Eines seiner Erfolgsrezepte: "Wenn ich etwas mache, dann nicht mit halbem Engagement, sondern richtig – alles andere ist Zeitverschwendung."




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prof richard ernst
Richard Ernst, ETH-Professor für Physikalische Chemie und Nobelpreisträger 1991. gross

Ohne ein stärkeres Engagement des Bundes im universitären Bildungswesen werden die schweizerischen Universitäten im internationalen Konkurrenzkampf kaum bestehen können. Föderalismus hat richtig eingesetzt zweifellos seine Stärken. Doch ob die Bildung und insbesondere die universitäre Bildung der richtige Ort für kantonale Sonderwege ist, wage ich zu bezweifeln. Die Bildungsinhalte sind universell und sollten deshalb auch durch Institutionen, die in einem möglichst breiten Umfeld verankert sind, vermittelt werden.

Eine gesamtschweizerische Koordination wird gerne mit dem Zerrbild eines grimmigen Schulvogtes in Bern in Verbindung gebracht und als das Ende des Strebens nach universitärer Autonomie gesehen. Autonomie der Hochschulen ist in der Tat von zentraler Bedeutung, damit die Universitäten ihre drei Aufgaben - Lehre, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit - verantwortungsbewusst erfüllen können. Denn nur wer frei ist, kann Verantwortung übernehmen. Im gesamtschweizerischen Rahmen kann die Autonomie der einzelnen Schulen jedoch leichter gewährleistet werden als im engen kantonalen Korsett. Dazu braucht es eine einheitliche, grosszügige eidgenössische Gesetzgebung und genügend Mittel, die nach strengen Leistungskriterien vergeben werden.

In dieser Hinsicht ist der Entwurf zum neuen Hochschulartikel in der Bundesverfassung (1) ein positiver Anfang: Bund und Kantone werden verpflichtet, ihre Hochschulpolitik eng zu koordinieren. Die Vereinigung der Universitätsrektoren, die CRUS, steht dem Entwurf ablehnend gegenüber mit Argumenten und einem Gegenvorschlag (2). Der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat (SWTR) beurteilt den Entwurf hingegen positiver. - Ich bewundere die Initiative der österreichischen Bundesministerin Elisabeth Gehrer. Sie legt gegenwärtig einen wesentlich progressiveren Entwurf zu einem Universitätsgesetz (3) vor, das die österreichischen Universitäten einen grossen Schritt nach vorne bringen kann. - Versuchen doch auch wir, uns weitsichtig zu reorganisieren im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft!


Fussnoten:
(1) Neuer Hochschulartikel in der Bundesverfassung (Projekt): www.gwf-gsr.ch/deutsch/national/hochschul-link.htm
(2) Vernehmlassung zum Hochschulartikel in der Bundesverfassung: www.crus.ch/mehrspr/Aktuell/beschl.html
(3) Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: www.bmbwk.gv.at



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