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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 13.04.2005 06:00

Welcome tomorrow und Avenir Suisse

Von Helmut Weissert

Zukunft boomt. Mit unserem Slogan „Welcome Tomorrow“ liegen wir im Trend. In Europa sind wir um diese, seit wir als alt bezeichnet wurden, noch besorgter denn je. Die breite Öffentlichkeit wird ab dem 22. April auf dem Platzspitz die Möglichkeit haben, Einblick in die aktuelle und vorwärtsblickende Forschung der neuen S-ENETH (School for Earth Sciences, Natural Resources, Environmental Sciences) und ihrer Partner in den Ingenieurwissenschaften zu erhalten. Der 22. April wird auch der offizielle Gründungstag der S-ENETH sein.

Ich war Mitglied Steuerungskomitees, welches in den letzten 18 Monaten das Platzspitz-Projekt „Erde-Feuer-Wasser-Luft“ begleitete. Ich konnte mitverfolgen, mit welchem grossen Einsatz Doktorierende, Post-docs und WissenschaftlerInnen seit Monaten an ihren Projekten arbeiten. Das Platzspitz-Projekt war von Beginn als ein „bottom-up Projekt“ konzipiert.

Vor mehr als einem Jahr baten wir Forschende in den S-ENETH Departementen um Projektskizzen für die „Welten des Wissens“. Wir wussten nicht, ob wir überhaupt genügend Motivierte und Interessierte finden würden, welche sich die neben Forschung und Lehre knappe Zeit nehmen würden, um über Monate an einem Projekt für die breite Öffentlichkeit zu arbeiten. Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen. Über 40 Projekte werden Ende April mitten in der Stadt Einblick in die „Welten des Wissens“ geben.


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Helmut Weissert geht es um die ganz grossen Zusammenhänge, sowohl auf der Zeit- wie der Raumachse. So ist eines der zentralen Themen, die ihn als Geologen beschäftigen, die Geschichte der Ozeane. „Wir sind schon etwas grössenwahnsinnig“, bekennt der aus Winterthur stammende Leiter der ETH-Forschungsgruppe „sediments, past oceans, and climate“. Was brauchts, um ein erfolgreicher Geologe zu werden? „Detektivisches Gespür. Ich empfehle Studierenden, immer mal wieder einen Krimi zu lesen“, so Weisserts etwas überraschender Tipp. Vergangene Ozeane: Schnell entsteht da heute der „Verdacht“, des l’art pour l’art. – Im Gegenteil, meint Weissert. Oft seien aktuelle Fragen die Auslöser für sein Forschen. Weisserts Team versucht zum Beispiel herauszufinden, wie die aktuelle Klimaveränderung das Wachstum der Riffe nachhaltig stören könnte – anhand der Spurensuche bei analogen Ereignissen in der Erdgeschichte. Bei dem, was uns und der Nachwelt blühen könnte, weicht die kriminologische Freude schnell der Besorgnis: „Die Erde ist durch zuviel CO2 oder Methan nicht kaputt zu kriegen, unsere Kultur langfristig aber sehr wohl“, so Weissert. Den Blick für die langfristigen Nebenwirkungen menschlichen Handelns zu schärfen, ist eines seiner Anliegen. Es erstaunt nicht, dass sein Denken in grossen Systemen keine verabsolutierte Naturwissenschaft zulässt. So sieht der die Kunst in der Rolle eines für die Wissenschaft unverzichtbaren Souffleurs.




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Geologieprofessor an der ETH und ETH-Life-Kolumnist: Helmut Weissert.

Wir sind alle sehr gespannt, wie der Platzspitz in den nächsten Wochen aussehen wird und auf welches Interesse die Wissenswelt bei der Bevölkerung stossen wird. Wir werden an der Ausstellung auch die Gelegenheit haben, junge Wissenschaftler zu treffen, die engagiert an der Gestaltung der Zukunft der Forschungslandschaft Schweiz mitarbeiten wollen.

Der „Zukunft der Schweiz“ widmet sich seit einiger Zeit der in den Medien zunehmend präsenter werdende Think Tank „Avenir Suisse“. Der Ansatz, den Avenir Suisse für seine Zukunftsvisionen wählt, unterscheidet sich fundamental von jenem der Wissenschaftler. AS setzt ihrem Denkprozess von Beginn an klare Schranken. Alle Zukunftsskizzen werden konsequent unter das Primat des Geldes gestellt und, noch wichtiger, der zukünftige Staat Schweiz wird „schlank“ sein. Dass eine enge monetäre Betrachtungsweise keine visionären Zukunftsentwürfe erlaubt, wird ersichtlich, wenn man die Papiere des Think Tanks zur zukünftigen Hochschule Schweiz liest. Als erstes wird, nicht sehr differenziert, an den Hochschulen in der Schweiz eine schlechte Studienqualität diagnostiziert, ein Trend zum Mittelmass. Diese undokumentierte Feststellung wird in das ökonomische Korsett von Avenir Suisse gepresst, und daraus resultiert das folgende dogmatische Statement: "Auch in der Schweiz müssen die Studiengebühren substanziell erhöht und Auswahlverfahren eingerichtet werden. Denn nur so (sic!) lässt sich die Studienqualität verbessern" (www.avenir-suisse.ch). Die AS-Exponenten reden über die Hochschullandschaft Schweiz, sie meinen aber vermutlich einzelne Grossfakultäten an Universitäten.

Dass gute Studienqualität nicht hohe individuelle Studiengebühren zur Voraussetzung hat, werden die Welten des Wissens am Platzspitz nebenbei auch zeigen. AS zeigt beispielhaft, wie dogmatisches Denken nicht nur keine Visionen erlaubt, sondern wie mit engem Geldblick keine differenzierte Analyse der vielfältigen Hochschullandschaft Schweiz möglich ist. So sind zum Beispiel Visionen gesucht, wenn es um Vermittlung von Natur- und Ingenieurwissenschaften in Schulen geht, wenn es um die Frage geht, wie bei Mittelschülern Begeisterung für Naturwissenschaften geweckt werden kann (1). Vielleicht beginnt Avenir Suisse ihre Arbeit mit einem Besuch am Platzspitz, wo sie Gelegenheit haben wird, mit motivierten Studierenden und Doktorierenden über Studienqualität, Motivation, Geld und Visionen zu reden.


Fussnoten:
(1) Lese-Tipp: NZZ, 2.4.2005: S. 69: Abseits der pädagogischen Provinz, Atlantic College.



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