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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 08.06.2005 06:00

Der Ruf nach Mobilität – wer soll ihn hören?

Von Helmut Weissert

Universitäten waren seit ihren Gründungsjahren Laboratorien des Zusammenlebens verschiedenster Kulturen. An der bald 400 Jahre alten Universität Groningen in den Niederlanden lehrten schon wenige Jahre nach ihrer Gründung neben 18 Einheimischen 34 ausländische Professoren. Auch bei den Studierenden soll der Anteil an Ausländern gross gewesen sein. Mobilität war immer fester Bestandteil des universitären Lebens in Europa.

Heute wird in Europa die Mobilität von Studierenden und Wissenschaftlern durch das Erasmus-Projekt gefördert. Der Projektname erinnert uns an die stolze Tradition, die Mobilität in Europa hat. Als Delegierter des Erasmus-Programms am D-ERDW konnte ich in den letzten Jahren immer wieder erleben, wie unzählige Studierende in einem Auslandjahr ihr Studium bereichern konnten. Viele der Studierenden wählten das 3. Studienjahr für ihren Austausch, und für die meisten war es klar, dass ein Kurzaufenthalt im Ausland von nur einem Semester kaum reicht, wenn man die neue Universitätswelt und den anderen Alltag wirklich kennen lernen will.

Wir wissen es, die Bachelor/Master-Reform soll Mobilität weiter fördern. Im Bachelor allerdings, auch das wissen wir, wird leider die Mobilität, wie sie bisher im Rahmen von Erasmus möglich war, erschwert. Unsere Studierenden können nicht mehr, wie bisher, ein ganzes Studienjahr im Ausland verbringen. Einige haben sich entschieden, immerhin noch für ein kurzes Semester wegzugehen. Mit dem Master werden sich neue Austauschmöglichkeiten eröffnen. Ob allerdings viele unserer Studierenden auf einen ETH-Masterabschluss verzichten werden und diesen im Ausland machen wollen, wissen wir noch nicht. Bei uns an den Erdwissenschaften wird der Masterstudiengang in der Regel zwei Jahre dauern. Der lange Master eröffnet unseren Studierenden die Möglichkeit, das bisherige Erasmus-Programm zu nutzen. Sie können zum Beispiel im 2. und 3. Master-Semester einen Auslandaufenthalt einschalten. Die Reorganisation des Studiums führt bei uns zur Verlängerung der Studiendauer. Hoffentlich führt sie nicht auch zu einer Blockierung der Mobilität unserer eigenen Studierenden.

Wie attraktiv wird die ETH für auswärtige Studierende sein? Wir fragen uns, wer den Ruf nach Mobilität hören soll und wer nicht. Wir überlegen uns, welche Eintrittshürden wir bauen wollen. Wie finden wir die guten und talentierten Studierenden? Ist es so, dass die Besten schon an den besten Schulen ihr Bachelorstudium absolvierten? Einige Auserwählte, die Studierenden an unseren Partner-Unis der IDEA-League, werden einfachen Zugang zu uns finden. Gibt es vielleicht auch verborgene Talente an kleinen Universitäten, die noch keine gross ausgebaute Marketingabteilung haben? Sollten wir auch Partneruniversitäten auswählen, die nicht zu den Top 50 gehören?


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Geologieprofessor an der ETH und ETH-Life-Kolumnist: Helmut Weissert.

Abu Dhabi wird, wie Schanghai, aus verschiedenen Gründen zu einem profitablen ETH-Partner werden. In Indien sind viel versprechende Kontakte verstärkt worden. Zur Intensivierung neuer Verbindungen könnten wir neben der IDEA-League neue Netze knüpfen, ein HOPE-Netz („Hyderabad-Ouagadougou-Pristina-ETH“) könnte zum Vorbild werden. Wir könnten so verborgene Nachwuchstalente entdecken und wir könnten auch zu einem Wissenstransfer an Orte beitragen, wo dieser Hoffnung schaffen kann. Und, wer weiss, manche unserer Studierenden und unserer Dozenten wären vielleicht herausgefordert, zwischendurch mal nicht nur Topliga zu spielen, sondern, gerade mit ihrem Wissen, an solchen Orten zum Aufbau von Neuem beizutragen. So könnte Mobilität nicht nur den Eliten dienen, sondern auch jenen, die weder den sozialen noch den ökonomischen Hintergrund haben, um gleich das Champions-League-Leibchen anzuziehen.


Zum Autor

Helmut Weissert geht es um die ganz grossen Zusammenhänge, sowohl auf der Zeit- wie der Raumachse. So ist eines der zentralen Themen, die ihn als Geologen beschäftigen, die Geschichte der Ozeane. „Wir sind schon etwas grössenwahnsinnig“, bekennt der aus Winterthur stammende Leiter der ETH-Forschungsgruppe „sediments, past oceans, and climate“. Was brauchts, um ein erfolgreicher Geologe zu werden? „Detektivisches Gespür. Ich empfehle Studierenden, immer mal wieder einen Krimi zu lesen“, so Weisserts etwas überraschender Tipp. Vergangene Ozeane: Schnell entsteht da heute der „Verdacht“, des l’art pour l’art. – Im Gegenteil, meint Weissert. Oft seien aktuelle Fragen die Auslöser für sein Forschen. Weisserts Team versucht zum Beispiel herauszufinden, wie die aktuelle Klimaveränderung das Wachstum der Riffe nachhaltig stören könnte – anhand der Spurensuche bei analogen Ereignissen in der Erdgeschichte. Bei dem, was uns und der Nachwelt blühen könnte, weicht die kriminologische Freude schnell der Besorgnis: „Die Erde ist durch zuviel CO2 oder Methan nicht kaputt zu kriegen, unsere Kultur langfristig aber sehr wohl“, so Weissert. Den Blick für die langfristigen Nebenwirkungen menschlichen Handelns zu schärfen, ist eines seiner Anliegen. Es erstaunt nicht, dass sein Denken in grossen Systemen keine verabsolutierte Naturwissenschaft zulässt. So sieht der die Kunst in der Rolle eines für die Wissenschaft unverzichtbaren Souffleurs.






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