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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Universitäre Multikulturalität – Möglichkeiten und Grenzen |
Von Jürg Martin Gabriel Die von der Eidgenossenschaft unterstützte Mediterranean Academy of Diplomatic Studies in Malta setzt sich das Ziel, Studierende aus verschiedenen Kulturen zusammenzuführen. Die Institution soll eine Plattform sein, wo sich Jungdiplomaten aus dem europäischen und arabischen Raum begegnen. Wie die Erfahrung zeigt, ist dies auf rein persönlicher Ebene durchaus möglich. Was aber heisst "multikulturelle Begegnung" auf akademischer Ebene, und insbesondere in der Lehre? Kann man Völkerrecht, Aussenwirtschaft und Sicherheitspolitik multikulturell vermitteln? Eine (Er-)Klärung vorne weg: Das Programm unserer Akademie bietet keine Vorlesungen an, in denen westliches Recht in Kombination mit islamischem Recht, oder Marktwirtschaft in Verbindung mit arabischem Ökonomie doziert wird. Multikulturalität ist nicht als Amalgamat zu verstehen. Im Gegenteil, die Akademie fährt auf zwei Schienen, auf einer westlich-europäischen und einer arabisch-islamischen. Die Grundlagenvorlesungen basieren auf einem westlich-universellen Wissenschaftsverständnis. Stichworte sind Rechtsstaatlichkeit, Konstitutionalismus, Menschenrechte, UNO-Völkerrecht, EU-Integrationsrecht, liberale Marktwirtschaft, pluralistische Demokratie. Wir gehen von unserem westlichen Weltbild aus, von unserem eigenen Menschen- und Wissenschaftsverständnis. Das erwarten auch die Studierenden. Eine Palästinenserin kommt nicht aus der Levante nach Europa, um mit ihrer eigenen Welt konfrontiert zu werden, so wenig wie ein Franzose an eine jordanische Universität gehen würde, um Vorlesungen über Europäische Integration zu belegen. Zudem ist ein europäisch-arabisches Doppelprogramm an einer Kleinakademie mit drei bis vier fest angestellten Dozenten gar nicht machbar. Stattdessen suchen wir mit der arabisch-islamischen Welt den Kontakt und die Begegnung. Ein erstes Instrument dazu ist die Dialogfähigkeit: Es ist das Ziel unserer Akademie, den Gedankenaustausch mit den Studierenden zu pflegen und eine offene Gesprächskultur unter den Studierenden zu fördern. Die Diskussionen, aber nicht die Hauptvorlesungen, sind interkulturell. Ein zweites Instrument sind Gastdozenten aus dem arabisch-islamischen Raum. Ihre Aufgabe ist es, den nicht-europäischen Standpunkt einzubringen und, wenn immer möglich, typisch mediterrane Probleme aufzugreifen. Ein drittes Mittel zur Förderung des Dialogs sind Konferenzen, die sich mit interkulturellen Themen befassen. Seit einem Dutzend Jahren organisiert unsere Akademie von der Schweiz finanzierte Zusammenkünfte, in denen Europäer und Araber Fragen aus dem Bereich der Menschenrechte diskutieren. Neulich fand eine Tagung statt zum Thema sexuelle Gewalt, an der Vertreter von Regierungen und von NGOs eingeladen waren. Die Teilnehmer kamen vorwiegend aus Nordafrika und dem Mittleren Osten.
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Vor acht Jahren lancierte die Europäische Union den Euro-Med-Prozess, der ein umfangreiches Programm von Aktivitäten umfasst und die Länder des südlichen Mittelmeers näher an die Union heranrücken soll. Im Auftrag von Brüssel organisiert unsere Akademie regelmässige Treffen, an denen junge Beamte aus der gesamten Region über die neusten Euro-Med-Entwicklungen unterrichtet werden. Auch an solchen Tagungen endet die Multikulturalität nicht in der kulturellen Selbstverleugnung sondern im kritischen Dialog zur Regelung konkreter Fragen.
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