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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 10.11.2004 06:00

Ist Frauenförderung verantwortbar?

Von Brigitte Manz-Brunner und Carla Zingg

Frauenförderung ist insofern ein irreführender Begriff, als es nicht darum geht, Frauen etwa als Ingenieurinnen zu fördern, sondern vielmehr darum, unsere Gesellschaft, unsere Mentalität und unsere universitären Strukturen so zu gestalten, dass sie Frauen nicht tendenziell von der wissenschaftlichen Berufstätigkeit und von Führungspositionen ausschliessen.

Im Gespräch mit Mittelschülerinnen oder Studentinnen stellen wir immer wieder fest, dass junge Leute eher negativ auf das Thema „Frauenförderung“ oder besser „Chancengleichheit“ reagieren: „Frauenfragen sind mir egal“ oder „Ich will nicht speziell behandelt werden.“

Und doch gibt es im 21. Jahrhundert noch immer klare Geschlechtsunterschiede bei der Studien- oder Berufswahl. In der Schweiz entscheiden sich noch immer drei von vier Mädchen für eine Berufslehre in nur zehn verschiedenen Berufen – trotz einem Angebot von über 300 anerkannten Berufsausbildungen. Mädchen wählen eher kürzere Ausbildungen und Berufe mit tieferen Löhnen als Buben, und Mädchen wählen vor allem Berufe, in denen bereits viele Frauen arbeiten. Damit tragen sie dazu bei, dass dies auch so bleibt.

Was die höheren technischen Ausbildungen anbelangt, verweisen Studien auf ein ähnliches Bild: geschlechtsspezifische Stereotypen beeinflussen die Wahl und scheinen unausrottbar: Physik und Mathematik gelten als „männliche“ Stärken, Sprachen und Biologie als „weibliche“. Die niedrigen Anteile der Studentinnen im Maschinenbau (7%) oder in der Elektrotechnik (6%) belegen das anschaulich. Auf Stufe Fachhochschule ist es noch drastischer. Hinzu kommt eine weit verbreitete Skepsis der Technik gegenüber. Viele Mädchen, aber auch Ihre Eltern denken bei technischen Berufen noch immer an harte körperliche Arbeit, verbunden mit Schweiss und krummen Rücken.

Darum sind Informationen über Studium und Beruf so wichtig, und genau darum bietet die ETH Infotage, Mittelschülerinnentage, Tage der offenen Tür, Schnupperstudienwochen an, wo man selber experimentieren kann, wo man mit Studentinnen und Studenten in Kontakt kommt und sie mit Fragen löchern kann, wo man sich selber ein konkretes Bild über Ausbildung und spätere Berufsfelder machen kann.

Aber was passiert danach??

Zehn oder zwanzig Jahren später sitzen diese Frauen da und waschen Wäsche. Weil Sie ihrer warnenden inneren Stimme zum Trotz Kinder gekriegt haben. Weil sie keine Kinderkrippe finden. Weil die Ganztagsschule immer noch nicht eingeführt ist. Weil ihr Mann keinen Vaterschaftsurlaub nehmen kann oder will. Oder weil sie immer noch weniger verdienen als die Männer in vergleichbaren Jobs.


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Carla Zingg (l.) und Brigitte Manz, Co-Gleichtellungsbeauftragte der ETH Zürich.

Weil noch immer Männer die verantwortungsvollen Führungspositionen zugewiesen bekommen. Weil unsere Gesellschaft männliche Ingenieure den weiblichen vorzieht. Weil Ihr Leben als Ingenieurin, als Karrierefrau und als Mutter so kompliziert ist, dass sie am liebsten alles über Bord werfen möchten.

Wer übernimmt eigentlich die Verantwortung für diese Frauenförderung, die den Mädchen Hoffnungen ins Hirn träufelt, die nie oder erst in 100 Jahren eingelöst werden können? Seien wir doch ehrlich, Girls: Entscheidet Euch lieber für eine Halbtagesstelle als Friseurin. Oder werdet gleich Bundesrätin.


Zu den Autorinnen

Brigitte Manz und Carla Zingg leiten im Jobsharing seit 2000 die Stelle für Chancengleichheit an der ETH. Beide sind ETH-Absolventinnen: Brigitte Manz hat Agronomie studiert, Carla Zingg ist Forstingenieurin. Es gehe heute beim Thema Gleichstellung ganz pragmatisch um Kooperation, sagt Carla Zingg: „Die Zeiten des Geschlechterkampfs sind passé.“ Gerade an einer ETH sei an sich allen klar, dass es darum gehe, mit den besten Köpfen, egal ob Frau oder Mann, komplexe Probleme anzugehen. Doch dass die Hochschule die Frauen braucht, gerade weil sie anders sind, stösst auch ein gutes Jahrzehnt nach der Gründung der Stelle für Chancengleichheit nicht auf vorbehaltlose Zustimmung. „Seien wir ehrlich: Mit der Gleichstellungsfrage ist innerhalb der Academia kein Staat zu machen“, sagt Brigitte Manz. Es gebe stilles, aber immer noch weit verbreitetes Ja zur Männerbastion Professur. Die Hypotheken seien längst auf dem Tisch: die fehlende Integration weiblicher Lebensläufe in die akademische Karriere, wenig tragfähige Netzwerke und hartnäckige Vorurteile. Eines ihrer wichtigen Anliegen ist die Förderung weiblicher Role Models. An die ETH sollen nicht nur die besten Männer, sondern auch die besten Frauen berufen werden, fordern die Fachfrauen. Daneben ermutigt die Stelle für Chancengleichheit Akademikerinnen, sich Verbündete zu suchen, offeriert Mentoringprogramme und Informations-Events für den Nachwuchs. Aktuelles Beispiel: die Wanderausstellung zur ETH an Schweizer Gymnasien. - Die „ETH Life“- Kolumnen von Brigitte Manz und Carla Zingg sind ein Spiegel ihrer Arbeitsweise; sie zeichnen gemeinsam dafür verantwortlich.






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