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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Trugschluss Leistungslohn |
Von Raimund Bühner Wie unschwer unter anderem auch den jüngsten hausinternen Mitteilungen zu entnehmen ist, streben der ETH-Rat und die Schulleitung Regelungen zur "Erfassung, Beurteilung und Honorierung" von Leistung über die Inkraftsetzung eines "Neuen Lohnsystems" an. Dieses so wörtlich "umfassende Führungsinstrument", dessen Vernehmlassungsfrist in den nächsten Tagen endet, sieht mehr oder weniger einschneidende Änderungen für das gesamte Personal vor, angefangen bei technisch administrativen Mitarbeitenden bis hin zu den Hochschullehrerinnen und -lehrern. Schenkt man den offiziellen Verlautbarungen Glauben, so sei die Einführung dieses Leistungslohnmodells eine unmittelbare und zwingende Folge von Art. 15, Bundespersonalgesetz (BPG), wonach der Lohn eines jeden "Angestellten sich nach Funktion, Erfahrung und Leistung bemisst". Dem ist entgegen zu halten, dass die heute in der Personalverordnung gültigen und umgesetzten Grundsätze der Lohngestaltung bereits diese Anforderungen des BPG vollumfänglich erfüllen, wie auch die bisherige Praxis bestätigt. Ein "Neues Lohnsystem" braucht es also nicht und schon gar nicht nach BPG, sondern wohl aus ganz anderen Erwägungen heraus. Zu nennen wäre einerseits die Aufhebung der Lohnklassen und damit des alters- und teilweise erfahrungsbewährten Aufstiegs sowie der Wegfall des Ortszuschlages und des Teuerungsausgleichs. Andererseits aus Gründen der Anpassung der Löhne an die verfügbaren Mittel, was bedeutet, dass sich der Lohn des Einzelnen an den zugewiesenen Mitteln des jeweiligen Bereiches bzw. der Abteilung orientiert. Darüber hinaus entscheidet das jährlich stattfindende Personalgespräch (1) über die Anpassung des individuellen Lohnes.
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Der letztgenannte Punkt ist sicher der heikelste, denn den Vorgesetzten wird nun ein erheblich grösserer Handlungsspielraum zugemessen. Demzufolge dürften sich nach realistischer Einschätzung zwei Szenarien ereignen. In gut geführten Bereichen, die eben gerade nicht den viel zu eng gefassten leistungslohnspezifischen Trugschlussindikatoren, sondern bewährten Führungsprinzipien unterliegen, bilden die verfügbaren Mittel die Grenze. Das heisst, die Mitarbeiter bekommen unabhängig von der Mehrleistung nicht mehr Lohn zugesprochen, als die verfügbaren Mittel hergeben. In schlecht geführten Bereichen hingegen unterschreitet die Gesamtlohnsumme oftmals die verfügbaren Mittel und dann profitieren häufig Günstlinge, die noch dazu ihr Unwesen vielfach auf Kosten der wirklichen Leistungsträger treiben, soweit von unangemessenen Lohnzuschlägen, bis die verfügbaren Mittel aufgebraucht sind. Was die realistische Einschätzung angeht, so sei gesagt, dass es heute für beide Szenarien bereits genügend negative Beispiele sowohl in privaten wie auch öffentlichen Betrieben gibt, insbesondere dort, wo die betrieblichen Aktivitäten vorwiegend auf innovative und wenig standardisierbare Tätigkeiten basieren. Dieses Experiment mit bekanntem Ausgang nochmals an der ETH Zürich zu wiederholen, halte ich für mehr als gewagt. Sollte trotz aller hier wie auch von den Sozialpartnern und Hochschulkommissionen geäusserten Bedenken das "Neue Lohnsystem" tatsächlich greifen, bleibt mir nur den Leserinnen und Lesern zu empfehlen, sich über die eigene Position und das Verhältnis zum Vorgesetzten genauestens Klarheit zu verschaffen, um nicht bei den Leistungsbeurteilungen (1) böse Überraschungen zu erleben. Im Zweifelsfall wäre genügend frühzeitig ein Versetzungsgesuch in Betracht zu ziehen. Hilfreich ist dabei natürlich ein funktionierendes Informations- und Beziehungsnetz, um nicht vom Regen in die Traufe zu kommen. |
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Fussnoten:
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