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Rubrik: News
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Publiziert: 14.07.2003 06:00

Glaziologische Untersuchungen in Nordnorwegen
Ein Gletscher von unten betrachtet

(fw) Wie schnell sich ein Gletscher talwärts bewegt, das hängt entscheidend von den Prozessen ab, die sich an der Basis des Eises abspielen. Eine internationale Forschergruppe, an der sich auch Urs H. Fischer von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) (1) der ETH Zürich beteiligt, hat nun bei einem norwegischen Gletscher diese Prozesse experimentell untersucht. Wie die Forschenden in der ersten Juli-Ausgabe der Zeitschrift "Science" (2) berichten, fliesst ein Gletscher offenbar nicht so über den Untergrund, wie man sich das bisher vorgestellt hat.

Einmalige Forschungsumgebung

Normalerweise kann man das Geschehen unter einem Gletscher nur in sehr beschränktem Umfang studieren. Eine Ausnahme bildet der Svartisen-Gletscher in Nordnorwegen. Dort hat 1993 die staatliche Kraftwerksgesellschaft Norwegens unter dem Gletscher ein Tunnelsystem gebaut, um das Wasser, das sich an der Basis des Gletschers befindet, aufzufangen und für die Stromerzeugung zu nutzen. Als das Kraftwerk erstellt wurde, baute man gleichzeitig auch einen Forschungsstollen, der bis zum Eis reicht. Dies ermöglichte es der Forschergruppe nun, die Gleitbewegung an der Basis des 210 Meter mächtigen Gletschers genauer zu untersuchen.

In einem ersten Experiment untersuchten die Wissenschaftler, wie ein Gletscher über den anstehenden Fels gleitet. Da sich bei temperierten Gletschern zwischen Eis und Fels ein dünner Wasserfilm befindet, ging man bisher davon aus, dass sich das Eis mehr oder weniger reibungsfrei über den Untergrund bewegt. Abgesehen von der Reibung an den Talflanken würden demnach einzig die Unregelmässigkeiten auf der Felsoberfläche verhindern, dass ein solcher Gletscher mit katastrophaler Geschwindigkeit zu Tal gleitet. Diese Annahme hat die Gruppe nun widerlegt. Die Forschenden haben an der Gletscherunterseite überraschend hohe Reibungskräfte gemessen. Sie kommen daher zum Schluss, die Reibung zwischen dem Geschiebe im Eis und dem Felsuntergrund sei nicht vernachlässigbar. Genau das nahm man jedoch bei der Modellierung der basalen Gletscherbewegungen bisher meist an.

Sandkasten unter dem Eis

Eine gängige Vorstellung haben die Forscher auch bei ihrem zweiten Experiment widerlegt. Als die Glaziologen vor rund 20 Jahren erkannten, dass ein Teil der Gletscher nicht auf dem anstehenden Fels aufliegt, sondern auf einem Geschiebebett, argumentierte man, dies erkläre das schnelle Fliessen von galoppierenden Gletschern und antarktischen Eisströmen. Man postulierte nämlich, die Hauptbewegung würde nicht zwischen Eis und Sediment stattfinden, sondern innerhalb des Sedimentbetts, weil der Scherwiderstand des Sediments durch den Wasserdruck stark herabgesetzt wird.


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Für ihre Untersuchungen spülten die Forschenden an der Basis des Gletschers mit warmem Wasser einen Tunnel aus dem Eis. (Bild: Thomas Hooyer) gross

Die Forschergruppe hat nun beim Svartisen-Gletscher ein Loch in den Fels gesprengt und eine Art "Sandkasten" unter dem Gletscher installiert, um dies zu überprüfen. Dabei zeigte sich, dass die bisherige Theorie nicht ganz stimmt. Wenn der Wasserdruck nämlich einen gewissen Wert überschreitet, wird die Gleitreibung zwischen Eis und Sediment derart gering, dass die Scherkräfte nicht mehr übertragen werden können. In diesem Fall gleitet der Gletscher über das Sedimentbett, ohne dieses zu deformieren.


Fussnoten:
(1) Homepage der VAW: www.vaw.ethz.ch/
(2) Science, Vol. 300, No. 5629, 4. July 2003.



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