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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: News
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Publiziert: 22.12.2005 06:00

5 Jahre „ETH Life“ aus Redaktionsperspektive
Den ETH-Puls gefühlt

Zum 5 Jahre Jubiläum wagt der Redaktor Christoph Meier eine Nabelschau. Er beginnt beim wacklingen Beginn und kommt zum Wunsch nach mehr personifzierter Auseinandersetzung.

Christoph Meier

Nachdem zu Beginn des Jahres 2000 die grosse Computerpanne ausgeblieben war, konnte gegen dessen Ende die kleine Webzeitung „ETH Life“ gestartet werden. Ihre Aufgabe war es, die gut 20'000 Personen starke Gemeinde ETH Zürich zu informieren, wobei man sich auch eine gewisse „überregionale“ Ausstrahlung erhoffte.

Nachdem das Produktionssystem in letzter Minute noch fertig geworden war, nahm die Redaktion ihre Arbeit auf und berichtete darüber, dass Marienkäfer "Kara" ausgezeichnet worden war oder wie Käse aus Kamelmilch hergestellt werden kann (1)(2). Beim ersten Pulsfühlen zeigte sich bald, dass sich nicht alle an der innovativen Hochschule an der Neuerung erfreuten und dass im Hort der exakten Wissenschaften die anfänglichen Probleme mit Umlauten und der Archivierung nicht goutiert werden.

Explosionsartig bekannt

Soweit verlief der Start begleitet von der an einer Hochschule zu erwartenden Skepsis wenig spektakulär. Doch das Spektakel kam bereits Anfang 2001. Ein Redaktor befand, dass Uranmunition durchaus wissenschaftlich interessant sein könnte. Als promovierter Chemiker, stellte er sich in darum in einem kleinen Artikel die Frage, ob und falls ja, wie stark, Uranmunition mit dem viel kanzerogeneren Plutonium kontaminiert sei (3). Das barg Zündstoff, da Uranmunition von den amerikanischen Truppen im Kosovo-Konflikt eingesetzt worden war und mittlerweile deutsche und Schweizer Militärangehörige dort stationiert waren.

Da die Agenturen den kleinen, teilweise journalistisch etwas unbedarften Bericht als „ETH-Studie“ verbreiteten, löste dieser einen regelrechten Mediensturm aus, der insbesondere stark am Image des damaligen deutschen Verteidigungsministers kratzte. Die nachträgliche Erkenntnis, dass das Artikelchen keine wissenschaftliche Studie war, und Plutonium in anscheinend unbedenklichen Mengen in der Uranmunition vorkommt, konnten natürlich nicht alle „Sturmschäden“ rückgängig machen.

Hochschule mit Journalisten?

Die Folge für ETH Life war, dass einerseits die Webzeitung auf einen Schlag sehr bekannt war. Andererseits sah man sich als Redaktor gezwungen, die mit dem Namen „ETH“ verbundene Reputation noch mehr in Rechnung zu stellen. Andere Zeitungen fragten in diesem Zusammenhang naserümpfend, ob sich einfach, weil die technischen Möglichkeiten da seien, nun auch die Hochschulen journalistisch gebärden sollten. Etwas weniger unbeschwert versuchten die Redaktionsmitglieder mit Berichten den auch intern teilweise ramponierten Ruf wieder zu verbessern. Dabei wagte man sich vermehrt in die eigentliche Wissenschaft vor und versuchte Forschungsergebnisse breiter vorzustellen.

Diese Popularisierung wissenschaftlicher Arbeiten registrierte auch immer wieder das externe Publikum. Da er den Geschmack eines Skandals besass, sorgte vor allem ein Artikel zu Würsten mit antibiotikaresistenten Bakterien für Aufsehen. Gewürzt war der Artikel mit einer für Forschende unübliche direkten Aussage einer Doktorandin: Sie würde auf entsprechende Würste verzichten, wenn sie schwanger wäre (4). Dem Metzgermeisterverband war es dabei gar nicht Wurst, dass ein Redaktor den Unterschied zwischen einem deutschen und schweizerischen Cervelat nicht kannte. Die Redaktion ging mit grösseren Wurstkenntnissen aus der Sache hervor und einem erweiterten Bewusstsein für die Teufelchen im Detail.

Apropos Teufelchen – Die Redaktion sah sich hie und da auch mit der Frage konfrontiert, wie weit sie Advocatus Diaboli spielen soll. Erwähnt man einen Professor, bei dem ein „New York Times“-Journalist eine Mitverantwortung bei einem Fälschungsskandal zuschreibt, oder wartet man ab, bis sich alles geklärt hat? Oder wie thematisiert „ETH Life“ die Unzufriedenheit von Hochschulangehörigen, wenn niemand namentlich zitiert werden will? Da keine allgemeine Lösung möglich schien, entschied die Redaktion von Fall zu Fall, wobei die Dokumentationspflicht immer als wichtig erachtet wurde.


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Eine Nabelschau zum 5 Jahre Jubiläum: Redaktor Christoph Meier schaut für einmal zurück. gross

Zufall und Notwendigkeit

Wie hoch der Anteil an Themen sein soll, die von aussen auf die ETH einwirken, blieb ebenfalls eine Frage, welche die Redaktion umtrieb. Als Journalisten fühlten sich die „ETH Life“-Macher zumindest nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 verpflichtet, das Thema aufzugreifen (5). Da musste auch eine am gleichen Tag erfolgte Vereinbarung zwischen ETH und Universität Zürich kürzer treten (6). Leicht fiel es dagegen, über Erfolge der ETH zu berichten. Den grössten stellte die Vergabe des Chemienobelpreises an Kurt Wüthrich im Jahre 2002 dar. Dank der guten internen Kontakte konnte ETH Life bald eines der ersten ausführlichen Interviews mit dem in den Olymp der Wissenschaftler aufgestiegenen Forscher führen (7). Aufgrund des speziellen Anlasses gelang es sogar, einen Kollegen zur Preisvergabe nach Stockholm zu senden (8).

Da die Wissensmaschine ETH lief und läuft, bestand und besteht ein weiteres Problem darin, was man aufgreifen und was weglassen soll. Um wenigstens nicht allzu ungerecht zu sein, überliess man es in Bezug auf die Forschung häufig dem Zufall, worauf sich der publizistische Scheinwerfer von ETH Life richtete – eine Methode, die natürlich nicht immer verstanden wurde und die auch intern nicht als in Stein gemeisselt erachtet wird. Dagegen diktierten offizielle ETH-Anlässe wie der ETH-Tag und die von aussen speziell wahrgenommenen ETH-Aktivitäten die Themensetzung. Der ETH-Gentechweizen wurde zu einem Dauerläufer. Dabei störten sich die Befürworter daran, dass den Positionen der Gegner zu viel Raum eingeräumt wurde, wohingegen die Gegner ETH Life nur als Sprachrohr der offiziellen ETH wahrnahmen.

Das ultimative Lob

Grundsätzlich stellte man als Redaktor fest, dass ETH Life den Ruch der Parteilichkeit nie ganz ablegen konnte. Die Zeitung trug insofern zu diesem Ruf bei, als in ihr fast wie bei der „Schweizer Illustrierten“ die positiven Meldungen überwiegen, wohingegen das Negative, das die meisten Zeitungsspalten füllt, nur beschränkt zum Thema wird. Um aber zu zeigen, dass ETH Life den ETH-Puls auch fühlt, wenn er nicht nur aus Forscher-Freude hochgeht, ist es wahrscheinlich nötig, mehr Platz dem Menschlichen, Allzumenschlichen einzuräumen. Etabliert sich zudem an der ETH vermehrt eine Diskurskultur, bei der es erwünscht ist, dass ETH-Angehörige mit Namen und Gesicht ihre kritischen Ansichten äussern, dann wird auch ETH Life noch mehr Facetten des ETH-Lebens darstellen können.

PS: Neuen zu „ETH Life“ stossenden Journalisten sei noch folgender Hinweis gegeben: Der Satz „Sie sind ja kein Journalist“ stellt an der ETH fast immer ein Lob dar.


Fussnoten:
(1) "Marienkäfer "Kara" ausgezeichnet": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/kutterpreis.html
(2) "Käse aus Kamelmilch": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/Kamelkdse.html
(3) "Plutonium in der Uran-Munition?": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/Plutonium.html
(4) "Gefährliche Rohwurst?": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/GefhrlicheRohwurst.html
(5) "Schwerster Schock seit Vietnam" www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/SchwersterSchock.html
(6) "Partnerschaft besiegelt": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/KooperationUniETH.html
(7) "Die ETH kann stolz sein": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/wuethrichnobint.html
(8) "Auf dem wissenschaftlichen Gipfel":www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/wuethrnobel.html



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