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Rubrik: News
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Publiziert: 09.10.2003 06:00

Chemie-Nobelpreis für die Entdeckung von Wasser- und Ionenkanälen
Ionen auf der Wanderung durch Zellwände

(mib) Peter Agre von der Johns Hopkins University School of Medicine und Roderick MacKinnon von der Rockefeller University haben gestern den Chemie-Nobelpreis zugesprochen erhalten (1). Ausgezeichnet wurden Arbeiten, die zur Entdeckung der Aquaporine und des Kalium-Ionenkanals führten – in beiden Fällen handelt es sich um molekulare Kanäle in den Zellmembranen.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wusste man, dass es eine Öffnung in der Zellwand geben muss, durch die Wasser und Salze „wandern“ können. In den 1950er-Jahren entdeckte man schliesslich, dass Wassermoleküle schnell in Zellen hinein und wieder hinaus transportiert werden (eine Milliarden Moleküle pro Sekunde und Kanal!) und dass dafür Poren verantwortlich sind, die selektiv „arbeiten“. Doch es dauerte weitere dreissig Jahre, bis Peter Agre in den 1980er-Jahren den Mechanismus an roten Blutzellen endlich beschreiben konnte. 1988 isolierte er ein bis dahin noch unbekanntes Protein, dass für den Transport verantwortlich ist – das CHIP28, das später in AQP1 umbenannt wurde. AQP steht für Aquaporin. Zwei Jahre später gelang Agre die Beschreibung der dreidimensionalen Struktur von AQP1 und die Isolation eines weiteren Proteins, des AQP2. „Diese entscheidende Entdeckung öffnete die Tür zu einer ganzen Reihe von biochemischen, physiologischen und genetischen Studien an Wasserkanälen in Bakterien, Pflanzen und Säugetieren. Heute können die Forscher ein Wassermolekül auf seinem Weg durch die Zellmembran im Detail verfolgen und verstehen, warum nur Wasser aber keine anderen kleinen Moleküle oder Ionen hindurchdringen können“, heisst es in der Laudatio der Royal Swedish Academy of Sciences. Und Olaf Pongs, Direktor des Hamburger Zentrums für molekulare Neurobiologie: findet: „Das ist wirklich eine bahnbrechende Arbeit“.

Einen anderen Typ von Membrankanal entdeckte Roderick MacKinnon – den Kalium-Ionenkanal (KcsA K+). Bereits 1890 vermutete der deutsche Wilhelm Ostwald (Chemie-Nobelpreis 1909), dass in Gewebe gemessene elektrische Signale ein Hinweis auf den Ionentransport in der Zellmembran sind. In den frühen 1950er-Jahren gelang den beiden Briten Alan Hodgkin und Andrew Huxley (Medizin-Nobelpreis 1963 zusammen mit John Eccles) der Nachweis von Ionenfluss in Nervenzellen. Doch erst im April 1988 konnte Roderick MacKinnon die räumliche Struktur des Kalium-Ionenkanals dreidimensional darstellen. „Dank dieser Arbeit können wir nun die Ionen durch den Kanal strömen ‚sehen’, die mittels verschiedener Signale in der Zelle geöffnet und geschlossen werden können“, heisst es in der Laudatio der königlichen Wissenschaftsakademie Schwedens. „Rod hat mit seiner Arbeit die ganze Fachwelt zum Staunen gebracht“, sagt François Diederich, Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich. „Der Nobelpreis ist


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Die Ionenkanäle in der Zellmembran ermöglichen die "Wanderung" von Wasser und Salzionen. gross

hochverdient, von mir bekommt Rod uneingeschränkten Beifall.“

Ionenkanäle sind unter anderem für die Funktion des Nervensystems und der Muskeln wichtig. Das so genannte Aktionspotential in Nervenzellen wird zum Beispiel erzeugt, wenn ein Ionenkanal auf der Oberfläche einer Nervenzelle durch ein chemisches Signal einer benachbarten Zelle geöffnet wird. Nun pflanzt sich ein elektrischer Spannungsimpuls entlang der Nervenoberfläche fort; im Verlauf von einigen Millisekunden öffnen und schliessen sich eine ganze Reihe von weiteren Ionenkanälen.

Beide Preise, so das Nobel-Komitee, illustrierten, „wie die heutige Biochemie bis auf das atomare Niveau hinabgeht, um im Grundsatz die Lebensprozesse zu verstehen“.

Peter Agre ist 1949 in Northfield (Minnesota) geboren und studierte Chemie am Augsburg College in Minneapolis und Medizin an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (2). In den 1970er-Jahren war er an der Case Western Reserve University in Cleveland und an der University of North Carolina in Chapel Hill tätig. Seit 1993 ist er Professor für biologische Chemie an der Johns Hopkins University.

Der 47-jährige Roderick MacKinnon ist in Burlington (Massachusetts) geboren, studierte Biochemie an der Brandeis University und Medizin an der Harvard Medical School, beide Boston (3). Seit 1996 ist er Professor für molekulare Neurobiologie und Biophysik an der Rockefeller University in New York. 1999 war MacKinnon Gast der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft und hielt an der Bürgenstock-Konferenz für Stereochemie ein viel gelobtes Referat, und 2001 gab er eine Vorlesung an der ETH Zürich. „Er ist ein hervorragender Kristallograph und Elektrophysiologe“, sagt François Diederich, der vor zwei Jahren versuchte, MacKinnon als Forscher an die ETH zu holen.


Literaturhinweise:
Ein Übersichtsartikel über die beiden ausgezeichneten Arbeiten soll demnächst in den „FEBS Letters“ erscheinen: “Aquaporin Water Channels: Molecular Mechanisms for Human Diseases” und “Potassium Channels”.

Fussnoten:
(1) Nobelpreis für Chemie 2003: www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/press-ge.html
(2) Peter Agre: http://biolchem.bs.jhmi.edu/facultydetail.asp?PersonID=665
(3) Roderick MacKinnon: www.rockefeller.edu/research/abstract.php?id=132



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