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Rubrik: News
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Publiziert: 04.04.2006 06:00

Ringvorlesung von ETH und Uni Zürich
Reiche Reihe zur Armut

(cm) Mit der Armut sei sie erstmals während ihren Studien an der Yale University konfrontiert worden, erzählt Ursula Renz. Doch nicht nur das in New Haven erlebbare Nebeneinander von Arm und Reich beschäftigte die Philosophin, die heute wissenschaftliche Assistentin an der ETH-Professur für Philosophie ist, sondern auch dass Armut – anders als analoge Themen wie Gender oder Antisemitismus – kein Gegenstand weitergreifender theoretischer Debatten ist. Tatsächlich fehlt, sieht man einmal von dafür prädestinierten Disziplinen wie Ethik, Ethnologie und Ökonomie sowie von Diskussion in bestimmten Bereich der angewandten Wissenschaften wie etwa der Gentechnologie ab, in vielen wissenschaftlichen Disziplinen eine grössere systematische Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Dennoch hätten viele Disziplinen einiges zur Thematik zu sagen. Um das zu zeigen, organisierte Ursula Renz zusammen mit ihrer Kollegin Barbara Bleisch vom Ethik Zentrum der Universität Zürich, eine Ringvorlesung zum Thema. Die Veranstaltungsreihe „Armut“ beginnt am Donnerstag diese Woche (1).

Den Anfang der Reihe stellen Vorlesungen dar, die sich damit befassen, wie „Armut“ überhaupt in verschiedenen Disziplinen auftaucht. Beispielsweise wird die Linguistin Angelika Linke erörtern, wie der ein Defizit bezeichnende Begriff zur sozialen Kategorie wird und als solche auch noch typisierte Einstellungen und Forderungen der Gemeinschaft mittransportiert. Oder die Filmwissenschaftlerin Christine Brinckmann setzt sich damit auseinander, wie man Armut ins Bild setzt.

Das Bild des Diogenes in der Tonne – die Metapher für den Mittellosen, aber Glücklichen - sei, so Ursula Renz, in der Philosophiegeschichte immer wieder aufgetaucht. In der Ringvorlesung nimmt sich ihm der Philosoph Robert Schnepf an. Auffälligerweise wird Armut, die noch im 17. Jahrhundert von Thomas Hobbes als Gut bezeichnet wurde, heute nicht mehr als ein Gut angesprochen.


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Doch nicht nur wissenschaftliche Ansätze kommen bei der Veranstaltungsreihe zur Sprache. Die Referentin Monika Stocker kennt als Stadträtin die Praxis. Sie löste mit ihrem Vorschlag von 1000-Franken-Jobs für Sozialhilfeempfänger eine heftige Kontroverse aus. Global und nicht lokal wird der Ökonom Stephan Klasen analysieren, wie Armut mit Ungleichheit von Einkommen und Wohlstand verbunden ist.

An den zwei Podien in der Ringvorlesung nehmen auch ETH-Forscher teil. Rolf Kappel vom NADEL wird bei relativen und absoluten Standards der Armut mitdiskutieren. Hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob Arme in einer reichen Umgebung noch ärmer sind. Arm ist sicher, wer Hunger leidet. Philipp Aerni vom ETH-Zentrum für vergleichende und internationale Studien will in diesem Zusammenhang mit seinen Gesprächspartnern erörtern, ob Gentechnologie ein wichtiges Instrument bei der Nahrungssicherung darstellt oder darstellen wird.

Grundsätzlich erhoffen sich die Veranstalterinnen Ursula Renz und Barbara Bleisch von den Vorträgen nicht nur eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen der Armut, sondern auch eine öffentliche Debatte über die unterschiedlichen Facetten des gesellschaftlichen Phänomens. Gelingt beides, hat die thematisch reiche Vorlesungsreihe ihren Zweck erfüllt.


Fussnoten:
(1) Programm der Ringvorlesung "Armut": www.agenda.unizh.ch/liste.php?list_type=reihe&list_id=198



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