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Rubrik: News
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Publiziert: 30.10.2003 06:02

Eawag-Direktor Alexander Zehnder wird Präsident des ETH-Rates
"Weitere Abstriche sind nicht tolerierbar"

Gestern hat der Bundesrat die Wahl bestätigt: Eawag-Direktor Alexander Zehnder wird neuer Präsident des ETH-Rates (1). Die Wahl erfolgte schon vor zwei Wochen, doch die Finanzdelegation des Parlaments musste noch ihren Segen dazu geben (2). Dies wurde nötig, weil das ETH-Ratspräsidium neu zum Vollamt aufgewertet wird, die Entlöhnung dementsprechend höher ausfällt. Zehnder wird sein Amt am 1. Juli 2004 antreten und den Genfer Medizinprofessor Francis Waldvogel ablösen. Vizepräsident wird der ehemalige Zürcher Regierungsrat und Ex-HSG-Professor Ernst Buschor. Er ersetzt Stephan Bieri.

Interview: Michael Breu

Herr Zehnder, mehr als dreissig Jahre waren Sie insgesamt als Forscher tätig; sie haben die WHO beraten, die Mikrobiologie an der Universität Wageningen zu einer weltweit anerkannten Institution aufgebaut und die Eawag während zehn Jahren als Direktor geleitet. Nun werden Sie Präsident des ETH-Rates. Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst?

Alexander Zehnder: Auch als Eawag-Direktor ist es nicht mehr möglich, "reiner" Forscher zu sein. Obwohl ich mich noch sehr um die Ausbildung von Studenten und Doktoranden gekümmert habe, in der Forschung und in der Publikation von Forschungsergebnissen eingebunden war, musste ich mich doch auch um Wissenschaftsmanagement und -politik kümmern. Das Gebiet ist daher nicht ganz neu für mich. Meine positive Antwort auf die Frage, ob ich Präsident des ETH-Rats werden wolle, basiert auf folgenden Überlegungen und Fakten:

- Ich bin seit beinahe zwölf Jahren in meiner jetzigen Funktion tätig. Von allen Mitgliedern des ETH-Rates, den Präsidenten der beiden ETH und den Direktoren der Forschungsanstalten bin ich der Dienstälteste und kenne das System "ETH-Bereich", seine Stärken und Schwächen besser als manch anderer.

- Andere Hochschulsysteme im Ausland sind mir mit ihren vielen Facetten gut bekannt. In den USA habe ich an einer staatlichen in Madison und an einer privaten Universität gearbeitet in Stanford. Ich kenne das holländische Universitätssystem in- und auswendig. Das deutsche und französische Unterrichts- und Forschungssystem ist mir durch meine langjährige Gutachtertätigkeit und Mitgliedschaft in strategischen Gremien ebenfalls äusserst gut bekannt.

Das Präsidium des ETH-Rates ist eine Verwaltungsinstanz. Werden Sie die Nähe zur Forschung und zur wissenschaftlichen Praxis nicht vermissen?

Zehnder: Der Ausbildungs- und Forschungsplatz Schweiz steht vor einem Umbruch. Ich sehe hier eine Herausforderung für mich, einen Beitrag zur Neuorientierung zu leisten, und denke, meine hiesige und meine über 15-jährigen Auslanderfahrungen werden dabei hilfreich sein.

Meine Tätigkeiten hatten eigentlich immer mit Aspekten der Nachhaltigkeit zu tun. Für mich ist Nachhaltigkeit keine leere Worthülse. Ausbildung oder Forschung, welche helfen, unseren Planet nachhaltiger zu gestalten, hatten und haben für mich einen sehr hohen Stellenwert. Ich möchte dem Thema Nachhaltigkeit und dem Umgang mit unseren Ressourcen – dazu gehören nicht nur stoffliche Elemente, sondern auch Wissen und Ausbildung – auch in meiner neuen Funktion das nötige Gewicht geben.

Sie sind im Advisory Board mehrer Zeitschriften tätig. Ebenso sind Sie in verschiedensten Beratergremien aktiv. Werden Sie diese Aufgaben nach Ihrer Wahl abgeben?

Zehnder: Meine aktive Mitarbeit in Redaktions- und Beratergremien habe ich bereits stark reduziert und werde sie in den kommenden zwei bis drei Jahren weiter abbauen.

"Der ETH-Bereich baut seinen Platz an der Spitze der internationalen Wissenschaft aus (...) Der ETH-Bereich setzt neue Trends in der weltweiten Forschung." Das gibt die strategische Planung des ETH-Rates für die Jahre 2004-07 vor. Wie wollen Sie dieses hohe Ziel erreichen?

Zehnder: Die Strategische Planung ist eines der Instrumente um ein gutes Umfeld zu schaffen, Exzellenz zu fördern und Qualität zu belohnen. Es wird mein Ziel sein, den Hochschulen und Institutionen des ETH-Bereichs ein Umfeld zu schaffen, das es ihnen ermöglicht, sich im internationalen Wettbewerb im Spitzenfeld bewegen zu können.

In diesem Rahmen sehe ich auch meine prioritären Anliegen. Dazu gehört eine international verbesserte Stellung der Schweizer Wissenschaft, eine Erhöhung der wissenschaftlichen Produktivität und vermehrte Anerkennung von Qualität sowie die verstärkten Umsetzung in die Praxis. Also nicht Nivellierung sondern streben nach Exzellenz.


Der Umweltbiotechnologe und Eawag-Direktor Alexander Zehnder wird neuer Präsident des ETH-Rates. Bild: Tom Kawara/Eawag gross

Die so genannte Spar- und Entlastungsrunde ist im Parlament noch nicht durchberaten. Es ist also möglich, dass es für die Forschung weitere finanzielle Abstriche geben wird. Wie viel ist tolerierbar?

Zehnder: Weitere Abstriche sind nicht tolerierbar! Seit 1997 arbeiten wir mit einem nominal konstanten Budget, real mit immer weniger Geld. Ein Budgetwachstum ist deshalb unabdingbar, soll der ETH-Bereich den Anschluss nicht verpassen und in die Mittelmässigkeit absinken. Schlussendlich können wir die in der BFT-Botschaft formulierten Ziele nur erreichen, wenn wir die Mittel haben, uns mit den Spitzennationen der Welt zu messen.

Die Lehre soll flexibler gestaltet, die Lehrinhalte und Kompetenzprofile angepasst sowie die Ausbildung international geöffnet werden. Was verstehen Sie darunter? Und wie wollen Sie diese Forderungen der strategischen Planung angehen?

Zehnder: In erster Linie sind hier die beiden ETHs gefordert – mit flankierender Unterstützung des ETH-Rats. Eine ihrer prioritären Aufgaben wird die intensive Erschliessung des angelsächsischen Raums sein.

Das Collegium Helveticum stellt die aktuelle Diskussionsreihe unter das Thema "Wissenschaft kontrovers". Unter anderem geht es um die ethische Verantwortung der Forschenden. Auch der ETH-Rat will dazu Leitgedanken entwickeln. Was müsste Ihrer Meinung nach drinstehen?

Zehnder: Ich setze hier in erster Linie auf die Wechselwirkung zwischen Doktoranden und ihren Begleitern. Entsprechend werden wir keine abstrakten Leitgedanken formulieren sondern den Forschenden unsere ethischen Leitgedanken im täglichen Leben vermitteln.

Was wird Ihre erste Amtshandlung als Präsident des ETH-Rates sein?

Zehnder: Da ich mein Amt am 1. Juli des kommenden Jahres antreten werde, bleibt mir Zeit,dies reiflich zu überlegen. Auf jeden Fall sehe ich meinen "politischen Auftrag" mitzuhelfen das schweizerische Bildungs- und Forschungssystem weltweit zu einem der innovativsten, effektivsten, kompetitivsten und effizientesten zu machen. Der ETH-Bereich soll bei dieser grossen Aufgabe ein starker Partner sein, der im Ingenieurwesen und in Teilen der Naturwissenschaften die Führungsrolle übernimmt und sich noch markanter für die Zusammenarbeit mit den Geistes- und Sozialwissenschaften der Universitäten öffnet.


Zur Person: Alexander Zehnder

(mib) Alexander J. B. Zehnder wurde am 21. Februar 1946 im st.-gallischen Goldach geboren. Er studierte an der ETH Zürich Naturwissenschaften und schloss seine Ausbildung 1971 mit dem Diplom ab. Anschliessend war er bis 1973 als Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Marokko tätig. Seine Doktorarbeit über die Ökologie der Methanbakterien beendete er 1976 an der ETH. Danach forschte er als Postdoc an der University of Wisconsin in Madison und als Assistenzprofessor an der Stanford University. Nach zwei Jahren als wissenschaftlicher Adjunkt an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf und Lehrbeauftragter an Universität und ETH Zürich wurde er 1982 als Professor für Mikrobiologie an die Landwirtschaftliche Universität in Wageningen berufen. Dort leitete er das Institut bis zu seiner Rückkehr in die Schweiz. Seit 1992 ist er Direktor der Eawag und Professor für Umweltbiotechnologie an der ETH Zürich. Zehnder ist Mitglied zahlreicher Forschungsorganisationen, so zum Beispiel im International Committee of Microbial Ecology, in der Hermann-von-Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften und der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW). Er ist Herausgeber der Fachmagazine „Environmental Science & Technology“ und „Gaja“.




Fussnoten:
(1) ETH-Rat: www.ethrat.ch/
(2) “Bundesrat wählt neue Leitung des ETH-Bereichs”, Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements des Innern vom 29. Oktober 2003: www.edi.admin.ch/presse/2003/031029ETH-d.pdf



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