|
Rubrik: Science Life |
Print-Version
|
Vorschlag für robuste Speichereinheit eines Quantencomputers Rechnen mit Schrödinger-Katzen |
Vorläufig ist der Quantencomputer noch Theorie. Ein grosses Problem dabei ist nämlich die Störanfälligkeit der bisher entwickelten Quanten-Bits - der Speichereinheit eines allfälligen Quantencomputers. Doch ein Forscherteam der ETH fand jetzt eine Möglichkeit zur Realisation eines fehlertoleranten Quanten-Bits. Als Trägereinheiten der Information werden dabei topologische Eigenschaften des elektronischen Zustands einer Nanostruktur benützt. Von Christian Thalmann Der Quantencomputer: Seit zwei Jahrzehnten träumen Physiker, Informatiker, Chemiker, Kryptographen und andere Wissenschafter davon. Doch vorläufig existiert die Maschine, die mit ihren unkonventionellen Eigenschaften komplexe Probleme lösen soll, die heutige Computer hoffnungslos überfordern, erst in der Theorie. Der klassische Rechner arbeitet mit elektronisch gespeicherten binären Informationseinheiten, den Bits, die genau zwei Werte annehmen können: Null und Eins. Ein Quanten-Computer rechnet dagegen mit den sogenannten "Quanten-Bits", die sich nach den eigenwilligen und unwirklich anmutenden Gesetzen der Quantenmechanik verhalten. Einem Quanten-Bit kann man keinen festen Wert wie Null oder Eins zuweisen. Vergleichbar mit Schrödingers Katze (siehe Kasten) nimmt es zu jedem Zeitpunkt beide Zustände mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein. Unglücklicherweise ist es aber gar nicht einfach, in der Praxis ein Objekt herzustellen, das sich als Quantenbit eignet. Einerseits muss es sehr sorgfältig von Umwelteinflüssen isoliert werden, um in seiner quantenmechanischen Schwingung nicht gestört zu werden, andererseits muss man es bei Bedarf gezielt manipulieren können, um damit Rechnungen durchzuführen.
Topologisches Quanten-Bit Nun hat aber ein Forscherteam unter der Leitung des ETH-Physikers Johann Blatter unter Mitarbeit von Kollegen der Rutgers University (New Jersey) und des Landau Instituts (Moskau), basierend auf einer Idee des Microsoft-Physikers Kitaev, ein neuartiges und vielversprechendes Konzept vorgelegt (1). Es bedient sich der Topologie, eines mächtigen Prinzips der Mathematik. Es lässt sich auf anschauliche Weise anhand des Möbiusbandes demonstrieren (siehe Abbildung). Klebt man einen 10 cm langen Papierstreifen in eine Schleife zusammen, so erhält man eine Schleife mit einer Innen- und einer Aussenseite. Beide dieser Seiten sind wiederum 10 cm lang. Wenn man aber den Papierstreifen vor dem Zusammenkleben einmal verdreht, erhält man eine Schleife mit einer einzigen, 20 cm langen Seite, die den Kreis zweimal durchläuft, bis sie sich schliesst. Diese beiden Versionen lassen sich, einmal geklebt, nicht mehr ineinander überführen, ohne das Papier zu zerreissen: Sie sind in den Worten der Mathematik "topologisch verschieden". Betrachtet man jedoch nur ein kleines Teilstück einer Schleife, so unterscheiden sich die Zustände dort nicht, sie sind "lokal gleich". Die topologische Information steckt also in der Gesamtheit der Schleife.
|
Dem internationalen Forscherteam ist es gelungen, ein physikalisches Quanten-Bit-Modell zu finden, das die topologischen Eigenschaften der Papierschleife in sich trägt. Die Werte Null und Eins werden hier durch die topologischen Zustände "unverdreht" und "verdreht" repräsentiert. Was dieses Modell besonders vielversprechend macht, ist seine Robustheit gegenüber äusseren Störungen. Diese würden das System nur lokal angreifen, wo sich die beiden Zustände nicht unterscheiden. Die Information, die in der globalen Struktur des Systems liegt, würde davon aber nicht beeinflusst werden. Neue Welt der Datensicherheit An der Entwicklung des Quantencomputers haben nicht nur die theoretischen Physiker und Chemiker ein reges Interesse. Um Daten und Transaktionen geheimzuhalten, benützen heutzutage sowohl Wirtschaft als auch Militär in aller Welt das sogenannte Public Key Kodierungs-Schema, das mit extrem grossen Primzahlen arbeitet. Die Sicherheit dieses Schemas beruht darauf, dass die Primfaktorzerlegung mit einem heutigen Computer für grosse Zahlen exponentiell an Komplexität zunimmt, und deshalb für einen Code-Brecher nicht nachvollziehbar ist. Auf einem Quantencomputer wäre dies aber nicht mehr der Fall. "Ein Quantencomputer könnte die Datensicherheit weltweit ins Wanken bringen. Andererseits eröffnet er auch ganz neue Welten der Datenverschlüsselung", bemerkt Johann Blatter. Wann ist es soweit? Wann und ob der Quantencomputer jemals entwickelt wird, steht noch keinesfalls fest, jedoch forschen weltweit zahlreiche Teams an neuen Wegen, Schrödingerkatzen zum Tanze aufzufordern. Das topologische Quanten-Bit ist nämlich vorerst noch mehr Theorie als Praxis. Zwar hat die Forschungsgruppe bereits einen Weg gefunden, wie dieses Modell mit Hilfe der Nanotechnologie realisiert werden kann und wie sich das so erzeugte Material zum Bau eines Quanten-Bit verwenden lässt; die tatsächliche Umsetzung dieses Bauplans stösst aber an die heutigen Grenzen der Machbarkeit. "Eine konkrete Prognose für den fertigen Quantencomputer zu nennen wäre wohl leichtsinnig", meint Blatter. "Bis anhin schien es, dass er noch Dutzende, wenn nicht Hunderte von Jahren in der Zukunft liege. Allerdings gibt es bereits Gerüchte, dass es einem Team in Frankreich gelungen sei, einen supraleitenden Ring zehntausend Zyklen lang in einem kohärenten Quantenzustand zu halten. Das stimmt mich nachdenklich."
|
|||||||||
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |