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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 18.02.2002 06:00

Vorschlag für robuste Speichereinheit eines Quantencomputers
Rechnen mit Schrödinger-Katzen

Vorläufig ist der Quantencomputer noch Theorie. Ein grosses Problem dabei ist nämlich die Störanfälligkeit der bisher entwickelten Quanten-Bits - der Speichereinheit eines allfälligen Quantencomputers. Doch ein Forscherteam der ETH fand jetzt eine Möglichkeit zur Realisation eines fehlertoleranten Quanten-Bits. Als Trägereinheiten der Information werden dabei topologische Eigenschaften des elektronischen Zustands einer Nanostruktur benützt.

Von Christian Thalmann

Der Quantencomputer: Seit zwei Jahrzehnten träumen Physiker, Informatiker, Chemiker, Kryptographen und andere Wissenschafter davon. Doch vorläufig existiert die Maschine, die mit ihren unkonventionellen Eigenschaften komplexe Probleme lösen soll, die heutige Computer hoffnungslos überfordern, erst in der Theorie. Der klassische Rechner arbeitet mit elektronisch gespeicherten binären Informationseinheiten, den Bits, die genau zwei Werte annehmen können: Null und Eins. Ein Quanten-Computer rechnet dagegen mit den sogenannten "Quanten-Bits", die sich nach den eigenwilligen und unwirklich anmutenden Gesetzen der Quantenmechanik verhalten.

Einem Quanten-Bit kann man keinen festen Wert wie Null oder Eins zuweisen. Vergleichbar mit Schrödingers Katze (siehe Kasten) nimmt es zu jedem Zeitpunkt beide Zustände mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein. Unglücklicherweise ist es aber gar nicht einfach, in der Praxis ein Objekt herzustellen, das sich als Quantenbit eignet. Einerseits muss es sehr sorgfältig von Umwelteinflüssen isoliert werden, um in seiner quantenmechanischen Schwingung nicht gestört zu werden, andererseits muss man es bei Bedarf gezielt manipulieren können, um damit Rechnungen durchzuführen.


Schrödingers Katze

Die zum stehenden Begriff gewordene "Schrödinger-Katze" bezieht sich auf einen Text des Physikers Erwin Schrödinger, in dem dieser den eigentümlichen Charakter der Quantenmechanik illustriert: "Man kann auch ganz burleske Fälle konstruieren. Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muss): In einen Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, dass im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch gar keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, dass die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie ganz vergiftet haben. Die Wellenfunktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, dass in ihr die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind.



Topologisches Quanten-Bit

Nun hat aber ein Forscherteam unter der Leitung des ETH-Physikers Johann Blatter unter Mitarbeit von Kollegen der Rutgers University (New Jersey) und des Landau Instituts (Moskau), basierend auf einer Idee des Microsoft-Physikers Kitaev, ein neuartiges und vielversprechendes Konzept vorgelegt (1). Es bedient sich der Topologie, eines mächtigen Prinzips der Mathematik. Es lässt sich auf anschauliche Weise anhand des Möbiusbandes demonstrieren (siehe Abbildung).

Klebt man einen 10 cm langen Papierstreifen in eine Schleife zusammen, so erhält man eine Schleife mit einer Innen- und einer Aussenseite. Beide dieser Seiten sind wiederum 10 cm lang. Wenn man aber den Papierstreifen vor dem Zusammenkleben einmal verdreht, erhält man eine Schleife mit einer einzigen, 20 cm langen Seite, die den Kreis zweimal durchläuft, bis sie sich schliesst. Diese beiden Versionen lassen sich, einmal geklebt, nicht mehr ineinander überführen, ohne das Papier zu zerreissen: Sie sind in den Worten der Mathematik "topologisch verschieden". Betrachtet man jedoch nur ein kleines Teilstück einer Schleife, so unterscheiden sich die Zustände dort nicht, sie sind "lokal gleich". Die topologische Information steckt also in der Gesamtheit der Schleife.


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Mšbiusband
Das mittlere Band lässt sich auf zwei Arten in eine Schleife zusammenkleben: unverdreht ergibt sich eine Schleife mit zwei verschiedenen Seiten, während eine Verdrehung ein Möbiusband mit einer einzigen Seite ergibt. Ein solches Phänomen nutzen ETH-Physiker für ein robustes Modell eines Quantenbits. gross

Dem internationalen Forscherteam ist es gelungen, ein physikalisches Quanten-Bit-Modell zu finden, das die topologischen Eigenschaften der Papierschleife in sich trägt. Die Werte Null und Eins werden hier durch die topologischen Zustände "unverdreht" und "verdreht" repräsentiert. Was dieses Modell besonders vielversprechend macht, ist seine Robustheit gegenüber äusseren Störungen. Diese würden das System nur lokal angreifen, wo sich die beiden Zustände nicht unterscheiden. Die Information, die in der globalen Struktur des Systems liegt, würde davon aber nicht beeinflusst werden.

Neue Welt der Datensicherheit

An der Entwicklung des Quantencomputers haben nicht nur die theoretischen Physiker und Chemiker ein reges Interesse. Um Daten und Transaktionen geheimzuhalten, benützen heutzutage sowohl Wirtschaft als auch Militär in aller Welt das sogenannte Public Key Kodierungs-Schema, das mit extrem grossen Primzahlen arbeitet. Die Sicherheit dieses Schemas beruht darauf, dass die Primfaktorzerlegung mit einem heutigen Computer für grosse Zahlen exponentiell an Komplexität zunimmt, und deshalb für einen Code-Brecher nicht nachvollziehbar ist. Auf einem Quantencomputer wäre dies aber nicht mehr der Fall.

"Ein Quantencomputer könnte die Datensicherheit weltweit ins Wanken bringen. Andererseits eröffnet er auch ganz neue Welten der Datenverschlüsselung", bemerkt Johann Blatter.

Wann ist es soweit?

Wann und ob der Quantencomputer jemals entwickelt wird, steht noch keinesfalls fest, jedoch forschen weltweit zahlreiche Teams an neuen Wegen, Schrödingerkatzen zum Tanze aufzufordern. Das topologische Quanten-Bit ist nämlich vorerst noch mehr Theorie als Praxis. Zwar hat die Forschungsgruppe bereits einen Weg gefunden, wie dieses Modell mit Hilfe der Nanotechnologie realisiert werden kann und wie sich das so erzeugte Material zum Bau eines Quanten-Bit verwenden lässt; die tatsächliche Umsetzung dieses Bauplans stösst aber an die heutigen Grenzen der Machbarkeit.

"Eine konkrete Prognose für den fertigen Quantencomputer zu nennen wäre wohl leichtsinnig", meint Blatter. "Bis anhin schien es, dass er noch Dutzende, wenn nicht Hunderte von Jahren in der Zukunft liege. Allerdings gibt es bereits Gerüchte, dass es einem Team in Frankreich gelungen sei, einen supraleitenden Ring zehntausend Zyklen lang in einem kohärenten Quantenzustand zu halten. Das stimmt mich nachdenklich."


Sein und Schein des Quantencomputers

Das Konzept des Quantencomputers wurde schon während der Achziger Jahre von Richard Feynman postuliert. Anstelle der Nullen und Einsen der konventionellen binären Computer würde diese hypothetische Maschine Quanten-Bits benützen, die sich ideal dazu eignen würden, ein quantenmechanisches System wie etwa ein komplexes Molekül zu simulieren. Zwar ist es auch mit konventionellen Computern möglich, solche Simulationen durchzuführen; allerdings nimmt die Komplexität und damit der Rechenaufwand mit der Anzahl simulierter Teilchen exponentiell zu. Dem Quantencomputer hingegen würde eine solche Aufgabe keine Mühe machen, da er mögliche Lösungen nicht nacheinander (wie bei heutigen Rechnern), sondern gleichzeitig, berechnet.

Doch der Quantencomputer hat weder das Ziel noch die Fähigkeit, den konventionellen Computer zu ersetzen. Seine Konstruktion eignet sich ausschliesslich für Probleme, bei denen man die Richtigkeit der Lösung testen kann. Beispiele dafür wären Entschlüsselungs-Algorithmen, Datenbank-Suchfunktionen oder die bereits erwähnten Simulationen eines Quantensystems.




Fussnoten:
(1) L.B. Ioffe, M.V. Feigel'man, A. Ioselevich, D. Ivanov, M. Troyer, and G. Blatter, Topologically protected quantum bits using Josephson junction arrays, Nature, 31. Januar .



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