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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 08.11.2006 06:00

Chab-Forum
Chemie entlarvt Fälschungen

Echt oder falsch? Bei Edelsteinen oder archäologischen Fundstücken kann meist nur eine chemische Analyse Klarheit schaffen. Bei Kunstwerken wie Kupferstichen genügt meist ein Blick durch die Lupe. Wie die Wissenschaft Fälschungen entlarvt, enthüllten Forscherinnen und Forscher am D-Chab-Forum.

Peter Rüegg

Das gut gehütete Familienerbstück, der „echte“ Rembrandt, den Urgrossmutter einst von einem Kunsthändler gekauft hatte, kann sich als grosse Enttäuschung entpuppen. Radierungen und Kupferstiche des holländischen Meisters waren bei Kopisten und Fälschern gleichermassen beliebt. Letztere kopierten die Meisterwerke in betrügerischer Absicht, erstere, um das Handwerk zu lernen. Entlarvt werden die Kopien heute erst von einem Fachmann wie Michael Matile, dem stellvertretenden Leiter der Graphischen Sammlung der ETH. (1)

Lupe statt Chemie

Die Methoden zur Erkennung von Kopien haben jedoch meist nichts mit Chemie zu tun, wie Matile am Chab-Forum des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften von vergangener Woche deutlich machte. Für den Nachweis, ob zum Beispiel eine Radierung oder ein Kupferstich echt oder gefälscht ist, greift der Konservator der Graphischen Sammlung zur Handlupe.

„Radierungen von Rembrandt waren beliebte Fälschungsobjekte“, sagte Matile. Etwa das berühmte Hundertguldenblatt, das der holländische Künstler 1647 anfertigte. Über 100 Jahre später gelangte die Original-Kupferplatte in den Besitz von William Baillie, einem Captain der britischen Armee. Dieser war ein grosser Fan von Rembrandt und imitierte dessen Stil. Offenbar war die Kupferplatte aber stellenweise stark abgenutzt. Baillie, nicht untalentiert, ergänzte fehlende Stellen und druckte 100 neue Abzüge. Um die Auflage zu limitieren, zerschnitt er später die Platte in vier Einzelteile, von denen er wiederum neue Abzüge anfertigte. Ob der Brite in betrügerischer Absicht gehandelt hat, ist heute unklar. „Auf dem Kunstmarkt des 18. Jahrhunderts konnten Hehler solche Fragmente offenbar gut unter die Leute bringen“, sagte Matile. Aus heutiger Sicht würde sich ein Restaurator hüten, ein Original so zu verändern.

Edelsteine unter dem Laser

Ist ein falscher Rembrandt noch von Auge zu erkennen, so braucht es ein Hightech-Labor, um die Echtheit von Edelsteinen zu prüfen. Detlef Günther, ETH-Professor für Spurenelement- und Mikroanalytik (2) , zeigte auf, welchen Aufwand es braucht, um Fälschungen von Saphiren, Diamanten oder Rubinen auf die Spur zu kommen. Dazu werden von den Steinen winzigste Mengen im Nanogramm-Bereich mit einem Laserstrahl abgetragen, verdampft, ionisiert und in einem Massenspektrometer analysiert. „Je kleiner die Wellenlänge des Lasers ist, desto weniger Material wird abgetragen“, sagte Günther.

Die Verteilung der Elemente und Isotopen gibt schliesslich darüber Auskunft, ob ein Edelstein echt ist. Die Zusammensetzung der Elemente lässt sogar Rückschlüsse auf die geografische Herkunft der Steine zu. Die Probemenge, die der Laser abträgt, ist jedoch derart winzig, dass auf der Oberfläche des Steins keine Schäden erkennbar sind.

Archäologie nutzt nicht-zerstörende Methode

Mit dieser Methode lassen sich auch archäologische Fundstücke auf ihren Ursprung untersuchen. So arbeiteten die ETH-Chemiker mit dem Landesmuseum zusammen, um aufzuklären, wie die Menschen im Neolithikum 4300 v. Chr. Kupfergegenstände herstellten.


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Captian Baillie zerstückelte im 18. Jahrhundert das Hundertguldenblatt von Rembrandt in vier Teile und verkaufte die Fragmente als Originale. (Bild: Graphische Sammlung ETH) gross

Früher habe man dazu Kupfer von den Untersuchungsgegenständen abraspeln und in Lösung bringen müssen, sagt Günther. Das zerstörte jedoch die zum Teil wertvollen Funde. Heute werden die Proben mit dem Laser abgeraspelt. „Die Zerstörung ist minimal, ohne Mikroskop ist sie nicht zu sehen“, gibt der Chemiker zu bedenken.

Die Kupfer-Analysen der ETH-Chemiker haben den Archäologen geholfen, einen weissen Fleck auf der Wanderkarte des frühzeitlichen Kupferhandels auszufüllen. Kupfer, das in der Ostschweiz verwendet wurde, stammte aus Osteuropa. Die Westschweiz jedoch wurde aus dem heutigen Frankreich mit dem Metall versorgt.

Himmelsscheibe: genial gefälscht oder einmalig echt?

Ob die Himmelsscheibe von Nebra (3), die von einigen Experten als geniale Fälschung verdächtigt wurde, tatsächlich echt ist, lässt sich auch mit chemischen Methoden nicht beweisen. Dies sagte die Historikerin Barbara Ihrig vom Historischen Museum Basel, wo dieses Stück noch bis Ende Januar zu sehen ist. (4)

Die Himmelsscheibe hat unter anderem deshalb Schlagzeilen gemacht, weil sie von Raubgräbern auf dem Mittelberg in Sachsen-Anhalt gefunden wurde, über Hehler verschoben wurde und schliesslich dank einer spektakulären Aktion sichergestellt werden konnte. Um die Himmelsscheibe ranken sich Spekulationen und Gerüchte.

Keine 100-prozentige Sicherheit

Chemische Analysen der Kupferzusammensetzung haben auch hier mehr Klarheit verschafft. Deutsche Forscher haben herausgefunden, dass das Kupfer der Himmelsscheibe unter anderem einen hohen Arsen-Gehalt von 0,7 Prozent enthält, was ein Indiz für die Echtheit des Objekts ist. Auch die Herkunft des Kupfers konnten sie klären. Das Ausgangsmaterial stammte aus dem heutigen Österreich – typisch für die damalige Zeit. Und schliesslich enthält die Patina der Himmelsscheibe Malachitbläschen. „Das spricht für langsames Altern“, betonte die Historikerin. Man könne Kupfer auch künstlich patinieren, doch enthielten solche Patinierungssubstanzen Salze, die in der Patina der Himmelsscheibe nicht gefunden wurden.

„Die 100-prozentige Sicherheit, dass dieses Objekt echt ist, gibt es nicht“, sagte Ihrig, Das habe auch damit zu tun, dass die Ausgrabung nicht ausreichend dokumentiert wurde. „Aber weshalb sollte jemand ein solches Objekt mit solch hohem Aufwand fälschen?“


Fussnoten:
(1) Website der Graphischen Sammlung der ETH: www.gs.ethz.ch/
(2) Website der Forschungsgruppe von Prof. Günther: www.analytica.ethz.ch/
(3) Mehr Details über die Himmelsscheibe: http://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra
(4) Website zur Ausstellung: www.hmb.ch



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