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Rubrik: Science Life |
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Neues aus der Hohlraum-Quantenelektrodynamik Eine Quantenheirat |
Eine neue Publikation von ETH-Professor Ataç Imamoglu (1) in der Fachzeitschrift Nature befasst sich mit Quantendots, photonischen Kristallen, Hohlraummoden und starker Kopplung — ein Einblick in einen Grenzbereich, der möglicherweise den Weg für Geräte zur Quanten-Informationsverarbeitung ebnet. Christian Thalmann Eines der am heissesten umforschten Themen der angewandten Physik ist zweifellos die Suche nach dem Quantencomputer, an der sich auch die ETH mit grossem Einsatz beteiligt (2)(3)(4). Auf der Wunschliste der Computerbauer steht unter Anderem ein Bauteil, das zuverlässig zwischen Elektronen und Photonen (Lichtteilchen) vermitteln kann, ohne dass die empfindliche Quanten-Information verloren geht. Photonen eignen sich hervorragend dazu, Information über Distanzen zu transportieren, da sie sehr störungsarm sind. Elektromagnetische Wellen durchdringen einander mühelos und ohne sich gegenseitig zu beeinflussen — sonst wären zB Mobiltelefonie oder Radioempfang undenkbar. Diese Unantastbarkeit ist jedoch dann ein Nachteil, wenn man Information manipulieren will, etwa um Rechnungen durchzuführen. Daher verwendet man in Mikrochips Elektronen als Informationsträger, die bereitwillig miteinander interagieren und somit allerlei elektronische Schaltungen ermöglichen. Elektronen in Einzelhaft Um diese zwei Welten zu vereinen, vereinfachte das Team unter Imamoglu das Problem so weit wie möglich: Auf ein einzelnes Elektron und ein einzelnes Photon. Zunächst galt es, das flüchtige Elektron in einen möglichst wohldefinierten Käfig zu sperren. Dafür bot sich das Prinzip des Quanten-Dots ("künstliches Atom") an: Ein wenige Nanometer grosses Hügelchen aus einem Halbleitermaterial auf isolierendem Untergrund, das die Bewegungsfreiheit des Elektrons derart einschränkt, dass ihm nur einige diskrete Energieniveaus bleiben, auf denen es sich aufhalten kann — ähnlich den Schalen eines Atoms, jedoch auf einer viel praktischeren Grössenskala. Die Herstellung solcher Quantendots ist Glückssache; daher liessen die Physiker gleich viele davon "wachsen" und wählten ein besonders schönes Exemplar aus. Während das Elektron nun gebunden war, hatten die Photonen noch vollkommene Freiheit, zumal der Quantendot zwischen zwei Schichten durchsichtigen Kristalls eingebettet lag. Wenn man den Quantendot in einen angeregten Zustand versetzte, fiel er nach kurzer Zeit in den Grundzustand zurück und strahlte dabei ein Photon aus, das auf Nimmerwiedersehen aus dem Kristall entwich. Ein zweiter Käfig musste her, dieses Mal für das Licht. Ein Käfig aus Löchern Paradoxerweise erreicht man dies, indem man ein regelmässiges Gitter von winzigen Löchern in den Kristall bohrt. Die periodische Änderung des Brechungsindex führt dazu, dass gewisse Lichtwellen bevorzugt, andere verunmöglicht werden. Es entsteht eine sogenannte Bandlücke, ein Bereich im Energiespektrum des elektromagnetischen Feldes, in dem Photonen "verboten" sind. Ein Material mit dieser Eigenschaft nennt man einen photonischen Kristall. Ein ähnliches Prinzip liegt den Halbleitern zu Grunde (dort ist es eine periodische Anordnung von Atomkernen, die den Valenzelektronen eine Bandstruktur aufzwingt). Das Lochgitter wurde so gewählt, dass die Anregungsenergie des Quantendots mitten in die Bandlücke zu liegen kam. Die spontane Emission eines Photons wurde somit unterdrückt, die Lebensdauer des angeregten Zustands verlängert. Imamoglus Physiker bauten jedoch einen gezielten "Fehler" in den Lochkristall ein, der am Ort des Quantendots eine stehende Welle ermöglicht, deren Energie ebenfalls in der Bandlücke liegt. Diese Struktur nennt man einen Hohlraum, weil sie wie eine verspiegelte Box wirkt, die Photonen mit einer bestimmten Wellenlänge gefangen hält. Durch langsame Beschichtung des Kristalls konnte man das Energieniveau des Hohlraums verändern und genau auf jenes des Quantendots abstimmen. Das Resultat war bemerkenswert: Die Lebensdauer des angeregten Zustandes des Quantendots verkürzte sich um einen Faktor 145, weil nun ein massgeschneidertes Reservoir zur Verfügung stand, in das sich die Anregungsenergie entladen konnte. Wegen der kleinen Ausdehnung des Hohlraums verflüchtigte sich das Photon auch nicht, sondern blieb als stehende Welle (die "Hohlraummode") erhalten und konnte vom Quantendot wieder absorbiert werden. Das System war resonant. Beweise für die Quantennatur Es blieb zu beweisen, dass die gewünschte starke Kopplung zwischen Quantendot und Hohlraum wirklich vollbracht war, d.h. dass die beiden Bauteile nicht mehr individuell, sondern als ein vereinigtes System mit neuen Eigenschaften agierten. Dazu wurde der Hohlraum erst einmal wieder "verstimmt", sodass sein Energieniveau höher lag als das des Quantendots. Als die Forscher das System mit Licht bestrahlten und das zurückgeworfene Spektrum betrachteten, sahen sie wie erwartet zwei Spektrallinien, die man eindeutig als die Emissionen des Quantendots und des Hohlraums identifizieren konnte.
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Nun verringerte man das Energieniveau des Hohlraums, sodass es dasjenige des Quantendots erreichte. Seine Spektrallinie vereinigte jedoch nicht einfach mit der des Quantendots, sondern verdrängte sie von ihrem Platz. Diese Emissionen konnte nun nicht mehr von zwei separaten Komponenten stammen, vielmehr beschrieben sie die neuartigen Energieniveaus des nun stark gekoppelten Quantendot-Hohlraum-Systems. Als der Hohlraum noch weiter beschichtet wurde, sodass sein Energieniveau dasjenige des Quantendots mehr und mehr unterschritt, zeigten die Spektrallinien wieder das gewohnte Verhalten zweier einzelner, nicht-resonanter Komponenten. Interessanterweise hatten sie während des Übergangs die Plätze getauscht, ohne sich zu berühren — die ehemalige Hohlraumlinie war zur Linie des Quantendots geworden, und umgekehrt. Diese Staffette der Spektrallinien reichte noch nicht aus, das System eindeutig zu charakterisieren. Wären zum Beispiel mehrere Quantendots an denselben Hohlraum gekoppelt, würde man dasselbe Verhalten erwarten. Einen endgültigen Beweis für die gewünschte Quantennatur des gekoppelten Systems fanden die Forscher in der Tatsache, dass seine Emission eine zeitliche Struktur aufwies: Es trafen nie zwei Photonen gleichzeitig beim Messinstrument ein. Das zeigte also dass es sich dabei um ein echtes Quantensystem handelte, das nur eine Anregung aufs Mal verarbeiten konnte. Energetisches Wechselgeld? Wider Erwarten der Physiker hielten die beiden Komponenten den Kontakt zueinander auch aufrecht, wenn das System deutlich verstimmt war, also die Energie der Hohlraummode nicht mit der Anregungsenergie des Quantendots zusammenpasste. Offenbar konnte der Quantendot, wenn er angeregt wurde, irgendwoher zusätzliche Energie ausleihen oder überschüssige loswerden, um ein passendes Photon in den Hohlraum abzugeben. Die Forscher stellten fest, dass auch in diesem Zustand Quantendot und Hohlraum nie gleichzeitig strahlten, was bewies, dass die Hohlraumemission nicht auf einen Fehler im Versuchsaufbau oder eine Unreinheit des Systems abzuschieben war, sondern wirklich vom Quantendot gefüttert wurde. Dies legt nahe, dass Quantendots sich wohl doch komplexer verhalten, als die Umschreibung "künstliche Atome" rechtfertigt. Die Gründe sind noch unbekannt. Wo liegen nun die Anwendungen dieser Technologie? Schon 1992 konnte man bei einzelnen Atomen im freien Fall durch den Hohlraum zwischen zwei Spiegeln starke Kopplung feststellen. Das Revolutionäre an diesem neuen Aufbau ist jedoch, dass er ein eine Million mal kleineres Hohlraumvolumen hat, lange stabil bleibt und einfach auf einem Chip integrierbar ist. Imamoglu schlägt vor, dass solche Bauteile als schnelle Emitter für die Datenübertragung eingesetzt werden könnten. Die Lebensdauer des angeregten Zustands im stark gekoppelten Regime beträgt nur 60 Picosekunden, er entlädt sich also fast augenblicklich in Form eines Photons. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Vermittlung von Quanteninformation zwischen Elektronen und Photonen getan — viele stehen noch bevor. |
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Fussnoten:
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