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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 21.12.2001 06:00

Astrophysiker und Theologe im Dialog
Auf Spurensuche

„Würfelt Gott?“ ist ein Joint-Venture der besonderen Art: im Laufe von 16 Jahren haben der ETH-Astrophysiker Arnold Benz und der Uni-Theologe Samuel Vollenweider Gottes Spuren im Universum verfolgt - und in ihrer Freizeit und in gemeinsamen Schreibferien ein Buch darüber geschrieben. Das Originelle daran: die Ergebnisse sind in eine Science-Fiction-Story verpackt.

Von Regina Schwendener

Die Gespräche zwischen einem Physiker und dem Crew-Theologen – von einem Voicerecorder an Bord einer Raumfähre zum Saturnmond Titan festgehalten und später von Journalisten veröffentlicht – bieten den Leserinnen und Lesern des Buches „Würfelt Gott?“ (Patmos-Verlag) auf fast 300 Seiten eine Fülle verblüffender Informationen, Thesen und Denkanstösse. Unter anderem steht die Frage im Raum: „Müssen heute neue Antworten auf die religiösen Fragen gefunden werden?“ – „Ich denke schon“, meint Arnold Benz. Religiöse Fragen stellen sich infolge von existentiellen Erlebnissen und religiösen Erfahrungen im täglichen Leben. Heute geschieht dies in einem Umfeld, das vom Weltbild der modernen Naturwissenschaft geprägt ist. „Weil die moderne Naturwissenschaft neu ist, anders ist als das antike und babylonische Weltbild, das die Schöpfungsgeschichten der Bibel verwendet, müssen neue Antworten gefunden werden, muss neu formuliert werden, was mit den religiösen Aussagen gemeint ist, die in der Bibel niedergeschrieben wurden“, ist Benz überzeugt.

Arnold.Benz
Für Arnold Benz war die Arbeit am Buch persönlich fast ein Zweitstudium im nichtphysikalischen Wirklichkeitsverständnis. gross

Gibt es den Stern von Bethlehem?

Sterne sind faszinierende Objekte - nicht nur für die Wissenschaft. Einem unter ihnen kommt in der Weihnachtsgeschichte eine Botenrolle zu. Bereits Kepler hat sich vor 400 Jahren über die historische Bedeutung dieser Himmelserscheinung Gedanken gemacht. Am wahrscheinlichsten ist heute immer noch seine Hypothese, dass es sich um eine Konjunktion von Jupiter und Saturn handelte, die sich von der Erde aus gesehen, im Jahre 7 vor Christus scheinbar sehr nahe gewesen waren. Arnold Benz: „Natürlich hat der Stern von Bethlehem astronomisch keine Bedeutung. Dass diese Geschichte in die Bibel kam, ist mehrbödig, weil es eine Kombination christlichen Gedankenguts – die Weisen kommen zum künftigen israelitischen König – mit einem astrologischen ist, was uns heute eher peinlich ist“, schmunzelt Benz. Man müsse das vielleicht so interpretieren, dass die Weisheit der Astrologen halt trotzdem zum Guten geführt habe, auch wenn sie ein wenig später eintrafen als die einfachen Hirten.

Gott hinterliess keine Fingerabdrücke

Welche Erkenntnis hat der Naturwissenschaftler auf dieser Spurensuche sammeln können? - Dieser sei nicht auf der Suche nach Gott, er suche nach Ursachen von bekannten Phänomenen. „Und zwar auf eine Weise, die eben durch die naturwissenschaftliche Methode, nämlich die Frage nach der Kausalität gegeben ist“, betont Benz. Es habe sich in den letzten 300 Jahren gezeigt, dass diese Kausalität durchgehend zu finden sei - mit wichtigen Ausnahmen, in denen der Zufall, der keine kausale Ursache hat, eine wichtige Rolle spielte.

Die Spuren Gottes finde man also nicht mit einer wissenschaftlichen Methode, weil es keine Fingerabdrücke von Gott gebe - dies die Erkenntnis der Naturwissenschaft. Erfahrungen mit Gott seien Erfahrungen des Menschen in seiner Existenz, in seinem Sichfinden, in seinem Alltag oder seiner Mystik.


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Sternenhimmel_Benz
Sterne sind in der Wissenschaft wie in der Theologie interessante Objekte. gross

„Ich glaube, dass man als Naturwissenschafter nicht privilegiert ist, solche Spuren zu finden“, so Benz und nachdenklich: „Natürlich staunt man gelegentlich und erlebt das Staunen auf eine andere Art, weil man auf eine neue Art die Natur betrachtet.“ Das Staunen sei bereits eine Art von Transzendenzerfahrung. Welcher Aspekt war auf der Spurensuche am stärksten, der des Naturwissenschafters, der des Theologen oder der des Philosophen? – Arnold Benz antwortet: „Die des Philosophen.“ Das sei die gemeinsame Ebene, auf der ein Dialog zwischen Naturwissenschaftern und Theologen stattfinden kann.

Was fehlt: eine morderne Schöpfungsgeschichte

Allerdings sei diese Ebene in der Diskussion und auch im Buch nicht stark ausgeprägt, weil sie beide keine Philosophen seien. Benz: „Die philosophischen Antworten unserer Zeit sind ja nicht einfach gegeben. Man kann sie nicht in Büchern nachlesen und oft versteigen sich Erkenntnisphilosophen in Gebiete, die den Dialog nicht mehr fördern sondern eher behindern.“

Gibt es Brücken von der alten theologischen Kosmologie zur modernen physikalischen Theorie über Geschichte und Strukturen des Weltalls? - „Keine naturwissenschaftlichen, aber historische Brücken… Ich würde trotzdem nein sagen. Die Kosmologie der Bibel zum Beispiel hat einen rein theologischen Kern, verwendet aber naturwissenschaftliche Bilder, die den Weltmodellen der Menschen von damals entsprachen und auf einfachen Beobachtungen gründeten“, sagt Benz. Dazu kämen dann die religiösen Erfahrungen, die in die Kosmologie verwoben worden seien, was heute nicht mehr gemacht würde. Brücken seien in diesem Sinne schwierig. Es gebe keine moderne Schöpfungsgeschichte. Wenn man heute vom Universum als Schöpfung spricht, so Benz, dann kann das keine Erklärung im Muster von Ursache und Wirkung sein, wobei die Ursache der Schöpfer wäre. Wenn man heute vom Universum als Schöpfung spricht, müsse man dies als eine Deutung verstehen, die von religiösen Wahrnehmungen ausgeht und die Naturwissenschaft in einen grösseren Zusammenhang stellt.

Im Dialog Geheimnisse lüften

„Der interdisziplinäre Dialog mit augenzwinkernden Blicken auf den heutigen Wissenschaftsbetrieb spiegelt den neuesten Stand von Astrophysik und Schöpfungstheologie wider“ ist im Vorwort des Buches zu lesen. „Fehlt der intensive Lernprozess, auf den Sie sich im fiktiven Raumabenteuer einlassen, im Jetzt?“ Ja, meint Arnold Benz. Er bedauert, dass dieser Austausch zwischen Naturwissenschaften, Religion, Kunst und Literatur heute weitgehend fehle, weil sich jedes Fachgebiet auf seine Arbeit konzentriere, die Zeit für den Dialog fehle. Der Rahmen des Buches ist deshalb absichtlich so gewählt, dass die Astronauten warten müssen und Zeit hätten für das Gespräch, um aufeinander einzugehen.

Hat die fiktive Reise einen realistischen Hintergrund? Arnold Benz erzählt von der unbemannten ESA-Sonde, die auf dem Weg zum Titan ist und im Jahre 2004 darauf landen soll. Mit diesem Projekt stehe den Wissenschaftern eine spannende, abenteuerreiche Forschungsexpedition bevor, denn Titan sei der unbekannteste Ort im Sonnensystem, weil er eine undurchsichtige Atmosphäre habe.




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