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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.06.2003 06:00

Geophysikalische Untersuchungen im Mittelmeerraum
Wasserspuren im Erdmantel

Forschende der ETH Zürich haben mit Hilfe von seismischen Untersuchungen Hinweise gefunden, dass tief im Erdmantel Wasser vorkommen könnte. Damit stützen sie Hypothesen, der Erdmantel sei in tieferen Bereichen nicht trocken wie bisher angenommen.

Von Felix Würsten

Der Erdmantel – so jedenfalls steht es in den erdwissenschaftlichen Lehrbüchern - ist weitgehend trocken. Nur in den obersten Bereichen führen die Gesteine allenfalls etwas Wasser, weil durch das Absinken der ozeanischen Kruste bei den Subduktionszonen Wasser in den Mantel gelangt. Dieses verlässt den Mantel im Laufe der Zeit wieder durch den mit der Subduktion zusammenhängenden Vulkanismus. Seit einigen Jahrzehnten weiss man jedoch, dass die ozeanische Kruste in solchen Regionen bis tief in den oberen Erdmantel geschoben wird. Daher spekulieren einige Forscher, es gebe auch in den tieferen Bereichen des Erdmantels grössere Mengen an Wasser. Forschende des Instituts für Geophysik der ETH Zürich (1) präsentieren nun in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Science" (2) Messdaten, welche diese These indirekt stützen.

Günstige Ausgangslage

Mark van der Meijde, Federica Marone, Suzan van der Lee und Domenico Giardini haben im Rahmen des internationalen Projekts "MIDSEA" (3) mit Hilfe von seismischen Messungen den Mantelbereich unterhalb des Mittelmeerbeckens genauer untersucht. Dass sie just dieses tektonisch komplizierte Gebiet ausgewählt haben, hat seinen guten Grund. In der Region gibt es heute noch zwei aktive Subduktionszonen, und grosse Bereiche des Erdmantels wurden hier in der jüngeren geologischen Vergangenheit von Subduktionsprozessen beeinflusst.

Lokalisierung von Grenzschichten

In einer Teilarbeit haben die Forschenden nun Signale von weit entfernten Erdbeben ausgewertet. Mit Hilfe dieser Signale konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei Grenzschichten im Erdmantel in 410 und 660 Kilometer Tiefe genauer untersuchen. Dabei handelt es sich um sogenannte seismische Diskontinuitäten. Diese entstehen, weil die Gesteine oberhalb und unterhalb der Grenzsschichten aus anderen Mineralien oder Mineralphasen bestehen.

Verdickung der Grenzschicht

Die Messungen haben nun gezeigt, dass im untersuchten Mantelbereich die obere Grenzschicht dicker ist als normalerweise. "Dies deutet darauf hin, dass es in diesem Bereich des Mantels Wasser geben könnte", erklären van der Lee und Marone. Denn auf Grund von theoretischen Überlegungen und experimentellen Daten weiss man, dass Wasser den Stabilitätsbereich der Mineralien in der Übegangszone unterhalb 410 Kilometer vergrössert, da diese viel mehr Wasser in ihr Kristallgitter einbauen können als die Mineralien, die oberhalb der Grenzschicht vorkommen. "Wenn es im Erdmantel in dieser Tiefe Wasser gibt, dann erwartet man, dass die Grenzschicht so verändert wird, wie wir das nun beobachtet haben", meint van der Lee.


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Die tektonische Situation im Mittelmeerbecken ist im wesentlichen durch die Kollision der Afrikanischen Platte im Süden und der Eurasischen Platte im Norden geprägt. Die roten Dreiecke markieren die seismischen Messstationen, welche im Rahmen von "MIDSEA" zusätzlich installiert wurden. gross

Erdmantel als Wasserreservoir?

Sollte es im Übergangsbereich des Erdmantels tatsächlich nennenswerte Mengen an Wasser geben, dann stellt sich natürlich die Frage, ob die Übergangszone ein verstecktes Wasserreservoir sein könnte. Die ETH Forschenden haben berechnet, dass die Gesteine knapp oberhalb der Grenzschicht in 410 Kilometer Tiefe bis zu 700 ppm Wasser enthalten. Das scheint auf den ersten Blick eine sehr geringe Menge zu sein. Doch angesichts der Ausdehnung des Erdmantels und der Tatsache, dass die Gesteine in der Übergangszone eine höhere Aufnahmekapazität haben, könnte dort ein beachtliches Volumen an Wasser zusammenkommen. "Theoretisch könnte in der Übergangszone zweimal mehr Wasser gespeichert sein als in den Weltmeeren", erklärt van der Lee. "Allerdings wissen wir, dass im Mantel effektiv nicht so viel Wasser vorhanden sein kann, weil die 410-Kilometer-Grenzschicht ausserhalb des Mittelmeerraums meistens nicht verdickt ist."

Erklärung für ultratiefe Erdbeben

Die neue Studie stützt auch eine andere Hypothese. Verschiedene Geophysiker postulieren nämlich, ultratiefe Erdbeben, die in Tiefen von 600 Kilometer oder mehr entstehen, würden von Prozessen ausgelöst, die in Zusammenhang mit Wasser stehen. "Unsere Studie zeigt nun", meint van der Lee, "dass diese Spekulationen realistischer sind als bisher angenommen."


Fussnoten:
(1) Homepage des Instituts für Geophysik: www.geophys.ethz.ch/
(2) Science, Vol. 300, N. 5625 (2003).
(3) Homepage des Projekts MIDSEA: www.sg.geophys.ethz.ch/midsea/



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