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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.07.2003 06:00

Mikrobiologische Untersuchungen auf der Göscheneralp
Feldarbeit vor eisiger Kulisse

Wenn sich Gletscher zurückziehen, werden die frei gewordenen Flächen von Pionierorganismen erobert. Forscher der ETH Zürich untersuchen nun, wie Mikroorganismen diese Standorte besiedeln. Auf der Göscheneralp haben die Wissenschaftler ein ideales Studienobjekt gefunden, wie sich bei einem Besuch im Feld zeigte.

Von Felix Würsten

Das Wasser ist eisig kalt hier oben gleich vor dem Gletschertor. Und doch bleibt uns nichts anderes übrig, als die Schuhe auszuziehen und durch den jungen Bach zu waten. Denn schliesslich sind wir ja nicht hochgekommen, um den Dammagletscher zu bestaunen, sondern wir wollen zu den acht Forscherinnen und Forschern, die auf der anderen Seite des Bachs Bodenproben einsammeln. Die Wissenschaftler der ETH Zürich untersuchen hier oben, wie Mikroorganismen ein Gletschervorfeld besiedeln.

Eroberung von neuem Land

"Wenn sich ein Gletscher zurückzieht, dann entstehen auf den frei gewordenen Flächen Habitate, die von Pionierorganismen nach und nach erobert werden", erklärt mein Begleiter Josef Zeyer, Professor für Bodenbiologie am Institut für Terrestrische Ökologie der ETH. (1) Dabei gilt: je näher man zum Gletscher kommt, desto jünger sind die Populationen. "Auf Grund von diversen Untersuchungen weiss man recht gut, wie sich Pflanzen und Tiere auf solchen Flächen ausbreiten", fährt Zeyer fort. "Doch wie die Mikroorganismen die neuen Lebensräume in Besitz nehmen und welche biogeochemischen Prozesse dabei ablaufen, ist kaum bekannt."

Das hat vor allem methodische Gründe. Die Frage lässt sich nämlich erst untersuchen, seit man routinemässig mit Hilfe von DNA- und RNA-Analysen bestimmen kann, wie viele Arten in welcher Häufigkeit im Boden vorkommen. "Wir vermuten, dass nahe beim Gletscher, also auf den jungen Flächen, wenige spezialisierte Arten das Geschehen dominieren", meint Zeyer. "Je weiter man sich vom Gletscher entfernt, desto ausgeglichener dürfte die Zusammensetzung der Arten sein."

Vorstoss stört Chronologie

Dass die Gruppe gerade hier ihre Feldstudien durchführt, hat seine guten Gründe. Der Dammagletscher auf der Göscheneralp ist erstens von Zürich aus gut erreichbar, liegt zweitens in einem geologisch relativ homogenen und gut bekannten Gebiet und wird drittens schon seit Jahrzehnten genau vermessen. In den letzten achtzig Jahren hat er sich insgesamt um rund 400 Meter zurückgezogen und erlebte nur einen signifikanten Zwischenvorstoss. Gerade dieser Punkt ist besonders wichtig. "Wenn sich ein Gletscher während ein paar Jahren plötzlich wieder ausdehnt, gerät die Chronologie auf dem Gletschervorfeld schnell einmal durcheinander ", erzählt Zeyer.

Die Idee der Forscher, an unterschiedlich weit entfernten Orten Proben zu entnehmen, um die Besiedlung des Gletschervorfeldes sowie die mikrobiologischen und geochemischen Prozesse im Boden zu dokumentieren, leuchtet im Grundsatz ein. Doch wenn man dann vor dem Gletscher steht, wird schnell einmal klar, worin das methodische Problem des Ansatzes liegt: Ein Gletschervorfeld ist alles andere als ein einförmiges Gelände, sondern setzt sich aus zahlreichen verschiedenartigen Mikrostandorten zusammen. ''Letztes Jahr versuchten wir, diesen Inhomogenitäten auszuweichen, indem wir an möglichst ähnlichen Standorten Proben nahmen", erzählt Zeyer. "Dieses Jahr möchten wir nun just die kleinräumige Variabilität zum Forschungsgegenstand machen."

Josef Zeyer und Ciro Miniaci bei der Probennahme vor dem Dammagletscher. gross


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Die Forscher entnehmen rund um eine Pflanze Bodenproben. (Bild C. Miniaci) gross

Pflanzen als Wegbereiter

Inzwischen haben wir den "Arbeitsplatz" von Ciro Miniaci erreicht. Der Doktorand hat an einer günstigen Stelle ein kreuzförmiges Fadenetz auf den Boden gelegt und entnimmt nun mit einer kleinen Schaufel aus jedem Maschenviereck eine Bodenprobe. "Eine unserer Hypothesen ist, dass Pflanzen die mikrobielle Vielfalt und Aktivität auf kleinstem Raum beeinflussen und so die Besiedlung durch neue Mikroorganismen beschleunigen", erklärt Miniaci.

Als wir zu ihm stossen, hat er gerade das Probenkreuz um eine Alpen-Margerite (Chrysanthemum alpinum) gelegt. Die Pflanze mitsamt ihren Wurzeln hat er bereits in Plastiksäcke versorgt; nun sammelt er das Bodenmaterial ein, auf dem die Pflanze wuchs. Danach wird Miniaci noch weitere Proben in verschiedenen Abständen zur Pflanze entnehmen. Das gleiche Prozedere haben seine Kollegen wenig nebenan auf einer vergleichbaren Kontrollfläche ohne Pflanze durchgeführt.

Anstrengende Fronarbeit

Eigentlich arbeiten nur zwei der acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an diesem Forschungsprojekt mit. Doch damit die zeitraubende Probennahme schneller vonstatten geht, bieten jeweils Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts ihre Hilfe an, wenn wieder einmal Feldarbeit angesagt ist. "Ich hatte noch nie Probleme, Freiwillige zu finden", erzählt Zeyer schmunzelnd. Dies, obwohl ein Wochenende auf der Göscheneralp den Forschern durchaus einiges abverlangt.

So musste das Team am Samstag am späten Nachmittag, nachdem es den ganzen Tag im Untersuchungsgebiet gearbeitet hatte, noch den steilen Aufstieg zur Dammahütte des SAC bewältigen, um dort zu übernachten. Und heute Sonntag, nachdem alles geordnet und verpackt ist, müssen die Bodenproben zurück zum Auto getragen werden. Die einzelnen Proben sind zwar relativ klein; doch im Laufe eines Feldtages kommt doch ein ansehnliches Gewicht zusammen.

Gesamte Prozesskette untersuchen

Ein Teil der Proben wird dabei in Spezialkisten mit Trockeneis transportiert. Zeyer möchte nämlich die Stickstoff-Fixierung an diesen Pionierstandorten genauer unter die Lupe nehmen. "Es gibt zwei methodisch relativ einfache Ansätze, um diese Frage zu untersuchen: Man kann entweder den Stickstoffumsatz im Boden mit biochemischen Methoden direkt messen, oder man kann mit molekularbiologischen Analysen bestimmen, welche Organismen auf Grund ihrer genetischen Ausstattung an der Stickstoff-Fixierung beteiligt sind", erläutert Zeyer.

"Wir möchten nun eine Brücke schlagen und die gesamte Prozesskette von der DNA bis zur Aktivität besser verstehen." Deshalb wollen die Wissenschaftler nun bei gewissen Proben die sogenannte Messenger RNA analysieren, welche anzeigt, ob die entsprechenden Gene aktiviert sind oder nicht. Und weil die Messenger RNA extrem leicht zerfällt, muss das entsprechende Material eben nach der Entnahme sofort mit Trockeneis gekühlt werden.

Bevor die Kisten mit dem wertvollen Gut nach Schlieren ins Labor gebracht werden, hält die Gruppe aber noch einmal inne. Ein Apéro ist angesagt, um auf die erfolgreiche Feldarbeit anzustossen und den Helfern für die Mitarbeit zu danken. Und als Miniaci vor der eindrücklichen Gletscherkulisse ein beachtliches Buffet mit italienischen Spezialitäten hervorzaubert, ist dies der guten Laune durchaus zuträglich.


Fussnoten:
(1) Homepage des Instituts für Terrestrische Ökologie: www.ito.umnw.ethz.ch/



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