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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.06.2003 06:00

Klimaänderung und Unwetterereignisse im Alpenraum
Besserer Schutz vor Unwettern anvisiert

Extreme Wetterverhältnisse und andere Auswirkungen der Klimaänderung in den Alpen sind Themen wissenschaftlicher Grundlagenarbeit sowie angewandter Forschung und Praxis. Entsprechende Experten trafen sich kürzlich in Brig zu einer Konferenz, an der festgestellt wurde, dass eine beschleunigte globale Erwärmung zu erwarten sei. Ziel ist deshalb, den Alpenraum in Zukunft noch besser vor Schäden zu bewahren. Professor Christoph Schär äussert sich im Gespräch mit ETH Life zur Konferenz.

Von Regina Schwendener

Nicht von ungefähr, fand eine dazugehörige Tagung in Brig statt - von Meteo Schweiz und dem Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich organisiert. 1993 war das Oberwallis von schweren Überflutungen und grossen Verwüstungen heimgesucht worden. Die Stadt Brig war von einer fürchterlichen Überschwemmung und Schlammlawine betroffen. Diese Unwetterkatastrophe gab den Anstoss zum Mesoscale Alpine Programme (MAP). Fast 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 20 Ländern - Vertreter der praxisorientierten ICAM (International Conference on Alpine Meteorology) und des MAP-Forschungsprogramms (Mesoscale Alpine Programme) - diskutierten miteinander. Christoph Schär, Vorsteher des Instituts für Atmosphäre und Klima der ETH und Vorsitzender des wissenschaftlichen Kommitees der ICAM/MAP-Konferenz bringt es auf den Punkt: "Ganz oben auf der Themenliste stehen extreme Wetterereignisse und die Auswirkungen der Klimaänderung in Gebirgsräumen. Es geht insbesondere um die Entwicklung geeigneter Vorhersage- und Warnmethoden zu Extremereignissen.“ Peter Binder von der MeteoSchweiz ergänzt: „Daneben gab es einen intensiven Austausch mit anderen Forschungsgebieten wie Hydrologie, Nivologie und Glaziologie. Anders gesagt, die Spezialisten erkunden die Wechselwirkungen von Wetterphänomenen mit dem Verhalten von Gewässern, Schnee und Gletschern."

Der Sturm "Lothar" richtete in vielen Gegenden gravierende Schäden an. (Fotos: WSL)

Globale Erwärmung ist Tatsache

Christoph Schär weist darauf hin, dass weltweite Beobachtungen seit etwa 100 Jahren auf eine globale Erwärmung hinweisen, und dass die natürlichen Klimaarchive diese Hypothese weitgehend bestätigen: "Die neunziger Jahre waren wahrscheinlich die wärmsten der letzten 1000 Jahre." Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) - eine wissenschaftliche Organisation welche durch die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltmeteorologischen Organisation (WMO) gegründet wurde - komme in ihrem Klimabericht 2001 zum Schluss, dass der grösste Teil des Temperaturanstiegs der letzten 50 Jahre menschlichen Aktivitäten zuzuschreiben ist. Hauptfaktor sei die Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) und die daraus resultierende Freisetzung von Treibhausgasen (insbesondere Kohlendioxid, CO2), so Schär.


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Katastrophale Überschwemmungen mit verheerenden Folgen gab es vor Jahren auch im Gebiet der Reuss.

Auch in der Schweiz sei diese Entwicklung spürbar. Eine Messreihe der Klimastation von MeteoSchweiz in Sion zeigt zum Beispiel, dass sich die mittlere Herbsttemperatur an diesem Standort seit 1864 um 1,7°C erhöhte, die Wintertemperatur sogar um 2,3°C. Diese Erwärmung entspricht dem Anstieg der mittleren Schneefallgrenze um 300 bis 400 Meter. Im Herbst und Winter besteht im Weiteren ein deutlicher Trend zu vermehrten und intensiveren Niederschlägen.

Gefahr von Katastrophen steigt

Zusammen mit dem Anstieg der Schneefallgrenze folgt für die Zukunft ein möglicher Anstieg der Gefahr von Überschwemmungen und Erdrutschen. Das Ausmass dieser Entwicklung ist aber noch sehr schwierig abzuschätzen. Die Häufung von Extremereignissen und Naturkatastrophen, die gegenwärtig zu beobachten seien, könnte auch zufällig sein oder durch natürliche Klimavariationen verursacht werden, meint Professor Schär. Eine langfristige Veränderung aufgrund der globalen Klimaänderung könne aber ebenso wenig ausgeschlossen werden. Es sei denkbar, so Schär, dass langfristige Veränderungen von Extremereignissen erst dann mit wissenschaftlicher Genauigkeit nachweisbar werden, wenn sie bereits ein beträchtliches Ausmass erreicht und grosse Schäden verursacht haben", sagt der Wissenschaftler. "In der Zukunft wird sich die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen und Naturkatastrophen mit der Klimaänderung graduell verschieben", so der Klimaexperte. Das Ausmass wird von Ort und Art der Extremereignisse abhängen.

Klimaprognosen noch nicht möglich

Unwetter in Berggebieten haben ein enormes Schadenpotential: So gab es bei den Überschwemmungen vom Oktober 2000 im Wallis, Tessin und in Norditalien 37 Todesopfer zu beklagen, die versicherte Schadensumme betrug etwa 700 Millionen Franken. Sollten ähnliche Ereignisse aufgrund der Klima-Änderung gehäuft auftreten, ist mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen.

Das Ausmass dieser Änderungen sei jedoch schlecht zu beurteilen. Man könne deshalb nicht einmal von Prognosen, sondern muss von Indizien sprechen. Zahlreiche Anzeichen gebe es aber für eine Änderung des Niederschlagsklimas. Die Winterniederschläge im Nordwesten der Alpen hätten deutlich zugenommen. Die Zunahme in den letzten 100 Jahren betrage bis zu 30 Prozent. Auf Grund physikalischer Indizien und Rechnungen mit Klimamodellen werde mittelfristig für das Winterhalbjahr eine Zunahme starker Niederschläge und eine beschleunigte Abflussbildung erwartet. Dabei spiele die Anfeuchtung der Atmosphäre in einem wärmeren Klima und der Anstieg der Schneefallgrenze eine wichtige Rolle, gibt er dabei zu bedenken. Abschliessend äussert Christoph Schär: "Extremereignisse und Naturkatastrophen sind natürliche Bestandteile des alpinen Klimas." Über Jahrtausende hätten Hangrutschungen und Überschwemmungen unsere Landschaft geformt und die charakteristische Struktur unserer Gebirgstäler und Flussläufe gestaltet. Selbst unsere heutige, moderne Infrastruktur könne die Bevölkerung manchmal nur ungenügend vor Extremereignissen schützen. Schär: "Unsere Zivilisation muss sich oft darauf beschränken, gefährdete Siedlungszonen auszugrenzen, die negativen Auswirkungen durch rechtzeitig eingeleitete Massnahmen zu mildern und den Opfern durch schnelle Hilfe beizustehen."




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