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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.02.2001 06:00

Umstritten, aber technologisch auf dem neusten Stand: LAN-Party an der ETH
Studentische Subkultur

Der Fachverein AMIV veranstaltete an der ETH erstmals eine grössere Computerspiel-Party. Warum begeistern sich so viele ETH-Studenten für Ballerspiele? Zum Semesterschluss ein Einblick in eine studentische Subkultur.

Von Jakob Lindenmeyer

"Raketenwerfer", antwortet der 20jährige Elektrotechnik-Student Lukas Hämmerle alias "Luke Nukem", wie aus der Pistole geschossen auf die Frage nach seiner Lieblingswaffe. Damit ist er in dem von Maschinengewehrsalven, Explosionen und lautem Fluchen erfüllten ETH-Computerraum nicht der Einzige. Eine Mehrheit der Teilnehmer an der von "LukeNukem" organisierten ersten LAN-Party (siehe Kasten) an der ETH bevorzugt ebenfalls den Raketenwerfer, wenn es darum geht, die Mitstudenten virtuell über den Haufen zu schiessen. "Besonders in offenem Gelände, beispielsweise in einer Arena", präzisiert sein 21jähriger Studienkollege Chris Schneider, genannt "The King". Beim Nahkampf oder als Heckenschütze hingegen bevorzugt "The King" die Schrotflinte oder Schnellfeuerwaffen.

Kaempfer
Das Maskottchen der LAN-Party an der ETH: "Get fragged!" gross

Das Fachsimpeln darüber, wie der Gegner am besten niedergeschossen werden kann, gehört zu den "First Person Shooter"-Computerspielen (3D-Labyrinth und Maschinengewehr), die an der LAN-Party im Elektrotechnikgebäude bevorzugt gespielt werden. Momentaner Favorit bei den meisten Teilnehmern ist "Quake III Arena", ein Computerspiel, das aufgrund seiner fotorealistischen Grafik und der Handlungsintensität durch die subjektive Kamerasichtweise verblüfft.

Gemeinsames Fluchen und Lachen

Doch was bringt ETH-Studenten dazu, unter dem Motto "Get fragged" ihre Kollegen abzuknallen? "Ich finde es besonders lustig, zu beobachten, wie die Leute reagieren, wenn es sie erwischt", beschreibt der 22jährige Samuel "Hüpf" Hopf seine Motivation, die Kollegen hier und nicht zuhause übers Internet niederzuschiessen.

Inwiefern solche Kampfspiele Aggressivität fördern, wird auch auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert. Fachleute warnen vor allzu schneller Stigmatisierung der neuen Trendspiele: "Gespielte Aggressivität ist nicht mit realer gleichzusetzen", heisst es etwa in einem Bericht des Fachmagazins "c't" zur Wirkung gewalttätiger Computerspiele [1]. Die Beobachtung während Internetkursen an 23 Schweizer Mittelschulen bestätigt: "Wenn mehrere Leute im lokalen Netzwerk spielen und im gleichen Raum sitzen, werden sich anbahnende Aggressivitäten durch "gemeinsames Fluchen und Lachen" abgebaut." [2]

Dampf ablassen

Über die Anziehungskraft von aggressiven Ballerspielen existieren mehrere Theorien. Einerseits ist Gewalt und die permanente Bedrohungssituation spannend und wirkt dem unspektakulären ETH-Alltag entgegen. "Für den grossen Ansturm an der LAN-Party spielt das Semesterende sicher eine wichtige Rolle", bestätigt Organisator "LukeNukem". "In der letzten Woche vor den Ferien sind alle völlig ausgebrannt und können hier an der LAN-Party zum Semesterschluss Dampf ablassen."

Ein weiterer Grund für die grosse Anhängerschaft sind die klar überschaubaren Spielregeln und die Kontrolle des Freizeitkämpfers über das Spielgeschehen. "So kann er Ohnmachtgefühle gegenüber der Komplexität der realen Welt kompensieren", heisst es im c't-Bericht. Der 23jährige Maschinenbau-Student Alexander "Maniac" Grab entwickelt selbst auch eigene Spielumgebungen, in denen er dann erst recht die Kontrolle übers Kampfgelände hat. "Ich will gewinnen!", erklärt der Hobbykrieger mit dem trendigen Baseball-Käppi in drei Worten, warum er an der LAN-Party teilnimmt.

Hartes Training

Obwohl inhaltlich auf tiefem Niveau angesiedelt, sind die Kampfspiele allerdings gar nicht so einfach, wie der Autor am eigenen Leibe erfahren musste. Im Computerraum der Elektrotechnik wurde er mehrmals von Kugeln und Raketen getroffen und landete schliesslich abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Kampfspiele erfordern hartes Training. Durchschnittlich 20 Stunden pro Woche verbringt der 20jährige Informatikstudent Marc "Soft-Ice" Bühler mit Ballerspielen. Sein Kollege im "Killer Loop"-T-Shirt, der 23jährige Physikstudent Dario "Sin" Hardmeier, trainiert wöchentlich sogar 25 Stunden und hat früher auch beim Spieler-Clan "Neurophilic" mitgekämpft. Zusätzlich zur Spieltaktik müssen sich die Studenten aber auch umfangreiches technisches Know-how über Netzwerke aneignen. Die Begriffe im LAN-Party-Lexikon [3] unterscheiden sich kaum vom Inhalt einer Vorlesung über Netzwerktechnologie.


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Gamer
Dampf ablassen zum Semesterschluss: "Sin" (links) bevorzugt dazu die Schrotflinte, "Soft-Ice" hingegen den Raketenwerfer. gross

Typischer Ballermann

Endlich haben "Sin" und "Soft-Ice" Gelegenheit, an der ETH einmal ihr wahres Können zu beweisen. Die Stimmung an der LAN-Party ist ausgelassen. Ob aufgrund des schnellen ETH-Netzwerks, der nahen Semesterferien oder des vom Fachverein AMIV gesponserten Gratisbiers, ist im Kampfeslärm des abgedunkelten Computerraumes nicht auszumachen. Organisator "LukeNukem" ist zufrieden mit seiner ersten LAN-Party an der ETH. Auch abends um sechs kämpfen noch über 40 Studenten an den 30 Computern gegeneinander; manche seit mehreren Stunden ohne Unterbruch. "Um zwei waren es noch mehr Leute und seither herrscht eine reges Kommen und Gehen", beschreibt "LukeNuke'm" den Andrang. Die wenigen freiwerdenden Plätze sind ganz nach dem Party-Motto "First come, first play!" jeweils rasch wieder besetzt.

Der typische "Ballermann" an der ETH LAN-Party ist männlich, Anfang 20 und studiert Ingenieurwissenschaften. Die einzige Frau im Raum sagt, sie sei "nur zum Waffen wechseln" hier. Mit zwei Fingern auf der Tastatur unterstützt sie ihren Freund im Kampf gegen die Mitstudenten.

Raum
Maschinengewehrsalven im abgedunkelten Computerraum: "An einer LAN-Party ist das Feeling viel persönlicher als zuhause übers Internet." gross

Wie kam es denn überhaupt zur LAN-Party an der ETH? "LukeNukem" erkannte als angefressener Spieler schon früh, dass ETH-Computerräume eine ideale Infrastruktur für Netzwerkspiele bieten. Aufgrund eines "blöden Sicherheitsschutzes" im Studenten-Computerraum konnte aber nie im grösseren Massstab gespielt werden. "Darum wollte ich mal was "Offizielles" organisieren". Student Hämmerle gelangte darum mit seiner Idee an den Fachverein AMIV.

Konfliktbewältigung

Fritz Zaucker, Leiter der für den Computerraum zuständigen Supportgruppe am Departement Elektrotechnik, machte die Auflage, dass für alle Spiele eine Lizenz vorhanden sein müsse. "Grundsätzlich halte ich studentische Projekte und Eigeninitiative für begrüssenswert." Ob ein Zusammenhang zwischen Ballerspielen und Aggressivität im Alltag bestehe, kann Zaucker nicht beurteilen. "Unsere Studenten sind erwachsene Menschen, die sich in der Regel vernünftig verhalten." Allerdings wünscht sich Zaucker von der ETH-Ausbildung eine stärkere Förderung der persönlichen und sozialen Fähigkeiten, beispielsweise zur Konfliktbewältigung.

Nach einigen E-Mails bekam Student Hämmerle von Todd Hollenshead, dem CEO der Quake-Herstellerin id-Software, persönlich die Zusage, an einer "Educational Institution" temporär das favorisierte Computerspiel "Quake III Arena" verwenden zu dürfen, sofern keine Eintrittsgebühren verlangt werden.

Obwohl einige Teilnehmer den langsamen Grafikkarten, "Ping-Problemen" und "Packet losts" die Schuld ihrer Niederlage zuschieben, ist die Spielgeschwindigkeit durch das 100 Megabit-Netzwerk der ETH doch um einiges schneller als beim Training zuhause übers Internet. Aufgrund der grossen Nachfrage wollen die Organisatoren an der ETH schon bald wieder eine LAN-Party durchführen. "Vielleicht schon im Sommersemester", hofft Student Hämmerle in die Zukunft.


LAN-Party: Computerspiele im lokalen Netzwerk

LAN ist die Abkürzung für Local Area Network und bezeichnet ein räumlich auf maximal einige hundert Meter begrenztes lokales Computernetzwerk, beispielsweise in einem Gebäude oder auch nur in einem Computerraum.

Der Begriff "LAN-Party" bezeichnet ein ungezwungenes Treffen von Computerfreaks, die mit oder gegeneinander Computerspiele durchführen. Je nach Grösse werden auch Turniere organisiert.

Weitere Fachbegriffe finden sich im "Party-Lexikon" zu LAN-Parties [3].




Literaturhinweise:
[[1]] "Die Gewalt in der Maschine" c't 4/2000, S. 132: www.heise.de/ct/00/04/132/default.shtml
[2] SATW-Bericht "Internet an Schweizer Gymnasien", Kapitel "Gewalttätige Computerspiele": www.cyberroadshow.ethz.ch/bericht/page35.htm
[3] "Party-Lexikon" zu LAN-Parties: www.planetlan.ch/texts.html?action=show&number=5



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