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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.02.2005 06:00

Bauarbeiten am Gotthard-Basistunnel
Die kritische Phase beginnt

Die Tunnelbauer am Gotthard haben den schwierigsten Abschnitt des Basistunnels in Angriff genommen. Das Tavetscher Zwischenmassiv stellt die NEAT-Ingenieure vor etliche Probleme. Laborversuche der ETH Zürich leisten eine Beitrag, die anspruchsvolle Aufgabe termingerecht zu bewältigen.

Von Felix Würsten

Es wird ein schwieriger Kilometer für die Tunnelbauer am Gotthard. Seit gut zwei Wochen arbeiten sich die Mineure vom Zugangsstollen Sedrun her durch die anspruchsvollen Gesteinsschichten des nördlichen Tavetscher Zwischenmassivs. Es ist nach heutigem Wissen der schwierigste Abschnitt, der beim Bau des neuen Gotthard-Basistunnels (1) bewältigt werden muss. Bereits bei der Planung war den Ingenieuren bewusst, dass der Vortrieb hier wegen den schwierigen geologischen Verhältnissen nur sehr langsam vorankommen wird. Um die bevorstehenden Schwierigkeiten abzuschätzen, führten sie deshalb Voruntersuchungen durch, an denen auch die ETH Zürich beteiligt war.

Wenig fest und deformierbar

Das nördliche Tavetscher Zwischenmassiv (2) besteht aus stark deformierten Schiefern und Gneisen, die bei der Alpenfaltung regelrecht zerrieben wurden. Vor allem die besonders stark beanspruchten Kakirite bereiten den Ingenieuren Sorgen, sind diese Gesteine doch wenig fest und leicht verformbar. Von "druckhaftem Gebirge" sprechen die Tunnelbauer, wenn sie solche Gesteinseinheiten durchqueren müssen. Durch die Entlastung dehnen sich die weichen Gesteine aus und verengen so die frisch ausgebrochene Tunnelröhre.

Die entscheidende Frage für die NEAT-Planer war nun: Wie stark werden sich die Gesteine des Tavetscher Zwischenmassivs nach dem Ausbruch ausdehnen? Da keine Referenzdaten vorlagen, mussten die Verantwortlichen von Sedrun aus Schrägbohrungen vortreiben und Proben aus der kritischen Zone entnehmen. Diese wurden im Felslabor des Instituts für Geotechnik der ETH Zürich (3) untersucht. "Mit den Experimenten bestimmen wir die mechanischen Eigenschaften der Gesteine", erklärt Martin Vogelhuber, der als Doktorand an den Versuchen beteiligt war. "Daraus können wir dann mit Hilfe von Modellrechnungen abschätzen, wie sich das Gebirge voraussichtlich verhalten wird."

Porenwasserdruck als wichtige Grösse

Die ETH-Ingenieure haben sogenannte Triaxial-Versuche durchgeführt. Die rund 20 cm langen, zylinderförmigen Proben werden dabei in eine Druckkammer gegeben von der Seite her einem gleichmässigen Druck ausgesetzt. In vertikaler Richtung wird gleichzeitig ein stetig zunehmender Axialdruck aufgebaut, der die Probe langsam zusammenstaucht. Eine wichtige geotechnische Kenngrösse, die man dabei ermittelt, ist der maximale Druck, den das Gestein aufnehmen kann.

Zur Sicherung des Felses werden im Tavetscher Zwischenmassiv bewegliche Stahlträger eingebaut. Die werden vom sich ausdehnenden Fels zusammengedrückt. Dieses Konzept wurde in diesen Dimensionen bisher noch nirgends eingesetzt. Deshalb wurden auf der Baustelle im Vorfeld umfangreiche Grossversuche durchgeführt. (Bild: © AlpTransit Gotthard AG) gross


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Eine Kakiritprobe aus dem nördlichen Tavetscher Zwischenmassiv vor und nach dem Triaxial-Versuch. Die Proben werden beim Experiment stark zusammengestaucht. (Bild: M. Vogelhuber) gross

Damit die Untersuchungen überhaupt durchgeführt werden konnten, mussten die ETH-Forscher ihre Versuchsanlage erweitern. Im Gegensatz zu "normalen" Felsproben spielt bei den Kakiriten, die untersucht werden mussten, das Wasser in den Poren eine entscheidende Rolle. Der Porenwasserdruck wirkt sich unmittelbar auf die Tragfähigkeit des Gesteins aus und beeinflusst so, wie sich der Fels verhalten wird. «Wir mussten für unsere Experimente Methoden, die man üblicherweise für die Untersuchung von Bodenproben braucht, mit felsmechanischen Verfahren kombinieren», erklärt Vogelhuber.

Für die ETH-Forscher sind diese Versuche aus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant. «Wir können hier Gesteine untersuchen, an die wir sonst nicht herankommen», erklärt Vogelhuber. «Zudem können wir unsere Voraussagen nach dem Tunnelausbruch direkt verifizieren. Davon erhoffen wir uns neue Einblicke, wie sich druckhaftes Gebirge unter derart extremen Bedingungen verhält.»

Aufwändiges Vorgehen

Auf Grund der vorliegenden Messdaten planen die Ingenieure nun ein aufwändiges Vorgehen beim Vortrieb. Je nach dem, wie ungünstig die geologischen Verhältnisse sind, müssen die beiden Tunnelröhren mit einem Durchmesser von bis zu 13 Metern ausgebrochen werden. Die Ingenieure gehen davon aus, dass sich das Gebirge im Extremfall 70 Zentimeter ausdehnen wird. Zur unmittelbaren Sicherung des Tunnels werden bewegliche Stahlträger eingebaut, welche vom Fels langsam ineinander geschoben werden können. Hat sich der Berg stabilisiert, wird schliesslich noch eine 1,20 Meter mächtige Betonschale eingebaut. Übrig bleiben am Ende zwei Röhren, die gerade noch einen Durchmesser von 7,7 Meter aufweisen.

Zur Zeit werden erneut Proben aus dem Gotthard an der ETH untersucht. Damit die Tunnelbauer keine bösen Überraschungen erleben, werden von der Tunnelbrust aus in regelmässigen Abständen 150 Meter lange Sondierbohrungen vorgetrieben. Für die Durchquerung des nördlichen Tavetscher Zwischenmassivs werden die Mineure voraussichtlich 3 1/2 Jahre brauchen, wie Heinz Ehrbar von der Abschnittsleitung Sedrun erklärt. Das ergibt eine durchschnittliche Vortriebsleistung von 90 Zentimeter pro Tag. Dabei sind unliebsame Überraschungen bis zum Schluss möglich. Die Tunnelbauer gehen davon aus, dass sie in gut drei Jahren am anderen Ende des nördlichen Tavetscher Zwischenmassivs Schichten antreffen werden, die praktisch nur noch aus Kakiriten bestehen.


Fussnoten:
(1) Homepage der Alptransit Gotthard: www.neat.ch/pages/d/
(2) Homepage des Abschnitts Sedrun: www.transco-sedrun.ch/
(3) Homepage des Instituts für Geotechnik: www.igt.ethz.ch



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