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Rubrik: Tagesberichte |
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Klimapolitik nach Marrakesch Abkommen mit Milchzähnen |
Das Kyoto-Protokoll wurde am Ende der letzten Klimakonferenz vor rund einer Woche in Marrakesch für ratifizierbar erklärt. Der ETH-Ökologe Andreas Fischlin, Delegierter in der Schweizer Vetretung, freut sich über diesen Ausgang und sieht darin ein wichtiges Signal an die Wirtschaft. Interview: Christoph Meier Herr Fischlin, was ist ihr Fazit als Delegationsteilnehmer? Ich bin erfreut über den Ausgang, gleichzeitig aber auch etwas enttäuscht. Denn die "Umbrellastaaten" (1) haben es nochmals geschafft, uns anderen Ländern Zugeständnisse abzuringen. Beispielsweise hat Japan nicht Wort gehalten, sondern hat uns - 165 von 170 Ländern, die sich schon Donnerstag Nacht geeinigt hatten - gezwungen, eine Bestimmung aus dem Bonner Agreement wieder zu entfernen. Wie früher erläutert (2), bin ich aber überzeugt, dass ein Fehlschlag des Kyotoprotokolls sich fatal ausgewirkt hätte. Besonders schlimm wäre das Signal an Wirtschaft und KonsumentInnen gewesen: Klimaschutz ist nicht wichtig genug, als dass man sich auf eine Einigung durchringen kann. Wirtschaftszweige, die sich vorbereitet haben, energieeffiziente Produkte oder neue Technologien wie zum Beispiel Brennstoffzellen bald anbieten zu können, sähen sich um ihre Hoffnungen betrogen. Andere, die jeglichen derartigen Wandel möglichst vor sich herschieben, hätten sich in ihrer Abwehrhaltung bestärkt gesehen. Allgemein wäre ein Scheitern als Einladung aufgefasst worden, den Energieverbrauch weiterhin ungefragt steigern zu können. Ein Klimasystem, das mit jahrzehntelangen Verzögerungen auf unsere Einflussnahme reagiert, hätte erst viel später uns deutlich vor Augen geführt, was wir da für Weichen gestellt haben. Das ist ja das Problem beim Klimaschutz: Wir dürfen nicht warten, bis wir die Beweise in den Händen halten, dann ist es nämlich zu spät. Sie haben im Vorfeld vor "perversen Anreizen" gewarnt. Konnten diese in Marrakesch gebannt werden? Ja, dabei ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Gerade im Bereich der Senkenprojekte in Entwicklungsländern, die unter dem sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) durchgeführt werden, sind die Modalitäten noch nicht im Einzelnen festgelegt. Die wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen hierzu wurden als ungenügend angesehen. Es werden nun vom IPCC (Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe für Klimaänderungen) solche angefordert, und in zwei Jahren wird man eine Vereinbarung darüber beschliessen. Wer trotzdem schon vorher mit einem Projekt anfangen möchte, kann das tun. Ich würde dann aber raten, mit grösster Sorgfalt auf Umweltaspekte zu achten, zum Beispiel indem ich anstreben würde, das Projekt FSC (3) zertifizieren zu lassen. Dann bestehen beste Voraussetzungen, dass das Projekt sämtlichen Anforderungen genügen wird. Russland hat sein Dach zur Ausschöpfung von Senken in der Waldwirtschaft von 17 auf 33 Megatonnen erhöhen können. Was sagen Sie als Senkenspezialist dazu? Genau diesem Problem habe ich meinen Einsatz hauptsächlich gewidmet. Die Obergrenze, die uns hier die Russen abgepresst haben ist wirklich hoch. Aus der Sicht des Klimaschutzes ist jedoch der Differenzbetrag von acht Megatonnen Kohlenstoff pro Jahr, der eigentlich zur Debatte stand, nicht allzu gross. Gestützt auf neuere Daten stünde Russland bei gleicher Berechnungsgrundlage, wie sie für die meisten Länder verwendet wurde, nämlich 25 Megatonnen zu. Wird durch dieses Zugeständnis an Russland, das nun vielleicht Emissionsrechte zu Dumping-Preisen anbietet, nicht der Emissionsrechtshandel torpediert und KIimaprojekte in Entwicklungsländern unwahrscheinlich? Die erwähnten acht Megatonnen sind im Vergleich zum riesigen Überschuss an Emissionszertifikaten, welche die Russen auch ohne die Senken schon besitzen - zurzeit mehr als 100 Megatonnen sogenannter "hot air" - als das kleinere Problem anzusehen. Schliesslich ist zu hoffen, dass die Russen im eigenen Interesse hier etwas zurückhaltender agieren werden, damit der Emissionshandelspreis für eine Tonne CO2 nicht noch weiter sinken wird.
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Die Schweiz arbeitet mit Südafrika eine Erklärung zu Marrakesch aus. Was ist die zentrale Botschaft darin? Die sogenannte "Marrakesh Ministerial Declaration“ ist vor allem im Hinblick auf den bevorstehenden World Summit on Sustainable Development (4) verabschiedet worden. Die Deklaration ist nicht flammend, sondern sehr formal, fast zurückhaltend, geschrieben. Es wird hier auf die Bedeutung des Klimaschutzes für eine nachhaltige Entwicklung und die Dringlichkeit der Massnahmen, insbesondere einer speditiven Ratifizierung des Kyotoprotokolls, hingewiesen. Für unser Land hat Bundespräsident Leuenberger anlässlich seines Besuchs in Marrakesch ja klar zum Ausdruck gebracht, dass die Schweiz zusammen mit den meisten Ländern im nächsten Jahr ratifizieren will. Dann hätten wir zum ersten Mal ein internationales Umweltabkommen mit Biss, zwar nicht mit starken Greifern, doch zumindest mit Milchzähnen.
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