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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.03.2004 06:00

Forschungsexpedition im Nordatlantik – Teil 2
Schwere See und erste Proben

Vor eineinhalb Wochen ging der ETH-Meeresgeologe Ralf Schiebel in Bremerhaven mit seiner Crew an Bord der FS Poseidon, um die Algenblüte im Nordatlantik zu untersuchen. Nun ist die erste Seekrankheit überwunden und die ersten Wasserproben sind an Deck.

Von Ralf Schiebel

Wenn man an der ETH Zürich Meeresforschung betreibt, muss man sich zwischendurch an die Küste begeben. Wir kommen bei blauem Himmel und eisigem Wind im Norden an und geniessen den Sonnenuntergang über dem Watt bei einem Krabbenbrot. Als wir am nächsten Vormittag die "Poseidon" erreichen, werden gerade Dreiergebinde von Eisenbahnrädern für die Verankerungen von Tiefsee-Messketten an Bord gehievt. Wie immer herrscht hektische Betriebsamkeit vor dem Auslaufen. Abends gehen wir auf ein Bier in die Hafenkneipe, wo wir die halbe Crew treffen. Deutsche Schlager, total verraucht und das übliche Hafenvolk.

Seefahrerromantik

Um Punkt 8 Uhr am nächsten Morgen legen wir ab. Das Wetter soll in den nächsten Tagen ruhig bleiben: Beste Voraussetzungen für ein schnelles Vorankommen durch den Ärmelkanal. Es geht an einer langen Reihe von Hafenkränen vorbei, hinaus in Richtung Nordsee. Wir bekommen einen ersten Safety-Drill auf dem Hauptdeck. Danach richten wir unser Labor ein.

Wir passieren die engste Stelle des Ärmelkanals und nutzen die letzte Gelegenheit, mit dem Handy zu telefonieren. Im Norden sehen wir die Kreidefelsen von Dover in der Abendsonne, während über der Küste von Frankreich dicke Regenwolken hängen. Kurze Zeit später schaut der Vollmond zwischen den Wolken hindurch und legt seine silberne Strasse über das Meer. Für echte Seefahrerromantik ist es zu kalt, aber alle an Bord gehen an diesem Abend zufrieden in ihre Kojen.

Anfahrt auf die erste Station

Am Ausgang des Kanals hat das Wasser schon offen-ozeanischen Charakter. Für ein paar Stunden begleiten uns Delphine. Der Salzgehalt liegt bei 35,5 Prozent und die küstennahe Trübung des Wassers hat deutlich abgenommen. Die Wassertemperatur an der Oberfläche liegt bei 9,7 Grad. Die Labore sind für die erste Station vorbereitet. Wir haben Nährlösungen hergestellt und Wasser zum Spülen der Filter vorbereitet. Wir pumpen Wasser an Deck, leiten es durch ein 10 Mikrometer-Netz, um die ersten Coccolithophoriden und Foraminiferen zu isolieren.

Gischt: Die Poseidon stampft gegen die hohe Dünung an.

Die See ist krabbeliger geworden. Das Arbeitsdeck wird von Wellen überspült und die Speigatten entlassen ununterbrochen Wasser. Da das Schiff trotz Stabilisatoren in den Wellen schlingert, sind einige von uns seekrank geworden. Später nimmt der Wind auf 30 Knoten zu. Wir bekommen Kreuzseen, zwei sich kreuzende Wellengenerationen aus unterschiedlichen Richtungen. Die Wellenhöhe beträgt drei bis fünf Meter. Die Bullaugen sind mit Stahlplatten verschlossen worden, damit sie nicht von den Wellen eingedrückt werden. Die 250 Kilo schwere CTD-Rosette (Conductivity-Temperature-Depth-Sonde und Wasserschöpfer) von und wieder an Bord zu bringen, wird jetzt schwierig.

Die ersten Proben

Während wir die erste Station anlaufen, fährt der Steuermann die Stabilisatoren ein. Das Schiff fängt sofort an zu rollen. Wir sitzen noch beim Frühstück, als die Gedecke, Marmelade und Kaffee ein hochbeschleunigtes Eigenleben entwickeln, Stühle zu rutschen anfangen und ein Mitarbeiter, ohnehin von der Seekrankeit seiner koordinatorischen Fähigkeiten beraubt, durch den Raum purzelt. Pünktlich um 8 Uhr wird das Gerät zu Wasser gelassen, auf 300 Meter Tiefe gefiert und Temperatur und Salzgehalt registriert.


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Rettungsübung für die Sicherheit an Bord: Die sieben Wissenschaftler von der ETH Zürich, vom Institut für Meereskunde aus Kiel (IfM-GEOMAR) und vom Institut für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW) nach einem Feueralarm auf dem Arbeitsdeck.

Die nächste Station, bei 47°N 20°W, ist der erste wichtige Wegpunkt der Reise. Hier gibt es einen mehrjährigen Datensatz, der zum Vergleich mit neuen Daten zur Verfügung steht. Die CTD-Rosette wird hier bis in 4'000 m Tiefe gefiert. Zusätzlich zu den Nutrienten und Algen sollen an diesen Proben Cadmium-Gehalte gemessen werden, die als paläoozeanographische Tracer für Phosphatgehalte benutzt werden.

Kurz bevor das Gerät an Deck kommt, taucht aus dem Wasser ein Knoten im Draht auf. Ein Knoten stellt eine potentielle Bruchstelle im Seil dar und kann nicht auf die Winde getrommelt werden. Es ist 2.15 Uhr nachts. Trotzdem sind die Spezialisten schnell an Deck: Dem Bootsmann und seinen Matrosen gelingt es, die CTD sicher an Bord zu holen. Um 5 Uhr kann das Gerät wieder zu Wasser gelassen werden und der nächste Hol wird problemlos durchgeführt.

Die CTD-Rosette kommt an Bord. Die grauen Rohre sind Wasserschöpfer; darunter befindet sich die CTD und Sonden zur Messung der Sauerstoffgehaltes und der Fluoreszenz, die zur Berechnung des Chlorophyllgehalts benutzt wird.

Die ersten Wasserproben werden genommen, aber leider sind zwei Wasserschöpfer zu Bruch gegangen. Auf der zweiten Station ist die Dünung zwar hoch, aber wir haben keine Kreuzseen mehr. Die Station wird problemlos beprobt und wir zapfen Wasser für die Nutrientenbestimmung und die Algenfiltration.

Kurz vor der Frühjahrsblüte

Wir dampfen jetzt auf unserem Transekt nach Süden, den Wind von Achtern. Auf den nächsten Stationen stellt sich Routine ein. Die Wassertemperatur an der Meeresoberfläche steigt auf über 16 °C; entsprechend warm ist die Luft. Wir befinden uns nordöstlich der Azoren schon im Übergangsbereich zum Subtropical Mode Water. Die Chlorophyllgehalte im Oberflächenwasser sind immer noch niedrig. Aus Zürich haben wir Satellitenbilder vom 9. und 11. März bekommen, die uns zeigen, dass die Frühjahrsblüte jetzt knapp südlich von unserer Position stattfindet. Auf den nächsten Stationen erwarten wir erhöhte Chlorophyllwerte und das Ziel dieser Reise, die Erfassung der Frühjahrsblüte, wäre erreicht.

Am 16. März wird die Verankerungsposition auf 33 °N 22 °W angelaufen. Danach wird unser Profil um eine oder zwei Stationen nach Süden fortgesetzt, um den Norden des Subtropischen Wirbels zu beproben, der nährstoffarm ist und eine spezielle Algenflora aufweist. Wir sind zuversichtlich, dass die Expedition erfolgreich weiter geht und wünschen allen daheim in der Schweiz ´immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel!´


Literaturhinweise:
Der erste Bericht über die Forschungsexpedition im Nordatlantik erschien am 10. März 2004 in „ETH Life“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/algenblueteschiebel1.html



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