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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.06.2005 06:00

100 Jahre „annus mirabilis“ – Einstein-Symposium an der ETH
Parade von Einsteins Erben

Soviel konzentrierte intellektuelle Potenz ist auch an der ETH selten. Diese Woche kommen an der ETH führende Physiker der Welt zum Symposium "Physics in the 21st Century" zusammen, darunter vier Nobel-, ein Balzanpreis- und ein Fields-Medaillenträger. Anlass ist neben dem ETH-Jubiläum das Einsteinjahr. Die epochalen Erkenntnisse des Jahrhundert-Physikers im „annus mirabilis“ 1905 bilden die Basis von vielem, was die Forschung heute beschäftigt. Was daraus wurde, wollen vom 7. bis 11. Juni achtzehn Referenten aus sechs Ländern auch interessierten Laien vermitteln.

Norbert Staub

Wenn Jürg Fröhlich erzählt, woran die am Einstein-Symposium an der ETH sprechenden Physiker arbeiten, könnte einem schwindlig werden. Denn die Dimensionen, um die es hier geht, sind wahrlich nicht von dieser Welt: „Der Astrophysiker Reinhard Genzel vom Max Planck Institut in München zum Beispiel, Balzan-Preisträger des Jahres 2003, hat das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstrasse ausgemessen und wird unter dem Titel 'Die Gravitation schlägt zurück’ über dieses alles verschlingende Objekt berichten“, sagt Fröhlich, ETH-Professor für Theoretische Physik. Er kennt die meisten der achtzehn wissenschaftlichen Schwergewichte, die an der ETH referieren, persönlich. „Ich war selbst etwas erstaunt, dass praktisch alle, die wir um einen Beitrag baten, zugesagt haben“, sagt Fröhlich. „Ich denke, das spricht für die ETH.“ Im folgenden ein Blick auf die Fülle an Themen, welche Forschende wie interessierte Laien erwartet.

Stelldichein von Champions der Forschung: Am Einstein-Symposium sprechen unter anderen (oben, v.l.) Alain Connes (Fields-Medaille), David Gross, Wolfgang Ketterle (Nobelpreisträger), (unten, v.l.) Claude Cohen-Tannoudji und Kurt Wüthrich (Nobelpreisträger). ETH-Physikprofessor Jürg Fröhlich ist der Organisator des fünftägigen Events.

Königliche…

Wie Genzel beschäftigt sich auch Paul Steinhardt von der Princeton University mit Erstaunlichem. Der Astroteilchenphysiker hat die sogenannte Schwarze Strahlung analysiert, die 1900 der Auslöser für Max Plancks Begründung der Quantenmechanik war, also der revolutionären Einsicht, dass Strahlung nur in Paketen abgegeben und absorbiert werden kann und nicht kontinuierlich. Steinhardts Untersuchung der Schwankungen der Schwarzen Strahlung im Universum ermöglicht nun Aussagen über dessen Geometrie. Auch der bekannte britische Astrophysiker Sir Martin Rees (Cambridge), seines Zeichens „Astronomer Royal“, wird sich über Entwicklungen in der Kosmologie äussern.

… und jugendliche Geistesgrössen

Über den 33-jährigen, aus der Ukraine stammenden Mathematiker Igor Rodnianski sagt Jürg Fröhlich, er sei ein „junges Genie“. Der Princeton-Mathematik-Professor wird über „nicht-lineare Wellen und Einsteins Geometrie“ sprechen. „Rodnianski hat bereits wichtige Beiträge zur Allgemeinen Relativitätstheorie gemacht“, erzählt Jürg Fröhlich. Weiter wird mit Neil Ashby ein Forscher auftreten, der Einsteins Erbe eng mit einer Anwendung verknüpft: nämlich mit dem GPS, dem "Global Positioning System". Ashby wird zeigen, wie relativistische Effekte in der heute alltäglichen Positionsbestimmung mittels Satelliten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. So müssen die Atomuhren in den Satelliten leicht anders gehen als Uhren auf der Erde, weil deren Gang von ihrem Bewegungszustand und der Schwerkraft beeinflusst wird, wie Einstein es voraussagte.

Das Augmerk auf die Praxis gerichtet hat auch die mathematische Physikerin Jennifer Chayes, Co-Managerin der „Theory Group“ von Microsoft in Seattle. Sie setzt sich mit Phasenübergängen auseinander, also abrupten Veränderungen des Zustandes eines Systems bei geringfügigen äusseren Störungen, und mit deren Folgen für die Computerwissenschaft. Claude Cohen-Tannoudji von der Ecole Normale Supérieure in Paris bekam den Nobelpreis 1997 für die Mitentwicklung eines Verfahrens, mit welchem Atome mittels Laser abgekühlt und „eingefangen“ werden können. Eine Anwendung davon sind etwa präzise Atomuhren.


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Vor Einstein undenkbar: eine Darstellung des Schwarzen Lochs GRO J1655-40, das sich im Zentrum eines heissen Gaswirbels befindet und durch unsere Milchstrasse rast. (Bild: A. Hobart, NASA/CXC/SAO)

Mit der grossen spekulativen Theorie der Gegenwart, der String-Theorie, werden sich Robbert Dijkgraaf (Amsterdam) und Juan Maldacena (Princeton) befassen. Diese versucht, Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie unter einen Hut zu bringen – ein schwieriges Unterfangen, „denn die beiden vertragen einander nicht“, so Jürg Fröhlich.

Forschung am Nullpunkt

Auch Einstein suchte in seinen Berliner und Princetoner Jahren intensiv nach einer universellen Theorie, welche die Gravitation mit den anderen fundamentalen Kräften der Physik, insbesondere dem Elektromagnetismus, vereinigen würde. Das wird das Thema des Teilchenphysikers David Gross sein, der 2004 den Nobelpreisträger für einen wichtigen Mosaikstein in der Vollendung des Standardmodells erhalten hat, nämlich für die Modellierung der Kräfte, die zwischen den Quarks herrschen. Ein weiterer illustrer Redner am Symposium ist Wolfgang Ketterle. Der 47-jährige, enorm produktive Experimentalphysiker ist heute Professor am MIT. Für die erstmalige Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats in verdünnten Gasen aus Alkaliatomen hat er 2001 den Nobelpreis erhalten. Er wird sich in seiner Pauli-Vorlesung über seine quantenmechanischen Experimente bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt äussern.

Es sei „eine wirklich erstaunliche Tatsache, dass ein grosser Teil der physikalischen Wirklichkeit gänzlich in der Sprache der Mathematik wiedergegeben werden kann“, sagte Alain Connes einmal. Der Franzose gilt als einer der bedeutenden Mathematiker der Gegenwart. Seit 1982 ist er Träger des „Nobelpreises“ der Mathematik, der Fields-Medaille. Sein Thema ist die Mathematik der Quantentheorie, wo er mit der Begründung der "Nichtkommutativen Geometrie" Neuland betreten hat. Damit stellte Connes mächtige Werkzeuge zur Untersuchung von „quantisierten" Räumen zur Verfügung.

Was Physiker im Jahr 2105 bewegt

Einen Bezug zu Einsteins frühesten „Berner“ Arbeiten von 1902/03 wird Elliott Lieb herstellen, auch er ein Princeton-Physiker. „Lieb nimmt die Gesetze der Thermodynamik, also der Wärmelehre, unter die Lupe“, erklärt ETH-Professor Fröhlich. Hier, so Fröhlich weiter, geht es um das Wie und Warum vieler Phänomene, die wir täglich beobachten: so das Tauen, Gefrieren oder Flüchtigwerden von Materie. Nicht zurück, sondern 100 Jahre voraus zu sehen versucht David Mermin (Cornell University), wenn er sich fragt, welches dannzumal die brennenden Fragen der Physik sein könnten. Und last, but not least, wird auch Kurt Wüthrich, ETH-Professor für Biophysik und vierter Nobelpreisträger dieses Events, den Einfluss von Einstein und allgemeiner der Physik auf seine Arbeit darstellen, nämlich jenen der Quantentheorie des Lichts auf die Entwicklung des Kernresonanz-Verfahrens.


Symposium "Physik im 21. Jahrhundert"

Die traditionellen Wolfgang-Pauli-Vorlesungen 2005 sind aus Anlass des Einstein- und des ETH-Jubiläumsjahrs in das grosse Symposium "Physics in the 21st Century" von Dienstag, 7. bis Samstag, 11. Juni 2005, integriert worden. Pauli-Vorlesungen werden Reinhard Genzel, Claude Cohen-Tannoudji und Wolfgang Ketterle halten.

Albert Einstein begann 1896 sein Physik- und Mathematikstudium an der ETH Zürich. Das Diplom machte er 1900. 1905 promovierte er an der Universität Zürich. Von 1909 bis 1911 war Einstein dort Professor für Physik, 1912 bis 1914 war er an der ETH Professor für Theoretische Physik . Gastgeber des Symposiums sind die ETH und die Universität Zürich, unterstützt wird es zudem von der Latsis-Stiftung. Die Referate finden statt im AudiMax des ETH-Hauptgebäudes (7.-9., 11.6.) und im Hörsaal 101 des Uni-Hauptgebäudes (10.6.). Die Vorträge werden in Englisch gehalten; alle Interessierten sind willkommen.

Detaillierte Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter: www.itp.phys.ethz.ch/einstein/




Literaturhinweise:
"ETH Life"-Bericht über Einsteins Jahre an der ETH vom 12.3.2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/einstein125.html
"ETH Life"-Bericht" zum Weltjahr der Physik: www.ethlife.ethz.ch/articles/einstein_wyp05.html
Am 16. Juni öffnet eine grosse Sonderausstellung über Albert Einsteins Leben und Schaffen im Historischen Museum Bern ihre Tore: www.einstein-ausstellung.ch/



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